Der Mann ist ein Naturereignis. Wenn Bob Lutz spricht, rührt jeden der Schlag. Keiner der unzähligen Vorstandsvorsitzenden, die auf der Detroiter Autoshow ihre neuen Modelle – oder die versponnenen Ideen duchgeknallter Designer – vorstellte, hatte einen solchen Massenzulauf wie Bob Lutz. Wo Bob war, da war Action. Das liegt zum einen daran, dass der 74jährige Chef von General Motors Nordamerika das klare Wort liebt und immer gut ist für ein saftiges Zitat (eine Qualität, die außer ihm höchsten noch Wendelin Wiedeking von Porsche und der Kaiser von Wolfsburg, Ferdinand Piech, haben).
Die Technik von heute, ist von gestern
Bob Lutz ist auch ein echter Visionär der ganz alten Schule. Als ich ihn im Herbst des vergangenen Jahres über einer kubanischen Zigarre am Strand von Kalifornien über die Zukunft des Automobils befragte, skizzierte der Grandseigneur von Detroit (Lutz arbeitete sowohl bei GM als auch bei Ford und Chrysler) in nicht so knappen Worten ein überraschendes Bild: die Antriebe der Gegenwart seien Vergangenheit, meinte Lutz. "Die nächsten Generationen von Automobilen werden elektrisch betrieben, nicht von Hybriden, sondern von Elektromotoren, und es ist nur eine Frage, ob wir diese E-Motoren über Batterien speisen oder Wasserstoff oder Ethanol." Ein mächtiges Wort vom Chef jener Firma, die dem viel versprechenden Elektroauto EV1 den Garaus machte, und die ihr Geld hauptsächlich mit Sprit-Vernichtenden Riesen-SUVs oder Giganten wie dem Hummer macht.
Nichts als Strom
Auf der Detroiter Autoshow hielt Lutz nun sein Versprechen. Neben schicken Cadillacs und Massenware wie dem Chevrolet Malibu, stellte Lutz stolz den Volt vor, jene Plattform, die seine Vision verwirklichen soll. Der Volt, ein überraschend seriennahes Konzept, ist ein Chassis, dessen E-Flex-Konzept einen Elektromotor integriert, der je nach Marktlage gespeist werden kann. "Hier in den USA bieten sich Plug-In Systeme an oder ein Ethanolgemisch", sagte Lutz bei der Vorstellung des Volts. "In Europa könnte es ein Bio-Diesel sein, in Asien Wasserstoff. Auf jeden Fall aber wird das Fahrzeug immer über einen E-Motor laufen." Schadstoffausstoß nahe Null, fügte er hinzu, und Zero Benzinverbrauch, wenn das Fahrzeug eine Rechweite von 60 Kilometer zwischen zwei Steckdosen nicht überschreitet. Dann schaltet sich ein Hilfsmotor zu, der die Batterien während der Fahrt auflädt.
Pure Energie
Nun mögen alternative Antriebe in Detroit in aller Munde und auf allen Ständen gezeigt worden sein, aber dem alten Bob nimmt man die Wandlung vom Sprit-Saulus zum E-Paulus sogar ab: der Mann zeigt Begeisterung, wenn er von der Zukunft aus der Steckdose spricht, fuchtelt mit der Zigarre, gerät ins Schwärmen und legt eine überzeugende Energie an den Tag, die so manchem Bundesligatrainer gut stehen würde. Der Hobby-Pilot Lutz, der einen Flugplatz für seinen Kampfjäger aus alten tschechischen Beständen und den privaten Hubschrauber sein eigen nennt, will bei allem Umweltbewusstsein nicht auf Performance verzichten – immerhin fährt er am liebsten eine Corvette Z06, und die sehr schnell. Und dass er seinen Willen bekommt, daran wagt – in Detroit jedenfalls – keiner zu zweifeln. "Der Mann ist ein unglaublicher Motivator", so ein leitender Mitarbeiter von General Motors. "Als Bob kam, hat er die Firma gedreht. Von einem Tag auf den anderen. Es war wirklich, als hätte jemand die Türen und Fenster geöffnet." Innerhalb von Stunden und Tagen überfluteten seine Emails die Computerschirme, Personal wurde in Windeseile ausgewechselt,
Keine Wartezeiten
"Macher Bob" schmiss die alten "tried-and-true" Konzepte in den Detroit River, und forderte von seinen Entwicklungsteams revolutionärere Ideen. Nur Geduld hat er keine. "Ich sehe den Wandel zu neuen Antrieben nicht in Jahrzehnten. Ich glaube nicht, dass wir soviel Zeit haben." Wer ist wir, wollte ich wissen. General Motors oder die Menschheit? "Was macht das für einen Unterschied?" Den Volt will er in fünf bis sieben Jahren realisiert sehen.