"Entwerft doch mal ein B-Car-Concept, das den Parisern gefällt", das war kurz und knapp die Anweisung der Mazda-Kreativen beim Design-Workshop, zu dem die Japaner ein paar Dutzend Autojournalisten aus ganz Europa ins niederländische Utrecht geladen hatten. B-Car heißen die Kleinwagen in Fachjargon der Automobilhersteller. B-Cars sind ganz sicher keine Traumwagen. Aber sie sind ganz klar die automobile Erscheinungsform, an der Großstädter in vielerlei Hinsicht schon jetzt wesentlich mehr Freunde haben dürften als an größeren Formaten. Beim Brainstorming kam trotzdem gleich Verwirrung auf. "Welchen Parisern soll das Auto denn gefallen? Den Dreißigjährigen? Den Vierzigjährigen? Der Generation Fünfzig plus" Na bitte - die erste Lektion aus dem Handbuch der Automobildesigner ist damit schon gelernt: Wer Autos entwirft, muss seine Zielgruppe genau im Blick haben. Sonst ist die Gefahr groß, am Zeitgeist und am Markt vorbei zu zeichnen, zu planen, zu produzieren.
Marktanalysen und Trendreports, Studien über Autokauf- und Fahrverhalten sind also Pflichtlektüre - nicht nur für die Marketingstrategen der Automobilkonzerne. Auch für Designer. Selbst beim Entwurf eines Konzeptautos, diesem Verbindungsglied zwischen Designertraum und Serienmodell-Wirklichkeit, müssen die Kreativen den potentiellen Kunden im Kopf haben. Die Showcars müssen sich zwar nicht verkaufen. Aufsehen erregen und gefallen sollten sie schon. Denn die auf internationalen Shows gezeigten Konzepte tragen entscheidend zum Image einer Marke bei, davon ist Mazdas Design-Direktor, der Niederländer Laurens van den Acker, überzeugt. Und auf den heißumkämpften Märkten Japan, Europa und USA verkaufen sich Autos längst nicht nur über Qualität und Preis, sondern über das Image der Marke.
Image puschen
Mazda setzt derzeit alles daran, das eigene Image als kreativer Trendsetter zu puschen und der Konkurrenz zumindest auf diesem Gebiet davonzufahren. Avantgardistische Studien wie "Senku" und "Kabura" hatten bereits bei den internationalen Automessen von 2006 für Furore gesorgt und so manche Design-Auszeichnung nach Hause getragen. Dennoch befand Design-Direktor van den Acker "das reicht nicht" und trieb seine Mitarbeiter zu radikaler Weiterentwicklung der Mazda-Formensprache an.
Wenige Monate später erschienen die Vertreter einer neuen Design-Generation auf den Autoschaubühnen dieser Welt: "Ryuga", "Hakaze" und "Taiki". Wind und Wellen, so scheint es, haben nicht nur die Silhouetten sondern auch die Oberflächenreliefs mitmodelliert. "Nagare", Mazdas neue, durch das Formenspiel der Natur inspirierten Design-Sprache, war geboren. Seither überwacht van den Acker die Nagare-Experimente der vier Designstudios, die Mazda weltweit unterhält. In Hiroshima und Yokohama wird der neue Formenfluss derzeit ebenso weiterentwickelt wie im kalifornischen Irvine und in Oberursel bei Frankfurt am Main.
Autoinnenraum immer bedeutender
Der jüngste Nagare-Spross stammt aus der kalifornischen Designschmiede des japanischen Konzerns. "Furai" präsentiert seinen extrem-aerodynamischen Sportwagenkörper, den der Wüstenwind persönlich geformt zu haben scheint, auf dem realexistierenden Chassis "Le Mans Courage C65". Nagare-Elemente zeigen hier aber bereits konkrete Funktionen. So saugt die Front Luftströme, die sich unter dem Wagen bilden, zur Motorkühlung ins Innere. Die ausmodellierten Seitenflächen packen sich den Fahrtwind und transportieren die kühlende Luft zum Ölkühler und zum Getriebe. In welcher Form die neuen Formen in Serie gehen, ist offenbar noch nicht entschieden. "Gut möglich das einzelne Design-Elemente an einem ganz anderen Autotyp zum Einsatz kommen, zum Beispiel an einem SUV", so Atsuhiko Yamada, Design-Chef bei Mazda in Japan und verantwortlich für die futuristische "Taiki"-Skulptur.
Extravagante Neuerungen des äußeren Erscheinungsbildes finden erfahrungsgemäß weit schneller serienmäßige Umsetzung als revolutionäre Neuerungen im Innenraum. Verrückte Ideen, Farben und Materialien werden zwar in den an Showcars gezeigt. Doch die Serie verhält sich in punkto Innendesign äußerst konservativ. Auch das wird sich ändern, kündigt Mazdas Design-Boss an. "Die Umwelt wird immer stressiger. Darum wird der Autoinnenraum immer bedeutender", so van den Acker. Blickt man in den Innenraum der jüngsten Konzepte made by Mazda können sich Markenfans mal auf fließende Übergänge zwischen Cockpit und übrigem Innenmobiliar freuen. Ebenso auf superleichte Materialien und auf Sitzschalen mit extrem schlanker Silhouette. Markenzeichen der sportlich geprägten Japaner soll die "Fahrer-Orientierung" bleiben. Weil der Akteur am Lenkrad sein Auto anders erleben will, als der Rest der Insassen, präsentiert sich auch das Wageninnere künftig ästhetisch zweigeteilt: Aggressives, sportlich-dynamisches Design für den Steuermann, entspannendes Wohlfühlambiente für seine Passagiere.
Internetversorgung für alle Insassen
Ein B-Car wollen die Japaner auf der Pariser Autoshow im Herbst tatsächlich präsentieren. Ob Ideen der Workshopteilnehmer dabei zum Zuge kommen, ist mehr als fraglich. Die Skizze mit dem "Mäusebiss" am Heck bleibt jedenfalls weit hinter bereits gezeigten Nagare-Schönheiten zurück. Eher haben die neckischen Ideen für den Innenraum eine Chance auf Realisierung zu Showzwecken. In diesem Fall wird Mazdas Pariser Concept Car mit Internetversorgung für alle Insassen daher kommen. Und mit einem Frischhaltefach für Baguettes und Croissants.