Privat verschuldet Die dunkle Seite des Geldes

Von Beate Fleming
Ein Kredit aufzunehmen ist heute scheinbar so normal, wie das Aufbewahren der Quittung nach dem Kauf. Es ist ja auch nicht schlimm - solange man den Kredit abbezahlen kann. Immer mehr, immer jüngere Deutsche schaffen das aber nicht. Eine Reise durch ein Land mit sieben Millionen Schuldnern.

Die Haustüren, an denen der Mann mit Aktentasche und Beamtenmantel klingelt, sehen immer ganz harmlos aus. Wie in einem Horrorfilm beginnt das Grauen, sobald sie sich öffnen und Peter Zwegat seine Hand ausstreckt - "Sie haben mich gerufen". Das macht er immer mittwochs pünktlich um 21.15 Uhr auf RTL. Wo Zwegat hingeht, ist, auf Deutsch, die Kacke am Dampfen - manchmal so doll, dass sogar der unerschütterlichste Schuldnerberater Deutschlands zwischendurch rausmuss, um sich an einer Marlboro fest zuhalten. Millionen gruseln sich mit ihm, gebannt von einer Mischung aus Vor- und Schadenfreude. Und Angst.

An diesem sonnigen Vormittag in Berlin- Charlottenburg sitzt er in der düstersten Ecke des Cafés. Mit Schulterblicken checkt er, ob sich vom Eingang her jemand mit überquellenden Ordnern nähert. In Wirklichkeit raucht er noch mehr als auf RTL und trinkt dazu einen Dreiviertelliter Kaffee. Wer ist schuld an den Schulden?

Finanziell fatal

Dazu fallen Zwegat ein Haufen Beispiele ein: Da sind die Azubis, "die das Wort Dispositionskredit nicht buchstabieren können, aber einen haben". Dann kennt er "junge Menschen, die ihre erste Wohnung beziehen, aber die muss gleich perfekt eingerichtet sein". Dann gibt es "Frauen, die keine Schulden hätten, wenn sie den 'Kerl' nicht hätte". Finanziell fatal findet Zwegat auch den "übermächtigen Wunsch vieler Paare nach einem Eigenheim, obwohl sie verdienstmäßig dafür nicht infrage kommen, die Finanzierung nicht von der Verbraucherberatung überprüfen lassen. Und drittens: Mindestens jede dritte Ehe wird geschieden", unkt Zwegat. Wirklich zur Verzweiflung aber treiben ihn jene, "die ihr Recht auf Dummheit missbrauchen". Kurz gesagt: Schuld ist, wer nicht so ist wie Zwegat. Der wohnt seit 1974 in derselben Wohnung - zur Miete. Seine erste Einrichtung bestand "aus Jaffa-Möbeln und einem alten Sessel von der Oma". Weil "jeder Wunsch sofort zwei Junge kriegt", hat er keinen Flachbildschirm, kein iPhone und keine Kredite. Waschkörbeweise bewerben sich die Menschen beim vernünftigen Herrn Zwegat, "weil ich vielleicht so was bin wie der gute Freund und Papa, den viele nicht mehr haben".

Borgen und Schmausen endet mit Grausen. Den alten Spruch hatten die Deutschen fast vergessen. Doch jetzt überholt sie die Horrorwirklichkeit. In der Weltwirtschaft wie auch privat. Auftragsrückgang, Kurzarbeit, Insolvenzen, Entlassungswelle und eine Regierung, die den Schirm über Banker hält, während immer mehr Bürger im Regen stehen. Schon 2008, als die Krise nur in der Zeitung stand, war jeder zehnte Erwachsene überschuldet. Doch jetzt steht sie im Wohnzimmer. Was wird 2009? Viele hoffen, noch mehr unken, jedenfalls wird dieses Jahr sogar Berufspessimisten negativ über raschen. Eins war schon immer klar: Es kann jeden treffen.

Hamburg-Harburg. Kaum ist er aus seinem Dacia Pick-up gestiegen und hat einem die weiche Pranke gereicht, schon liegt sein Leben da wie eine alte Hure mit gespreizten Beinen. Die Reling seines Hausboots ist brüchig, sein Bett ungemacht, die Küchenregale sind voll mit Diätfutter-Dosen, und in der Abfalltonne liegen ausgedrückte Tablettenblister. Dazwischen steht Gunter Gabriel, 66, baumgroß und dröhnt: "Ich hab Mundgeruch und Fußpilz!" Und außerdem hat er Schulden. "Ich kann im Moment nicht genau sagen, wie viele. Auf jeden Fall sechsstellig." Das nur, weil der Schlagerstar ("Hey Boss, ich brauch mehr Geld!") eigentlich sparen wollte: Steuern. Zu dem Zweck hatte er vor 20 Jahren 40 Eigentumswohnungen gekauft. Schrott-Immobilien. Habsucht ist die Wurzel allen Übels. Gabriel holt ein Fan-T-Shirt raus. Darauf prangt: "Steh auf! Mann." Dann kommt sein Band- Kumpel mit einem Schraubenschlüssel und einer schlechten Nachricht rein. "Deinen Trockner krieg ich nicht mehr hin." - "Große Scheiße", flucht Gabriel.

Alle haben Schulden

Eine zutreffende Einschätzung der aktuellen finanziellen Lage sowohl von Gunter Gabriel als auch von Deutschland. Schulden: Selbst die schrumpfende Minderheit der Bundesbürger, die denkt, sie hätte keine, hat welche. Und zwar 18.825 Euro. 2262 Euro zahlen wir Zinsen - pro Sekunde, für die Miesen von Bund, Ländern und Kommunen, also von uns.

Die Regierenden, die soeben Rettungspakete im Wert von gut zwei Millionen Einfamilienhäusern beschlossen haben, wollen jetzt auf die Schuldenbremse treten. Jetzt? Äh, ab 2020. Es soll ja noch Bürger geben, die sich darüber aufregen können. Der große Rest schweigt und hofft, dass die Sache gut ausgeht. Machen wir doch genauso: Allein 200 Milliarden Euro haben die Deutschen zum Beispiel an Konsumentenkrediten laufen. Rund 25.000 Euro geben sie im Schnitt für ihren Neuwagen aus. Etwa 70 Prozent kaufen ihn auf Pump. Zusätzlich zu den Konsumschulden haben die Bürger laut Bundesbankstatistik Kredite in Höhe von 1094 Milliarden Euro für ihre Eigenheime aufgenommen. Schulden sind wie Mundgeruch - ein bisschen peinlich, aber man kann damit leben. Solange einen keiner darauf anspricht. Noch weniger gern als über Geld reden wir Deutschen nämlich über Geld, das wir noch nicht verdient haben. Über Schulden. Aber wenn es Nacht wird in unserer Minusgesellschaft, wälzt sich mancher schlaflos im Bett und betreibt Zinsrechnung: neues Haus, neue Küche, neuer Flachbildschirm und dann noch der neue A6 - kann man das alles in einem Leben abbezahlen?

Vielleicht. Wenn wir uns fünf Jahre lang nur Margarine aufs Brot schmieren. Beten, dass nichts verrutscht. Vor allem nicht das Kondom. Bloß kein drittes Kind! Bloß gesund bleiben! Schaffe, schaffe, Häusle baue - von wegen. Sogar die Schwaben haben ihr Motto mittlerweile umgedreht: Häusle baue und dann: hoffen, hoffen - dass es mich nicht trifft. Manche verplanen sogar die Rente der 85-jährigen Oma für die nächsten 20 Tilgungsjahre. Wer weiß, bei guter Pflege …

Überschuldung

Überschuldung bedeutet: Das Monatsgehalt reicht nicht, um Lebenshaltungskosten und Raten zu decken. Die Auslöser: 1. Arbeitslosigkeit, 2. Scheidung, 3. Krankheit. Aber wenn die Pleite, wie Schuldenberater Zwegat sagt, "das letzte Tabu" ist - warum ziehen die Leute sich dann bei RTL, manchmal wortwörtlich, bis auf die Unterhosen aus? Weil es in Deutschland zu wenig Beratungsstellen gibt, Wartezeit bis zu anderthalb Jahre.

"Herr Zwegat ruiniert uns", sagt Frank Wiedenhaupt von der Schuldnerberatung "Neue Armut e.V." in Berlin-Neukölln. "Die Leute fragen, warum wir sie nicht auch zu Hause besuchen und Händchen halten." Donnerstagvormittag ist Sprechstunde in der Richardstraße 111. "Handy kaputt. SIM-Karte kaputt. Trotzdem jedäh Monat Brief. Soll zahle 35 Euro!" Herr F., Witwer aus Ex-Jugoslawien, hat noch eine Plastiktüte voller Rechnungen dabei: Fernsehgebühren, Strom für die vorherige Wohnung, Gas für die vorvorige, und das Sozialamt will auch noch Geld zurück. Er hat alle Forderungen in Klarsichthüllen gesteckt. Gezahlt hat er nichts.

Jährlicher "Schuldneratlas"

Jahr für Jahr erstellen Creditreform und Schufa, beides Zusammenschlüsse von Unternehmen, die Wert auf die Bonität ihrer Kunden legen, den "Schuldneratlas" beziehungsweise "Schuldenkompass" der Republik. Der ist an fast allen Stellen deckungsgleich mit dem Nord-Süd-Gefälle der Arbeitslosenstatistik: viele rote Flecken in Bremen, Berlin und weiten Teilen des Ruhrgebiets; Bayern und Baden-Württemberg dagegen: grün. In Wuppertal sind 18,82 Prozent der Bevölkerung überschuldet, in Eichstätt 4,01 Prozent. Bundesweit sind 6,9 Millionen über 18-Jährige betroffen, 1,17 Millionen davon wohnen im Osten. Auf Platz eins der aktuellen Hitliste: die Offenbacher. Fast jeder fünfte Erwachsene ist dort abgestürzt ins Schuldenloch.

Die Ursachen liegen lange zurück, sind so schnell nicht zu beseitigen und finden sich in vielen anderen Pleitier-Kommunen. Offenbach war einmal eine Arbeiter- und Industriestadt. Doch die Industrie, die 70 Prozent der Arbeitsplätze stellte, ist weggebrochen. Die "dynamische Main-Region" bietet jetzt Jobs im "Backoffice-Bereich" von Banken und in der "Kreativ-Wirtschaft". Sitzen geblieben ist ein "Publikum, das es schwer hat", so Matthias Müller von der Stadt Offenbach. 30 Prozent der Offenbacher sind Nichtdeutsche, dazu kommen 15 Prozent Eingebürgerte mit Migrationshintergrund.

Gemessen am Bevölkerungsanteil sind die Migranten in der Schuldnerberatung überrepräsentiert. Aber auch in Stuttgart, wo die Arbeitslosenquote nur 5,3 Prozent beträgt, hat - bei einem Ausländeranteil von 21 Prozent - jeder zweite Klient der Schuldnerberatung einen Migrationshintergrund. Der Schuldenatlas weist auch deutliche Überschneidungen mit den Pisa- Ergebnissen auf. Ob man seine Schulden im Griff hat, ist eine Frage der Bildung, sagt Martin Tertelmann, Präventionsbeauftragter der "Zentralen Schuldnerberatung" in Stuttgart. Besserer Schulabschluss, bessere Ausbildung, mehr Gehalt, mehr Möglichkeiten, die Schulden abzubezahlen.

Bedeutung des gesellschaftlichen Lebens

Wenn Tertelmann zum Hausbesuch kommt, steht er neben gigantischen Fernsehbildschirmen, und auch sonst ist der Haushalt multimedial bis an die Zähne bewaffnet. Seine jugendliche Kundschaft versucht, vier Handyverträge gleichzeitig zu bezahlen, alle abgeschlossen, um an das jeweils Neueste ranzukommen. Schon lange sucht er für ein Präventionsprojekt eine Schulklasse, die bereit ist, einen Monat aufs Handy zu verzichten. Natürlich ohne jeden Erfolg. Tertelmann wertet seine Beobachtungen als "Versuch der Unterschicht, über die Medien am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben" - du bist, was du dir runterlädst. Die Jugendlichen aus den Bildungshaushalten der Daimlerstadt hingegen turnen nachmittags im Kinderzirkus oder trainieren Leichtathletik- du bist, was du tust.

Letzteres ist aber ganz schlecht, und zwar für Industrie, Handel und die Konjunktur, also für uns. Konsum ist ja nicht nur Ersatzreligion, sondern auch erste Bürgerpflicht. Findet auch die Bundesregierung: Die will ja auch, dass Menschen, die ein mindestens neun Jahre altes Auto fahren, also Menschen, bei denen meist kein Geld rumliegt, sich einen Neuwagen kaufen. Für die 2500 Euro Verschrottungsprämie vom Staat kriegt man aber leider nicht mal einen Dacia Sandero, geschweige denn einen durchschnittlich ausgestatteten Kleinwagen um die 11.000 Euro. 1000 Euro könnte man lockermachen. Null Problem: Die Verkäufer in den Autohäusern erklären gern alles wortreich und wolkig - außer dass sie einen Hunni Provision pro abgeschlossener "Finanzierung" für die fehlenden 7500 Euro bekommen. Das Geschäft mit den Schulden ist ein Riesengeschäft.

Vielen Firmen ist einer, der kein Geld hat, sowieso lieber. Der zahlt nämlich mehr als einer, der Geld hat. Zum Beispiel kriegt der Sofort- Zahler beim Baur- Versand das Siemens- Notebook "Amilo Li 2727" für 599,90 Euro. Wer mit 36 Monatsraten à 20,14 Euro abstottert, berappt am Ende 725,16 Euro. Man kann das begehrte Objekt auch in 48 Monatsraten zu 16,03 Euro haben - und zahlt am Ende 769,79 Euro, ein Zuschlag von fast 30 Prozent.

Das Kleinstgedruckte

"Sagen Sie Ja zu Geld sofort supereinfach superflexibel", lockt die Hanseatic-Bank. Überhaupt nicht supereinfach lesen sich allerdings die zwei Seiten kleinstgedruckte "Allgemeine Geschäftsbedingungen", in denen die Bank unfreundliche Nebenwirkungen aufführt: von Einzugsermächtigung über Lohnpfändung bis hin zur Entbindung von der Schweigepflicht "über den Tod hinaus".

Auch bei der Citibank kommt man schnell an sein "persönliches Kreditangebot". Das "persönlich" klingt kundennah, die bei der Citibank meinen das aber wörtlich. Bewirbt man sich auf dem Onlineformular als Beamter mit 2500 Euro Nettoverdienst um einen 12.000-Euro-Kredit, bekommt man den mit 9,9 Prozent effektivem Jahreszins und zahlt am Schluss 15.900 Euro zurück. Ein Arbeiter im Baugewerbe mit 1000 Euro Nettoverdienst kriegt das Geld für 12,65 Prozent. Am Ende zahlt er 17.000 Euro zurück. Also 1100 Euro mehr. Wer weniger hat, zahlt mehr dafür. Die Citibank stört sich nicht daran, dass die Laufzeit (sechs Jahre) länger ist als viele Arbeitsverträge. Ihre Angst, das Geborgte nie wiederzusehen, verschleiert sie mit: "Unser Tipp: Zu zweit beantragen! Vieles wird leichter, wenn man sich zusammentut." Vor allem für die Citibank. Für ihre Vertragspartner gilt: Wer bürgt, wird erwürgt.

Manchmal endet das Geschäft mit den Schulden in einer Begegnung mit dem laut Eigenwerbung "schlagkräftigen" "Inkasso-Team Moskau" oder dem Besuch vom "Inkasso brutal": "Wir sagen Ihnen gleich, dass wir nicht kommen zu trinken Kaffee."

Letzter Schritt: Inkasso

Von solchen Methoden hält Marion Kremer von "Forte Inkasso" in Germering ganz wenig. "Hausbesuche sind viel zu teuer und bringen meistens nichts." In der Regel schreibt Kremer Briefe, telefoniert und recherchiert im Auftrag von Handwerkern, Ärzten oder Autohäusern. Die sind meist zu nett, findet Kremer, weil sie die Beziehung zum Kunden nicht gefährden wollen. Sie dichten kleine Verse oder beginnen noch ihre dritte Mahnung mit "In der heutigen hektischen Zeit geht so manches unter …". Frau Kremer macht gegen Gebühr laut Tabelle den "Bad Guy", das ist ihr Job, dafür nimmt sie in Kauf, dass neben ihr Firmenschild neulich jemand "Abzocker GmbH" schmierte. Mit manchen Schuldnern hat Kremer sogar Mitleid: "Die Leute können einfach nicht mit Geld umgehen."

Hassobjekt unzähliger erwischter Schwarzfahrer der Republik ist die Kanzlei Rainer Haas & Kollegen aus Baden-Baden: Knapp 40 Juristen und 90 Sachbearbeiter beschicken die Nichtzahler republikweit mit täglich Hunderten computergenerierten Mahnungen und Vollstreckungsbescheiden. Haas' Gewinn: "Viele stecken den Kopf in den Sand", sagt Haas-Geschäftsführer Stefan Kiener. "Sie machen die Briefe nicht auf." So können aus einem "erhöhten Beförderungsentgelt" von ursprünglich 40 Euro am Ende 235 Euro werden. Das Dazwischen setzt sich aus "Gebühren" und "Auslagen" zusammen. Mit Tausenden Gerichtsverfahren jährlich beschäftigt die Megakanzlei Deutschlands Richter, an jedem Amtsgericht der Republik hat sie einen "unterbeauftragten Anwalt", der die Haas-Mandanten vertritt - das sind zum Beispiel die Deutsche Bahn, die Berliner Verkehrsbetriebe oder der Quelle Versand.

"Leben Sie - wir kümmern uns um die Details": Schulden machen macht so viel Spaß, zum Beispiel wenn man das neue Schlafzimmer einweiht. Aber nur bis zum existenzvernichtenden Negativeintrag bei der Schufa. Raus aus den Schulden kommt man auf zwei Wegen. Entweder per Verbraucherinsolvenz (da ist man nach sechs Jahren "Wohlverhalten" schuldenfrei) oder: abzahlen. Beides ist total unlustig, und meistens ist man dabei komplett allein. Herrn Z., Ingenieur in Stuttgart, traf der Trennungswunsch seiner Frau unvermittelt. Nach der Scheidung zahlte er ihr monatlich 500 Euro Unterhalt und 800 Euro für die drei gemeinsamen Kinder. Außerdem stotterte er monatlich die Restschuld bei der Bank für das schon verkaufte Haus und Steuerschulden ab: 400 Euro. Zum Leben blieben Z. in den vergangenen sechs Jahren monatlich 400 Euro, davon gingen 350 Euro für seine eigene Miete drauf. Wenn die Kinder ihn am Wochenende besuchten, gab's Grießbrei oder Nudeln. "Manchmal habe ich mich gefragt: Wozu gehst du überhaupt arbeiten?" Mit dem Weihnachtsgeld und kleinen Gehaltserhöhungen stopfte Z. die Löcher, die in einer solchen Lebensschieflage zwangsläufig entstehen. Sein Schuldnerberater Uwe Hopf begreift bis heute nicht, warum Z. nicht Verbraucherinsolvenz angemeldet hat. Da hätte Z. ein ganz bisschen mehr zu beißen gehabt. Kam für Z. aus Gründen der Ehre nicht infrage.

Hohe Ausfallquoten

Die Deutschen sind jedenfalls nicht schuld daran, dass die Banken jetzt - in der Tragik liegt durchaus Komik - ausgerechnet bei ihnen um zehnstellige Beträge betteln: 97,5 Prozent der Privatkredite werden, unter teilweise hohem persönlichem Verzicht, brav beglichen. Gunter Gabriel zum Beispiel hat in der ersten schlimmen Zeit sogar mal "zwei Monate lang nicht geduscht". In den USA ist die Ausfallquote mit 6,35 Prozent mehr als doppelt so hoch. Wir hingegen schaffen es sogar, elf Prozent unseres Einkommens zu sparen. Auf ganz großem Fuß leben die Briten: Deren Miese übersteigen ihr Einkommen um 173 Prozent. Was das heißt? Dort verlieren 120 Familien pro Tag ihr Zuhause - weil ihre Banken die Zinsen für Hypothekenkredite drastisch erhöht haben.

Trotzdem: Wirtschaftspsychologe Georg Sieber aus München rät seinen Freunden: "Wenn ihr schon Schulden macht, dann mindestens eine Million. Je mehr Schulden, desto größer ist das Mitleid. Bei 100.000 Euro wird man von der Polizei gejagt. Bei 2,5 Milliarden heißt es: Der hat sein Lebenswerk verwirkt." Baubetrüger Jürgen Schneider zum Beispiel, 74, der einst fünf Milliarden Mark verzockte und immer noch mit einer Milliarde Euro in den Roten ist, wurde neulich vom Wirtschaftsfachblatt "Die Bunte" als Spezialist zum Thema Finanzkrise befragt. Seine Erfahrung macht Hoffnung: "Die Pleite", sagt er, "hat meine Ehe gerettet."

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