Wir schweben. Es ist fast schon unheimlich still. Denn was uns da vom Mailänder Flughafen zum Comer See transportiert, ist keine Sänfte und auch kein fliegender Teppich, sondern ein Gefährt, dass mit vier Reifen fest über die Straße rollt und zudem noch von einem Dieselaggregat angetrieben wird. Doch im Innern des neuen Audi A6 ist davon nichts zu spüren oder zu hören. Was die Ingolstädter Ingenieure ihrer neuen Oberklasse-Limousine (der Vorgänger durfte noch in der oberen Mittelklasse herumrollen) an Innenraumatmosphäre verpasst haben, ist so angenehm, dass man beinahe von Wohnkultur sprechen möchte. Die im Vergleich zum Vorgänger-Modell um zwölf Zentimeter gewachsene Gesamtlänge (jetzt: 4,92 Meter) des Fahrzeugs führt zu einer tadellosen Beinfreiheit, auch im Fond, auch für groß gewachsene Mitfahrer. Die Materialanmutung und die Verarbeitungsqualität wirken perfekt: Nichts wackelt, nichts klappert, Bedienelemente und Knöpfe sind handfest. Und wenn etwas wie Metall aussieht, dann ist es auch aus Metall - seien es nun der Dreh-Drück-Steller des MultiMediaInterfaces (MMI) oder auch nur die (ausstattungsabhängigen) Zierelemente aus gebürstetem Aluminium. Die Geräuschdämmung hat besonders im Zusammenhang mit dem bereits erwähnten Dieselmotor - ein neuer 3.0-Liter TDI, um genau zu sein - ein Niveau erreicht, als hätte man sich einen Schal um den Kopf gebunden oder vergessen, die Ohropax-Stopfen morgens aus dem Gehörgang zu fischen. Wer Fahr-, Roll- oder Motorengeräuschen lauschen will, muss schon genau hinhören. Diese Abgeschiedenheit von der Außenwelt führt zum Verlust jeglichen Geschwindigkeitsgefühls, was – gefördert durch den spritzigen Antritt des TDI – zu regelmäßigen ungläubigen Blicken Richtung Tachometer führt: "Huch, schon wieder dreistellig, und das in der Stadt..."
Das Cockpit verneigt sich
Zum Wohlfühlen auf dem Fahrersitz trägt auch das neu designte, leicht zum Fahrer geneigte Cockpit bei: Die Anordnung der Instrumente und Bedienelemente ist vorbildlich und nach wenigen Minuten in Fleisch und Blut übergangen, die rote Hintergrundbeleuchtung von Tacho und Drehzahlmesser sieht hervorragend aus und schont die Augen. Zwischen diesen beiden Rundinstrumenten befindet sich serienmäßig ein monochromes Display, das je nach Bedarf verschiedene Informationen über das Fahrzeug, den Radioempfang oder auch Angaben des Navigationssystems darstellt. Für 1100 Euro Aufpreis lässt sich die Mittelkonsole mit einem Farbdisplay krönen, das besonders den Karten des Navigationssystems eine selten gesehene Schönheit verleiht und alle Fahr- und Unterhaltungsfunktionen des MMI übersichtlich anzeigt. Vorbildlich intuitiv ist die Bedienung durch den Multifunktionsknopf, der hinter dem Schaltknüppel in der Mittelkonsole angesiedelt ist. Nur noch ein Knopf ist auch die Handbremse, die man vor dem Anfahren nicht zu lösen braucht und die somit an Steigungen auch gleich als Anfahrhilfe zur Verfügung steht. Ebenfalls sein Leben als Taste fristet im A6 das Schloss des Handschuhfachs. Im Rahmen des Audi-Sicherheitskonzepts wurden alle harten Mechanismen im Beinbereich entfernt, um das Verletzungsrisiko zu verringern. Das Handschuhfach klappt nun auf Knopfdruck (oben in der Mittelkonsole) sanft gedämpft auf.
Ein Blick auf die Oberfläche
Wir erreichen unseren Stützpunkt am Comer See, Zeit für einen Fahrzeugwechsel und außerdem Gelegenheit, sich den neuen Ingolstädter einmal in Ruhe von außen anzuschauen. Herausstechendes Merkmal ist natürlich der gewaltige schwarze Kühlergrill, der bis zur unteren Kante der Frontpartie reicht und durch seine Trapezform und die Chromeinfassung einen hohen Wiedererkennungswert im Rückspiegel der anderen Verkehrsteilnehmer hat. stern.de fühlte sich bei der statischen A6-Präsentation im Februar zu der Vermutung veranlasst, der A6 sei "um das schwarze Loch herumgeplant worden". Dominant ragt die große schwarze Nase in den Wind, erst ein ganzes Stück nach hinten gesetzt funkeln die bläulichen Bi-Xenon-Scheinwerfer. Es folgt eine weich geschwungene Dachlinie, die zum Heck hin wie bei einem Coupé beinahe übergangslos in den Kofferraumdeckel mündet. Das sehr runde Heck des Vorgängers, von einem Kollegen spöttisch, aber treffend als "Entenarsch" bezeichnet, wurde einem harten Training unterzogen und kommt nun mit einigen Kanten an den richtigen Stellen sehr knackig daher. Öffnet man die Klappe, erscheint ein mit 546 Litern sehr großer Kofferraum. Audi stolz: "Da passen zwei Golftaschen quer hinein!" Die Öffnung des Kofferraums ist allerdings nicht so Golftaschen-freundlich, sondern vergleichsweise klein.
Und nun die Benziner
Wie war das noch? Die "sportlichste Business-Limousine" soll der A6 sein? Während der TDI sich als vollendeter Leisetreter herausgestellt hat, wollen wir nun sehen, was die Benziner - jeweils als Allrad-angetriebene Quattro-Version - in punkto Sportlichkeit zu bieten haben. Wir jagen zuerst den 3,2 Liter V6-FSI über die Serpentinen um den Comer See und fahren später mit dem größten aller A6-Triebwerke, dem Achtzylinder mit 4,2 Litern, über die Dörfer und die Autobahn bis hinein in den Mailänder Stadtverkehr. Und in der Tat: Ein annähernd sportliches Fahrverhalten unter Beibehaltung des Komforts gelingt, beide Varianten bieten Fahrvergnügen, und der V8 bölkt so kräftig unter der Motorhaube, dass auch im tadellos isolierten Innenraum ein wenig Krachspaß aufkommt. Für dieses Modell am oberen Ende der Produktpalette wird aber auch ein Grundpreis von 60.000 Euro fällig. Am Anfang der Preisliste wartet das Einsteigermodell, das mit 2,4 Litern, aber immerhin auch sechs Zylindern, in Sachen Power mit den großen Brüdern nicht mithalten kann - mit einem Grundpreis von 33.000 Euro aber auf seine Weise sehr attraktiv ist.
Motorisierung | A6 2.4 | A6 3.2 FSI | A6 3.2 FSI quattro |
Triebwerk | V6-Zylinder-Benzinmotor | V6-Zylinder-Benzinmotor mit Direkteinspritzung | V6-Zylinder-Benzinmotor mit Direkteinspritzung |
Hubraum | 2393 ccm | 3123 ccm | 3123 ccm |
Leistung | 130 kW/177 PS | 188 kW/255 PS | 188 kW/255 PS |
Länge/ Breite/ Höhe | 4916 mm/1855 mm/1459 mm | 4916 mm/1855 mm/1459 mm | 4916 mm/1855 mm/1459 mm |
Leergewicht | 1525 kg | 1540 kg | 1680 kg |
Bremsen | Scheibenbremsen rundum, ABS, ESP | Scheibenbremsen rundum, ABS, ESP | Scheibenbremsen rundum, ABS, ESP |
0-100 km/h | 8,9 Sekunden | 6,9 Sekunden | 7,1 Sekunden |
Höchstgeschw | 231 km/h | 250 km/h (abgeregelt) | 250 km/h (abgeregelt) |
Durchschnittsverbr. | 9,7 Liter | 9,7 Liter | 10,9 Liter |
Grundpreis | 33.000 Euro | 40.700 Euro |
Motorisierung | A6 4.2 quattro | A6 3.0 TDI quattro |
Triebwerk | V8-Zylinder-Benzinmotor mit Direkteinspritzung | V6-Zylinder-Dieselmotor mit VGT-Turbolader |
Hubraum | 4123 ccm | 2967 ccm |
Leistung | 246 kW/335 PS | 165 kW/225 PS |
Länge/ Breite/ Höhe | 4916 mm/1855 mm/1459 mm | 4916 mm/1855 mm/1459 mm |
Leergewicht | 1745 kg | 1765 kg |
Bremsen | Scheibenbremsen rundum, ABS, ESP | Scheibenbremsen rundum, ABS, ESP |
0-100 km/h | 6,1 Sekunden | 7,3 Sekunden |
Höchstgeschw | 250 km/h (abgeregelt) | 243 km/h |
Durchschnittsverbr. | 11,6 Liter | 8,3 Liter |
Grundpreis | 60.000 Euro |
Fazit
Beim abendlichen Audi-Dinner ist sich das Journalisten-Rudel einig: Der neue A6 hat definitv das Zeug dazu, als Hecht im Karpfenteich von 5er BMW und Mercedes' E-Klasse zu wildern. Spannendes Design und interessante Motoren gepaart mit der Audi-typischen Qualität bei Verarbeitung sowie aktiver und passiver Sicherheit machen den A6 zu einem rundum gelungenen Neuling. Die Preise mögen in diesem Segment sogar vergleichsweise günstig sein, viel Geld muss man trotzdem hinlegen für einen A6. Und so war ein Teil der wenigen Kritik auch Geldbeutel-orientiert: Ist es nicht etwas vermessen, wurde zum Beispiel gefragt, dass bei einem Fahrzeug, das in jedem Fall deutlich mehr als 30.000 Euro kostet, in einigen Grundversionen vermeintliche Standard-Features wie die elektrische Sitzeinstellung nur gegen Aufpreis erhältlich sind? Wirkliche Antworten gab es nicht auf diese Fragen. Aber vielleicht sind Grundversionen auch kein Thema für Kunden, die in diesem Preissegment einkaufen gehen können.