Auto-Welt Der Rennwagen für den reiferen Herren

Für viele Autofans ist dieser Wagen auch heute noch der Inbegriff für Schönheit auf vier Rädern: der Mercedes-Benz SL 300 mit Flügeltüren.

Für viele Autofans ist dieser Wagen auch heute noch der Inbegriff für Schönheit auf vier Rädern: der Mercedes-Benz SL 300 mit Flügeltüren. 1954 kam der Zweisitzer auf den Markt und war der Grundstein für eine ganze Sportwagen-Dynastie mit dem Stern. Nicht alle waren so schön wie das erste Modell. Aber mit dem SL gelang es Mercedes immer, sich neben den oft behäbigen Limousinen einen sportlichen Akzent zu bewahren. In diesen Tagen wird die Sportwagen-Baureihe für den älteren Herren 50 Jahre alt. Mit dem kleinen Bruder SLK wurden bisher insgesamt 870.000 Exemplare gebaut.

Die Renntradition der Silberpfeile

Alles begann 1952, als Mercedes an die Renntradition der Silberpfeile aus der Vorkriegszeit anknüpfen wollte. Der Konstrukteur Rudolf Uhlenhaut wollte einen besonders leichten Rennwagen bauen und kam auf den so genannten Gitterrohrrahmen, der nur 50 Kilogramm wog und trotzdem sehr steif war. Der Name SL war geboren: super leicht.

Die schönste Notlösung: " Gullwing"

Einziges Problem: Der Rahmen war seitlich sehr hoch, es gab keinen Platz für klassische Türen mit dem Scharnier vorne. Der Ausweg: Flügeltüren, die nach oben aufgingen und am Dach angeschlagen waren. Die Eingänge trugen mächtig bei zum Erfolg des SL in den USA, wo sich der Name Gullwing (auf Deutsch "Flügeltür") einbürgerte, unter dem das Modell 1954 vorgestellt wurde.

SL 190: Der kleine Bruder

Auch schon 1954 führte Mercedes einen kleinen Bruder des SL ein, den SL 190. Er war von der 220er-Limousine abgeleitet und hatte normale Türen und "einige grazile Details, die ihm einen hohen Anteil weiblicher Fahrer bescherten", wie es vor drei Jahren im Ausstellungskatalog zur Schau "Mythos Mercedes" hieß. Prominentester "weiblicher Fahrer": die Frankfurter Edelprostituierte Rosemarie Nitribitt.

Die "Pagode"

1963 passte Mercedes den SL den flotten 60er Jahren an, die gewölbten Formen verschwanden, die "Pagode" wurde eingeführt. Das eckige Dach des Zweisitzers erinnerte viele Betrachter an eine Pagode, einen asiatischen Tempel mit schrägen Seiten. Tatsächlich hatten Sicherheitsgründe zu der Form geführt. Das Modell wurde ein Hit: Nach nur 3.000 Exemplaren des Vorgängers verkauften die Schwaben von dem durchgelüfteten Modell fast 50.000. Der Wagen war nicht mehr auf Sportlichkeit getrimmt, sondern bot einen bequemeren Einstieg und bessere Kopffreiheit. Der Sportwagen für den älteren Herrn war geboren.

Jubiläums-Treffen

Vom 20.05. − 23.05.2004 steht Hamburg ganz im Zeichen des 300 SL. Das offizielle Geburtstagsprogramm beginnt am Freitag ab 9 Uhr mit dem Startschuss der Mercedes-Rallye, die die Fahrer von Hamburg aus durch das wunderschöne Schleswig-Holstein an die Ostsee nach Neustadt führt. Am Samstag ab 11 Uhr findet dann die exklusive Car-Show statt: 50 Jahre 300 SL! Rund 150 der edlen Fahrzeuge werden im Korso auf den Hamburger Rathausmarkt vom begeisterten Publikum empfangen.

R107: nicht klassisch, aber erfolgreich

1971 kam die bisher erfolgreichste Generation des SL heraus, die so genannte Baureihe R107. Prominente Fahrer: "Dallas"-Serienfiesling JR Ewing, die Zuhälter auf der Hamburger Reeperbahn und der sowjetische KP-Generalsekretär Leonid Breschnew. Der Russe bekam den Wagen 1973 in der 450 SLC-Version vom damaligen Bundeskanzler Willy Brandt geschenkt, als Breschnew Deutschland besuchte. Bei einer nächtlichen Probefahrt fuhr er eine Beule in das Auto. Nach 18 Jahren und 237.000 hergestellten Autos wurde die Produktion 1989 eingestellt.

"Moden vergehen, der SL bleibt"

Wie in allen anderen Modellen spiegelte sich auch in der Nachfolgegeneration des SL der Zeitgeist: Die fetten 90er Jahre brachten einen ebenso fetten SL hervor, vollgestopft mit technischen Erneuerungen wie dem ausklappbaren Überrollbügel, der in 0,3 Sekunden hochschnappt, oder dem ersten Zwölfzylindermotor oder dem Windschott hinter den Sitzen, damit es im kahlen Nacken nicht so zieht. 204.000 Modelle liefen im Bremer Werk vom Band, wohin die SL-Produktion verlagert worden war. Hier entsteht auch der kleine und deutlich billigere Bruder des SL, der SLK, der 1996 herauskam.

"Moden vergehen, der SL bleibt", stellte DaimlerChrysler-Vorstand Jürgen Hubbert fest, als er den jüngsten SL 2001 in Hamburg präsentierte. Der Wagen wirkt in Nach-Börsenboom-Zeit schlanker als der Vorgänger und wiegt 50 Kilo weniger. Dass es mit der neuen Bescheidenheit bei Mercedes aber nicht ganz so weit her ist, zeigen zwei Details: Der Kofferraum wurde so gestaltet, dass zwei Golfsäcke hineinpassen, wie Hubbert sagte. Und: Das Auto kostete zu Beginn 94.300 Euro. Immerhin weniger als 50.000 Euro pro Sitz.

Claus-Peter Tiemann/AP