Mister Fleming, wie viele Meilen haben ihre autonomen Prototypen-Lkws schon zurückgelegt? Michael Fleming: Ich fürchte, das kann ich Ihnen nicht sagen. Warum? Fleming: Weil wir aufpassen müssen, welche Informationen wir unseren Konkurrenten preisgeben. Peter Vaughan Schmidt: Ein zweiter Grund ist, dass es nicht um die Anzahl der Meilen geht, sondern um das, was wir Qualitäts-Meilen oder smarte Meilen nennen. Deswegen testen wir hier in Albuquerque in einer verkehrstechnisch gesehen extrem schwierigen Umgebung. Wir könnten zwischen Amarillo und Albuquerque hin und her fahren und problemlos viele Meilen abspulen, aber das wäre nicht zielführend. Wir würden nur Geld verbrennen und nicht unser System verbessern. Was ist das größte technische Hindernis auf dem Weg zum autonomen Fahren Level 4? Fleming: Hauptsächlich geht es darum, das System auf möglichst alle Szenarien vorbereiten, die auftreten könnten. Manche passieren täglich, andere nur alle zehn Jahre und wieder andere werden Sie nie erleben, aber sie sind möglich. Genau deswegen testen wir Qualitäts-Meilen. Außerdem verwenden wir Daten von anderen Firmen und vor allem von Daimler Truck. Daimler Truck hat immens viele Daten, die uns weiterhelfen. Da geht es unter anderem um Unfälle oder solche, die beinahe passiert wären. Was bedeutet das konkret? Fleming: Zum einen wollen wir Umfälle vermeiden und zum anderen die Auswirkungen möglichst geringhalten, wenn sie unvermeidlich sind. Etwa wenn andere Verkehrsteilnehmer einen Fehler begehen. Hilft Ihnen Deep Learning dabei? Fleming: Deep Learning ist eines der Werkzeuge, die wir nutzen, um unser System zu trainieren, wenn es darum geht, Objekte zu erkennen. Wir verwenden aber auch klassische Instrumente. Deep Learning ist nicht das alleinige Allheilmittel, es geht darum, die richtige Kombination verschiedener Technologien zu finden. Wie setzen Sie das konkret um? Fleming: Unsere Ingenieure arbeiten eng mit denen von Daimler Truck zusammen, um sicherzustellen, dass unsere Software perfekt mit dem Truck abgestimmt ist. So ein Truck wiegt 40 Tonnen und beansprucht einen großen Teil der Fahrspur. Eine präzise Kontrolle ist also unabdingbar, um das autonome Fahrzeug sicher im Verkehr zu betreiben. Warum nutzen Sie ihre eigenen Karten und zum Beispiel nicht die von HERE? Fleming: Aktuell konzentrieren wir uns auf die USA und ein Fahrzeug, den Cascadia. Und die Highways machen nur einen sehr geringen Teil des Straßennetzes aus. Ich glaube, es sind zwei Prozent. Peter Vaughan Schmidt: Es sind sogar nur 1,2 Prozent. Fleming: Danke Peter. Wir optimieren laufend unsere Karten. Wenn unsere Software feststellt, dass die Karte oder die Umgebung nicht mit dem gespeicherten Szenario übereinstimmt, haben wir redundante Systeme integriert, die sicherstellen, dass das Fahrzeug sicher weiterfährt. Außerdem zeichnen wir ständig die Fahrtstrecke auf und verbessern so unsere Daten. Wie gehen Sie mit den Vorbehalten der Menschen um, wenn es um das autonome Fahren geht? Fleming: Jedem muss klar sein, dass es das perfekte System nicht gibt. Deswegen glauben wir, dass eine doppelte Redundanz extrem wichtig ist. Wenn ein Fehler auftritt, müssen wir sicherstellen, dass wir diesen ausmerzen können und Maßnahmen bereitstehen, die das autonome Auto sicher weiterführen. Das macht unser System deutlich komplexer und ist ein großer Unterschied zum autonomen Fahren Level 3, bei dem der Mensch als Rückfall-Option zur Verfügung steht. Bei Level 4 ist das nicht der Fall. Wie läuft das konkret ab? Fleming: Zunächst einmal scannen wir ständig die Straße und gleich die Daten ab. Außerdem verschieben wir die Auswertungen in die Cloud, wo wir die Karten gespeichert haben, untersuchen die Unterschiede, denn manchmal liegt auch ein Sensorfehler vor. Ist das Ergebnis eindeutig, passen wir die Karten an. Es ist wichtig, dass wir das richtige Maß an Automation und das richtige Maß an Kontrolle durch den Menschen haben. Wie schaut Ihr Fahrplan bei der Einführung des autonomen Fahrens aus? Fleming: Wir haben verschiedene Phasen, in denen wir unsere autonomen Trucks ausrollen werden. Wir fangen im Südwesten der USA an und erst später in Gegenden wie den Nordwesten mit Schnee und Eis. Wie bei anderen Technologien auch, wird es verschiedene Versionen geben, die sich stets verbessern. Sobald wir neue Generationen der Technologie einführen, haben diese mehr Fähigkeiten und funktionieren auch bei herausfordernden Bedingungen wie Schnee und Eis so, dass sie unseren Anforderungen gerecht werden. Bei der Logistikbranche geht es auch um die Total Cost of Ownership. Sensoren wie der LIDAR sind teuer. Werden Sie irgendwann mal darauf verzichten? Fleming: Wir wollen ein sicheres Produkt bieten, deswegen werden wir für einige Zeit auf die LIDAR-Sensoren setzen. Dennoch wird es vermutlich weitere Sensoren beziehungsweise Modalitäten neben LIDAR, Kameras und Radarsensoren geben. Was schwebt Ihnen vor? Schmidt: Ich würde es vielleicht nicht vierte Modalität nennen, aber nicht könnte mir vorstellen, dass die erste LIDAR-Generation Time-of-Flight-LIDARS sind und die zweite Generation frequenzmodulierter LIDARs sind. Damit kann man nicht nur die Entfernung und die Dichte messen, dann hätte jeder Punkt auch einen Geschwindigkeitsvektor. Wenn man dann zehn Punkte hat, die sich mit identischer Geschwindigkeit in die gleiche Richtung bewegen, ist klar, dass diese zusammengehören. Das würde LIDAR verbessern und dem System mehr Informationen bereitstellen. Das wird aber nie den Radar-Sensor ersetzen, denn der durchdringt auch starken Regen oder dichten Schneefall. Ist es für Sie vorstellbar, dass ein autonomes System nur mit Kameras und Software funktioniert? Fleming: Nein.
Es geht um smarte Meilen
