MB Viano Marco Polo Kleiner Sprung zur großen Freiheit

Wenn der Regen prasselt, der Sturm tost und die Standheizung für wohlige Wärme sorgt, wird die Reise zum Ziel. Der Marco Polo beweist, dass Camping noch etwas Besonderes ist. Zumindest solange man sich von Campingplätzen fern hält.

Die Kühle steigt auf im dunklen Tann. Herab fällt der Regen, so dicht, so fest, in großen Tropfen, dass es kracht und prasselt. Warm und wohlig leuchtet der Rotwein im Kerzenglanz. Im Marco Polo wird die Reise zum Ziel und eine sturmdurchtoste Nacht zum Beweis, dass Camping doch etwas Besonderes ist. Zubereitet auf tanzenden Gasflammen verwandelt die Magie der späten Stunde und ein wenig Mühe das Dosengulasch aus Europas Osten fast in ein Boeuf Bourguignon. Danach geht es in den zweiten Stock des Aufstelldaches. Über dem Dachfenster das Firmament, hinter der Bespannung der Sturm, tiefer und fester schlief man nie.

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Endlich wirklich mobil

Andere Wohnmobile wirken neben dem Marco Polo wie ein äsender Prontosaurus neben einem rassigen Reitpferd. Die Giganten der Campingplätze bieten mehr Platz auf Reisen, als Hartz-IV fürs Dasein an Wohnraum zubilligt. Mehr Luxus ohnehin. Dusche, WC und das wichtigste: eine TV-Satellitenanlage mit vollautomatischer Ausrichtung. Wer heimlich davon träumt, sein Reihenhaus mittels eines Leopard II-Fahrwerks rumpelnd und ratternd auf Europa loszulassen, liegt in dieser Klasse richtig. Echtes Camping-Feeling kommt in einer sofabestückten Zwingburg auf drei Achsen natürlich nicht auf. Die Fahrt in einem Mega-Mobil ähnelt der Vorgehensweise der schweren Artillerie, lange Planung und minutiöse Ausrichtung, dann der Einschlag im Zielgebiet. Drum herum ein Kraterrand aus Vorzelt, Anbauten, Grillplatz und Tischchen.

Technische Daten

Dieselmotor, 4 Zylinder
Hubraum: 2148 ccm
Leistung: 150 PS
6-Gang-Schaltgetriebe
Beschleunigung (0–100 km/h): 14,9 Sekunden
Höchstgeschw: 174 km/h
Verbrauch (Mix): 8,6 Liter
Länge: 4993 mm
Breite: 1901
Höhe: 1980 mm
Preis: 41.087 Euro

Wohin die Reifen rollen

Herrlich spontan und frisch ist dagegen die Fahrt in einem Marco Polo. Einfach überallhin kommen, wohin einen die Reifen tragen. Sicher, ein Viano-Fahrwerk entspricht nicht der C-Klasse, in Kurven zerrt es schon mal, aber von einem Möbelwagen auf großer Fahrt ist es meilenweit entfernt. Frisch und verwegen stürmt dieses mobile Mobil seinem Ziel entgegen. Der 2.2 Liter Diesel sorgt mit 150 PS dafür, dass keine Leistung fehlt, bei einem Verbrauch von um die neun Litern. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 174 km/h, ein Reisetempo von 150 km/h erschließt auf angenehme Weise die Landschaft. Bei Kühle und Nässe zeigte das Testmodell eine gewisse Morgenmüdigkeit, aber dabei wird es sich um ein einstellungsbedingtes Einzelphänomen handeln. Ansonsten zeigt sich der Motor allen Anforderungen gewachsen. Durchzugskraft und Agilität kapitulieren weder vor steilen Pässen noch vor mit Schotter gedeckten Privatstraßen. Almen, die ein Pkw erreichen kann, kann man auch mit dem Marco Polo besuchen.

Nicht wie in der Puppenstube

Im Innenraum fühlt man sich schnell wohl, dazu tragen die wie immer durchdachten Einbauten von Westfalia maßgeblich bei. Hinter dem Fahrersitz zieht sich längs die Möbelzeile durch das Fahrzeug, daneben bleibt Platz für einen Zweisitzer. Zweiflammiger Gaskocher, ein Wassertank von 75 Litern, ein ausreichend dimensionierter Kühlschrank und zwei "Küchenschränke" lassen Platz für mehr als nur das Nötigste. Die abgedunkelten Scheiben machen eine permanente Rundumverhängung unnötig. Der Stil wirkt angenehm sachlich, auf das entfesselte Puppenstuben-Ambiente der großen Wohnmobile muss man gottlob verzichten.

Reise-Informationen

Penserjoch und Durnholzersee im Sarntal www.sarntal.com
Tourismusinformation und Schneetelefon
Tel: 0039 – 0471 623 091

Südtirol Information
Pfarrplatz 11
I - 39100 Bozen
Tel. +39 047 999 999
www.suedtirol.info/

Ausritte mit Haflinger-Liebhabern im Berghotel Gourmetrestaurant
Auener Hof ***
Fam. Schneider
Auen 21
I-39058 Sarnthein (BZ)
Tel. & Fax 0039 0471 623055
www.auenerhof.it
Mail: info@auenerhof.it

Nur ich und du

Wirklich traumhaft ist das Leben zu zweit in einem Fahrzeug der Camper-Klasse, da macht der Marco Polo keine Ausnahme von der Regel. Zwei Personen finden nachts ihren Schlafplatz unter dem Ausstelldach. Eine gewisse Gelenkigkeit beim Erklimmen der zweiten Etage vorausgesetzt, ist die luftige die bessere Lösung der zwei Schlafmöglichkeiten. Auf Knopfdruck verwandelt sich auch der hintere Doppelsitzer im Parterre mithilfe einer Ablage in ein kommodes Bettchen, nur muss dann aller Erfahrung nach einiges umgeräumt werden. So kann die Doppelbank hübsch ruhen. Hinter der Heckklappe bleibt Platz für Reisetaschen und Ähnliches. Sollte man zu viert unterwegs sein, dürfte es wegen des Gepäcks schon recht beengt zugehen. Das Bereiten des nächtlichen Lagers wird dann zu einer logistischen Herausforderung. Umbetten, umrüsten und sortieren, das dürfte eine sturmdurchtoste Nacht zu einer nassen Herausforderung machen. Doch wie gesagt, zu zweit, fähig, das Dachlager zu erklimmen, und willens, auf manche Positionen des Kamasutras zu verzichten, fichten einen diese Einschränkungen nicht an. Sollen die Kinder mit auf die Reise, empfiehlt sich ein zweites Zelt.

Gute Camper kommen überallhin

Zum Duschen der Passagiere und Wasseraufnehmen wird dann und wann ein Stellplatz erforderlich, aber das Revier des Marco Polos ist nicht der umhegte Campingplatz. Nach der Wanderung und außerhalb der Hauptsaison kann man sich gemütlich mit einem selbstgebrauten Espresso am Durnholzer-See in Südtirol auf Normaltemperatur bringen und nachts abgekämpft nahe des Penser Jochs im Schneefall ruhen. So ein Schlummer macht all die Träume von Unabhängigkeit wahr. Wer will, kann zwischendurch auf einen Campingplatz flüchten. Das ist eine Mentalitätsfrage und kann zur Nervenprobe werden. Vielleicht ist man zu verklemmt, wenn man die Kollektiv-Dusche im Waschpavillon nicht schätzt. Nicht kunstsinnig genug, um den originalen Chic aus den Betonmischern des Duce würdigen zu wollen. Und zu vereinzelt, wenn der gemeinsame Geschirrspülabend ans BDM-Lager gemahnt. Nun denn, jeder so, wie er glücklich wird. Nur eins bleibt: In freier Flur wirkt der Viano stattlich und ausgewachsen, hier auf dem Platz neben den Sauriern der Landstraße irgendwie klein und improvisiert. Gut geschlafen wurde übrigens auch nicht. Nachbars "Dethleffs" kann zwar vollautomatisch die Astra-Satelliten aufspüren, aber nicht wenn Baumkronen, Regenschauer und Mauern im Wege stehen. Da musste dann und wann mal umgeparkt werden, damit Herr Kerner im Bild blieb.

Der Bello auf der Piste

Der Marco Polo bewegt sich flott und agil, und verlangt nach keiner besonderen Schulung. Wo ein großer Pkw hinpasst, findet der Marco Polo auch eine Lücke. Dabei sieht das wendige Wohnmobil apart aus. Die Viano-Baureihe gilt als hübsches Kind, der Schwung der Seitenfenster, die schnuffige Mercedes-Benz-Nase und die markanten Seitenfenster geben Pfiff und verleihen genügend Eleganz. Auf den ersten Blick wirkt der Marco Polo nicht wie ein typisches Nutztier. Das Aufstelldach ist von Nahem natürlich zu erkennen, es verändert die Fahrzeugsilhouette allerdings nur unmerklich. Einer der überzeugendsten Argumente für einen Marco Polo dürfte sein Nutzen abseits des Freizeitvergnügens sein. Ohne Frage kann das Wohnmobil einen Familienkombi locker ersetzen. Seine Höhe von 1,99 Meter erlaubt es, alle normalen Garagen aufzusuchen. Von außen ist der Wagen nicht auf den ersten Blick als Camper zu erkennen und die Inneneinrichtung ist flexibel genug, um die unterschiedlichsten Bedürfnisse zu erfüllen. Die Großfamilie kann ihn zum geräumigen Sechssitzer mit immer noch großem "Kofferraum" umrüsten, der Gewerbetreibende kann die Bestuhlung komplett entfernen und bekommt dann - neben der eingebauten Küchenzeile eine Nutzfläche von immerhin 2445 mm Länge und 1100 mm Breite. Für normale Bedürfnisse muss eigentlich gar nichts verändert werden, nur das Geschirr sollte nach der Reise aus den Schränken entfernt werden. Auf Dauer nervt das Klappern doch. Die Preise beginnen bei 39.600 Euro für den 2.0 CDI, das stärkere Testmodell liegt etwa bei 41.000 Euro. Hinzu kommen natürlich die Kosten für weitere Extras, dabei ist das Grundmodell schon sehr gut ausgestattet und wird keineswegs "nackt" ausgeliefert. Die Preisliste des Marco Polo ist übrigens absolut konkurrenzfähig, ein Interessent muss nicht fürchten, nur für das Wort "Mercedes" bereits einen satten Aufschlag zahlen zu müssen.

Vom Alltag zum Urlaub ist es nur ein Katzensprung

Für alle, für die Campen etwas mit Reisen, Abenteuerlust und Unabhängigkeit zu tun hat, ist der Marco Polo eine Sünde wert. Die Reue hinterher muss man nicht fürchten, denn anders als bei den großen Wohnmobil-Brüdern muss die Entscheidung für einen Marco Polo nicht bedeuten, ein weiteres Auto anzuschaffen. Sollte man auf der Straße endlosen Platz einem supersportlichen Fahrverhalten vorziehen, wird man mit diesem alltagstauglichen Wohnmobil auch in heimischen Gefilden mehr als zufrieden sein. Der Verbrauch bleibt für einen Wagen von immerhin 2,2 Tonnen in sehr bescheidenen Dimensionen. Dabei macht der Wagen mit dem Stern eine gute Figur. Mit ihm kann man vor der Oper vorfahren, ohne dass jemand vermutet, man habe sich auf der Suche nach dem Campingplatz verirrt.