"S-Line-Paket oder Diesel?" Ein seltsamer Konflikt, aber kein Einzelfall. Gregor sitzt vor dem Car Configurator von Audi. Sein neuer Dienstwagen wird ein A4 Avant sein. Gregor ist Abteilungsleiter in einem europaweit erfolgreichen, mittelständischen Unternehmen. Privat hat er kein Auto, weil er seinen Dienstwagen und die Tankkarte immer nutzen darf. Über 50.000 Kilometer per anno kommen so zusammen. Eigentlich ein Fall für einen Diesel. Gregor hat aber keine Vorgaben beim Verbrauch. Allein der Preis des neuen Wagens ist limitiert. Und weil der Turbobenziner mit den schicken Felgen und dem Optikpaket immer noch billiger ist als der wirtschaftliche Diesel, greift der aufsteigende Mitarbeiter zu: TFSI statt TDI.
Die breite Masse trägt die Dienstwagen auf
Das allein wäre kein Problem. Jedes Unternehmen, egal ob mit Riesenfuhrpark, als Autovermieter oder als einzelner Freiberufler, darf und sollte selbst entscheiden, wie viel Geld es für die fahrbaren Untersätze ausgibt. Schwierig wird es, sobald diese Autos als Gebrauchtwagen in private Hände gehen, was im Durchschnitt nach 36 Monaten der Fall ist: Anders als der Privatmann, der nur ein Drittel der Neuwagen kauft und zu Golf, Corsa und Fabia greift, setzen viele Firmen auf größere Wagen mit höherem Spritverbrauch. Das Resultat ist ein Zweite-Hand-Markt, bei dem ökonomisch-ökologische Autos zu selten sind. Das Volk, das mangels Kaufkraft keine Entscheidungsmacht über die Neukäufe hat, trägt die Dienstwagen der Firmen auf. Und ärgert sich über hohen Verbrauch bei explodierenden Preisen an der Tankstelle.
Grüner Anstrich in der Debatte
Trotz anhaltender CO2-Diskussion konnte keiner der von stern.de befragten Autohersteller, Branchenkenner und Flottenmanager einen realen, messbaren Trend hin zu sparsameren Autos belegen. Nur die Debatte darüber ist in aller Munde: "Unternehmen achten generell und ernsthaft auf den Umweltschutz", erklärt Hans-Joachim Mag, Chefredakteur der Fachzeitschrift "Fuhrpark + Management". Die CO2-Steuer stehe im Raum, und die firmeninternen Einkäufer müssten drei bis vier Jahre im Voraus planen.
Die Debatte ist da, das Handeln nicht. Das Frankfurter Marktforschungsunternehmen Dataforce zeigt das mit Zahlen: Während bei den Deutschen, die ihr Auto neu und privat kaufen, bereits ein Umdenken hin zum sparsameren Auto eingesetzt hat, sei das im "relevanten Flottenmarkt eher weniger" der Fall. Ein Beispiel dafür sind die so genannten Minis: Seit Anfang 2006 ist dieses Segment bei Privatkäufern von 5,08 auf 7,3 Prozent im 1. Quartal 2008 gewachsen. Bei den Firmenkäufern änderte sich diese Quote kaum und liegt nun bei 3,59 statt 3,57 Prozent. Bei den Kleinwagen sieht es ähnlich aus. Der Privatmann kauft verstärkt die Polos dieser Welt, ihr Anteil stieg seit Anfang 2006 von 23,77 auf 24,94 Prozent. Für den gleichen Zeitraum weist Dataforce bei den Firmenkunden 8,39 statt 8,31 Prozent aus.
"Keine nennenswerte Veränderung"
Der Spritpreis sei ein Thema, das Bewusstsein und das Interesse sei da, sagt ein VW-Sprecher über den Diskurs bei den Firmenkunden. Die Diskrepanz zwischen Ideal und Handeln bringt Mercedes in diplomatische Worte: "Die Sensibilität für das Thema ist von Land zu Land noch unterschiedlich ausgeprägt." Das Interesse an wirtschaftlichen und ökologischen Motorisierungen im Flottenmarkt nähme "in einzelnen Märkten" zu. In Deutschland sei allerdings "noch keine nennenswerte Veränderung" bei der Nachfrage durch Flottenkunden zu erkennen, erklärt Mercedes.
Selbstverpflichtung beim Wort genommen
Freiwillig scheinen die Firmenkunden ihr Kaufverhalten nicht zu ändern. Sie denken in erster Linie ökonomisch. Und wenn das gleichzeitig ökologisch ist, umso besser. In England zum Beispiel sind CO2-Steuer ("Vehicle Excise Duty") plus Dienstwagensteuer ("Company Car Tax") Stand der Dinge. Ab 180 Gramm pro Kilometer (7,5 Liter Diesel oder 6,8 Liter Benzin) ist der Höchstsatz von 210 Pfund Sterling oder etwa 265 Euro fällig. Ob mit diesen sehr maßvollen Sätzen eine Steuerungswirkung zu erzielen ist, kann allerdings bezweifelt werden.
Wie eine Regelung für Deutschland aussehen könnte, beschreibt Winfried Hermann (MdB), verkehrspolitischer Sprecher von den Grünen. Aus seiner Sicht sollten Dienstwagen für dieses Jahr die Selbstverpflichtung von 140 Gramm CO2 pro Kilometer im Durchschnitt aller verkauften Autos nicht überschreiten. Das entspräche einem Verbrauch von 5,3 Litern Diesel oder 5,9 Litern Benzin. Ab 2012 sollte der Wert auf das EU-Ziel von 120 Gramm pro Kilometer abgesenkt werden. Für 2020 sind 80 Gramm das ehrgeizige, aber erreichbare Ziel. Anfangen will Herr Hermann in der Fahrbereitschaft des deutschen Bundestags, womit er auf Widerstand stößt.
Schluss mit der Subvention
Viel interessanter für den Steuerzahler ist aber der Vorschlag der Grünen, ausgehend vom Verbrauch eine Obergrenze bei der Absetzbarkeit von Dienstwagen zu machen. Als Beispiel könnte ein Golf BlueMotion (119 Gramm CO2 pro Kilometer) dienen, der als gut ausgestattetes "United"-Modell ab 22.700 Euro zu haben ist. Jeder Wert darüber, so die Idee, könnte nicht mehr steuerlich geltend gemacht werden. Mit der Konsequenz, dass sich Firmenkunden die Geschenke an ihre Mitarbeiter zweimal überlegen würden. Den doppelten Vorteil hätte die breite Masse der Autofahrer: Die würde nicht nur endlich aufhören, die per Steuer die Firmenautos zu subventionieren, sondern nach der Abschreibungsfrist in den Genuss sparsamer Autos auf breiter Front zu kommen. Ein Modell, das im Autolobbyland undenkbar erscheint.