Covid-19 An alle, die sich aus Angst nicht impfen lassen wollen

Unser Autor hat eine langjährige Angsterkrankung hinter sich. Seinen Leidensgenossen, die sich aus Furcht nicht impfen lassen mögen, ruft er zu: Warum ich Euch so gut verstehe  – und Euch trotzdem rate, das Richtige zu tun. 

Dieser Text ist für alle, die Angst vor einer Covid-Impfung haben. Ich glaube, dass es sehr viele davon unter uns gibt. Sie sind keine Querdenker oder Verschwörungsfanatiker. Sie haben einfach "nur" Angst. Und ich will ihnen sagen: Ich verstehe Euch. Ich wünsche mir, dass ihr Euch anders entscheidet, aber ich verstehe Euch. Denn ich weiß, was Angst bedeutet. Wie schlimm sie sein kann. Wie sie einen beherrscht und von dem abhält, von dem alle sagen: "Aber das musst du doch tun. Das ist doch nicht schlimm. Du brauchst keine Angst haben. Guck doch mal, mir ist auch nicht passiert."

Wenn es doch nur so einfach wäre. 

Angst ist so mächtig. Aber ich weiß: Sie ist nicht unbesiegbar!

Ich habe eine langjährige Angsterkrankung hinter mir. Na, ja, was heißt hinter mir. Sie lauert immer noch in manchen Ecken meines Gehirns und wartet darauf, wieder zuzuschlagen. Ich hatte und habe immer noch große Angst, krank zu werden. Ich bin ein Hypochonder, der heute einigermaßen gut klarkommt. Und zum Glück hatte ich deshalb mit der Corona-Impfung keine Probleme. Ich bin mittlerweile dreifach geschützt.

Aber das war eine glückliche Fügung. Ein paar Jahre zuvor hätte ich auch gut einer von Euch sein können. Einer, der sagt: "Ich kann das nicht. Ich will das nicht."  Denn ich weiß, was in Euren Köpfen vor sich geht. Weil ich weiß, was in meinem los war. 

Ich würde dann jetzt zu Hause sitzen, die Nachrichten gucken. Die Impf-Appelle hören. All die Erklärungen. Die Risiko-Abwägungen. Und meine Frau würde sagen: "Siehst du, eine Corona-Erkrankung ist weitaus gefährlicher als eine Impfung." Und ich hätte genickt. Und dann nachts wachgelegen, weil da diese andere Stimme in meinem Kopf wäre. Die Stimme der Angst. Und die Angst hätte auf mir gehockt und gesagt: Die Spritze. Da drin ist eine Flüssigkeit. Irgendwas mit Genen. Und das soll in mich hinein. In meinen Oberarm und von da aus in den ganzen Körper. Es soll mich schützen. Aber es wird etwas in meinem Körper machen. Alle sagen: Das verträgt man gut. Aber die Angst sagt: Wer weiß denn, was in zehn Jahren ist?

"Aber das Virus will doch auch in dich rein", würde meine Frau sagen. "Und es kann verheerende Folgen haben. Warum hast du davor weniger Angst?"

"Ich weiß es nicht", würde ich antworten. "Vielleicht, weil es irgendwie aus der Natur kommt. Weil es nicht künstlich ist. Weil es nicht in mich reingespritzt wird."

Und meine Frau und unsere Freunde und Kollegen wären alle fassungslos. Und sie würden wieder und wieder versuchen, mich zu überzeugen. 

Es geht nicht ums Rationale

Ich will das hier nicht tun. Ich will die Impf-Verweigerer hier nicht mit Argumenten bombardieren. Denn diese Argumente – wir kennen sie alle. Auch die Ängstlichen. Und der rationale Teil in ihrem Kopf weiß, dass es gute, überzeugende Argumente sind. Aber es geht hier nicht ums Rationale. Es geht um Gefühle. Es geht um die Angst. Angst, die einen krankmacht und daran hindert, das Richtige zu tun. Und über diese Furcht müssen wir reden. Denn sie verzerrt unsere Wahrnehmungen. Informationen, die zur Angst passen, werden von ihr verstärkt. Und alles, was der Angst widerspricht wird vernachlässigt. Wir Ängstlichen sehen die Welt irgendwann nur noch durch die Brille der Furcht. Wenn wir eine weiße Wand mit einem winzigen schwarzen Fleck beschreiben sollen, dann sehen wir nur den schwarzen Fleck, während alle anderen vor allem das Weiß sehen. Und aus dem kleinen Piks mit dem gut erforschten, milliardenfach verabreichten Impfstoff wird so das Böse, das in mich eindringt und mich vielleicht irgendwann krank macht. Selektive Wahrnehmung. Katastrophisches Denken.

So würde auch ich fühlen, wenn ich noch im Angst-Modus wäre. Dass ich an Corona sterben oder schwere Schäden davontragen könnte...ich würde es wissen, es aber abspalten. Als schicksalhaft kategorisieren. So ticken Menschen, die Angst haben. Sie warten. Die Impfung aber ist aktives Handeln. Ich muss mich bewusst für sie entscheiden. Und irgendwo hingehen und es dann geschehen lassen. Und das fällt dem Ängstlichen so unfassbar schwer. Er grübelt, er zaudert, er hadert, sagt Impftermine zu und dann wieder ab. Genau das ist das Problem mit der Furcht: sie lähmt. Wenn ich einfach nichts tue, kann mich Corona erwischen oder auch nicht. Ich sitze dann zu Hause in Schockstarre und tue nichts. Lasse ich mich impfen, schaffe ich hingegen Tatsachen. Dann habe ich etwas getan, das mich vielleicht krank macht. Ich bin verantwortlich.

Also lass es lieber, sagt die Angst.

Aber was tun?

Es geht darum, die Furcht nicht siegen zu lassen

In jeder Therapie gegen Ängste heißt es: Der Weg aus der Angst, geht durch die Angst. Du musst dich ihr stellen. Und du musst handeln. Dich entscheiden. Passivität macht die Welt kleiner und die Angst größer. Es geht nicht darum, keine Furcht zu haben. Es geht darum, sie nicht siegen zu lassen.

Es gibt nur also nur einen Weg: Nicht weiter grübeln und abwägen. Nicht mehr zögern und hadern. So wird es nie gut. Stattdessen: Aufstehen, Ihr Ängstlichen! Einen Impftermin besorgen und die Sache durchziehen. Ihr wisst, dass es gut ist, auch wenn ihr etwas anders fühlt. Aber das ist der einzig gangbare Weg in dieser Menschheitskrise.

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Ja, es ist hart. Ich weiß, wie es laufen wird. Nach der Impfung werdet Ihr hadern. Und die Angst wird größer werden. Was, wenn das Ganze doch schädlich ist oder irgendwann sein wird? Hätte ich doch bloß nicht… Schlaflose Nächte.  Aber dann wird die Angst kleiner werden. Erst nur ein wenig. Und dann mit jedem Tag und mit jeder Nacht mehr. Bis sie eines Tages ganz weg sein wird. Glaubt mir: So wird es sein. Ich weiß, wovon ich rede.

Ich selbst war viele Jahre wie Charlie Brown, der in einem berühmten Cartoon von Charles M. Schutz depressiv mit Snoopy auf dessen Hundehütte sitzt und sagt: "Eines Tages werden wir alle sterben, Snoopy."

Und Snoopy antwortet: "Stimmt. Aber an all den anderen Tagen werden wir es nicht."

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kng

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