Im Kampf gegen die Erderwärmung wollen Brandenburger Forscher das Treibhausgas Kohlendioxid dauerhaft unter der Erde lagern. Unter der Leitung des Geoforschungszentrums Potsdam (GFZ) testen die Wissenschaftler, ob und wie sich das klimaschädigende Kohlendioxid (CO2), das etwa in Kraftwerken bei der Verbrennung der fossilen Energieträger Kohle, Gas und Öl entsteht, unter die Erde pumpen lässt. Im brandenburgischen Ketzin haben Bohrarbeiten für den unterirdischen Kohlendioxidspeicher CO2Sink begonnen. Umweltverbände beurteilen das Vorhaben kritisch und fordern mehr Investitionen in erneuerbare Energien.
Speicher soll mehrere Millionen Jahre halten
"Die Speicherung dieses Treibhausgases kann eine Option sein, um Zeit bei der Entwicklung und Einführung CO2-freier Energietechnologien zu gewinnen", meint der GFZ-Vorsitzende Rolf Emmermann. "In dieser ergebnisoffenen Untersuchung wollen wir auch die Kosten und die Formen der Umsetzung prüfen." 35 Millionen Euro kostet das Projekt, das von der Europäischen Union, dem Bund und verschiedenen Unternehmen finanziert wird. Unter der Federführung des GFZ arbeiten 18 Partner aus neun Ländern zusammen. Rund 100 internationale Experten waren am Dienstag nach Ketzin gekommen.
"CO2Sink" - Unterirdische CO2-Einlagerung bei Ketzin
In einer 700 bis 800 Meter tief liegenden porösen Sandsteinschicht, die von einer nahezu undurchlässigen Gips- und Tonschicht bedeckt ist, sollen in den nächsten zwei Jahren drei Löcher entstehen. Durch eine der Bohrungen wollen die Potsdamer von Mitte Juni an nach und nach 60.000 Tonnen reines CO2 pressen, rund 100 Tonnen pro Tag. Gips- und Tonschichten halten das CO2 wie einen Deckel unter der Erde fest. Nach Meinung der Experten kann der Speicher so mehrere Millionen Jahre halten.
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Versauert der Grund?
Durch die anderen Löcher sollen Messgeräte herabgelassen werden. Sie erfassen, wie sich das unter Druck flüssige CO2 in der Tiefe verhält, und welche Wirkung es auf die Erde und das Grundwasser hat. Umweltexperten fürchten, dass der Grund versauern könnte. "Das im Sandstein vorhandene Salzwasser könnte vom Kohlendioxid verdrängt werden", sagt Gabriela von Goerne von der Umweltschutzorganisation Greenpeace.
Emmermann hält das Gas für ungefährlich. "Es ist unbrennbar und kommt auch in der Natur wie bei den Quellen im rheinland-pfälzischen Maria Laach vor." Auch gebe es flüssiges CO2 am Meeresgrund. Seit vier Jahren erkunden auch Wissenschaftler vom Bremerhavener Alfred- Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, ob CO2-Deponien im Meer angelegt werden können.
BUND hält Projekt für "Ablenkungsmanöver"
"Man sollte die enormen Investitionen in die Lagerung besser in erneuerbare Energien stecken", sagte dagegen Klimaschutzexperte Matthias Seiche vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Er hält das Forschungsprojekt für ein "Ablenkungsmanöver". In den nächsten Jahren würden 26 Kohlekraftwerke in Deutschland gebaut, die mit konventioneller Technologie laufen. Projekte wie CO2Sink weckten den Eindruck, es wären "saubere" Anlagen.
Voraussetzung für die Nutzung der Erdspeicher wäre die energieintensive Trennung von Rauchgas und CO2 in den Kraftwerken. Dabei werde aber der ohnehin schon geringe Wirkungsgrad der Anlagen von rund 43 Prozent um ein weiteres Drittel verringert, sagte Seiche. Im Vergleich dazu seien Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung, die gleichzeitig Wärme und Strom gewinnen, mit einem Wirkungsgrad von 80 Prozent deutlich effizienter.
Energiekonzerte experimentieren mit CO2-Lagerung
Derweil planen auch die Energiekonzerne Vattenfall und RWE Anlagen, bei denen das CO2 nach der Kohleverbrennung vom Rauchgas getrennt und in den Untergrund gepresst werden soll. Das schwedische Unternehmen Vattenfall hat im südbrandenburgischen Schwarze Pumpe mit dem Bau eines Braunkohlekraftwerkes begonnen, in dem die Kohle im so genannten Oxyfuel-Verfahren mit einem Gemisch aus reinem Sauerstoff und Rauchgas verbrannt werden soll. Das dabei entstehende reine Kohlendioxid soll noch während des Brennprozesses gebunden, verflüssigt und dann in eine Lagerstätte unter der Erde transportiert werden. Die 50 Millionen Euro teure 30-Megawatt-Anlage soll 2008 in Betrieb gehen.
Andere Energieversorger experimentieren mit ähnlichen Techniken. Bei E.ON und RWE etwa soll das CO2 über eine Umwandlung der Kohle in ein Synthesegas schon vor der Verbrennung abgetrennt werden. Schon 2011 will EON auf diese Weise Strom produzieren. Für die Konzerne würde sich das Vorhaben rechnen: Sie könnten künftig die Ausgaben für Zertifikate zur CO2-Emission sparen, deren Kosten langfristig steigen werden. Mit dem Handel hatten die Industriestaaten im Koyoto-Protokoll Anreize zur Senkung des CO2-Ausstoßes schaffen wollen. GFZ-Chef Emmermann weist aber darauf hin, dass die CO2-Versenkung allenfalls Zeit verschafft, um CO2-freie Energietechnologien zu entwickeln und einzuführen. "Das ist eine Übergangstechnologie, die nicht ewig angewendet werden kann", sagt er. Denn das Verfahren, das ohnehin nicht vor 2015 marktreif ist, sei energieintensiv und teuer.