Ferrari des Ostens Aufschwung Ost

In Thüringen soll der 650 PS starke Supersportwagen apollo gebaut werden - mit Fördergeldern der EU "Gumpert" heißt die neue Automarke mit Flügeltüren. Im ersten Serienexemplar sitzt ein Mechaniker, der seine Schuhe ausgezogen hat, damit innen nichts schmutzig wird.

Der Aufschwung Ost fährt immer gern im Porsche vor. So gesehen passen die Autos sogar auf den Hof einer maroden Fabrik in Altenburg. Westdeutsche Kennzeichen. Tropfende Dachrinnen. Zettel weisen den Weg. Bis 1990 wurden hier Nähmaschinen gebaut. Später hat sich unterm Dach ein Kampfsportstudio eingemietet. Sonst aber sieht der alte Kasten immer noch aus, als sei das Kombinat Textima gerade erst abgewickelt worden: kaputt und leer. Noch. Denn nun wollen bayerische Investoren und Autonarren darin einen Supersportwagen bauen. Apollo soll er heißen, 650 PS leisten und als neue Automarke "Gumpert" eine Art Ferrari für Mitteldeutschland werden.

"Nu klar, dor Gumbord!" Weil davon schon seit Jahren die Rede ist, reagieren die Einheimischen eher kühl. Kennt man ja. Große Versprechen. Subventionen. Große Pleite. Auf so was fällt nach 16 Jahren Aufbau Ost hier im wirtschaftlichen Hinterhof Thüringens keiner mehr rein. Als das Förderjahr 2005 fast um ist, steht er plötzlich doch in der frisch gestrichenen Halle: "Dor Gumbord." Genau genommen sind es zwei: ein rotes Auto, breit und flach, und ein schlanker Mann mit irrem Blick. Roland Gumpert, 61, ist seit Jahren besessen davon, ein eigenes Auto zu bauen. Nun strahlt er, der Wagen glänzt. Und beide sehen fertig aus.

Die ganze Nacht haben Gumperts Leute in Ingolstadt geschraubt und poliert und das Auto am Morgen in den Osten gebracht, während die neuen Kollegen in Altenburg die Werkshalle für die Presse vorbereiteten, eine Fertigungsstrecke auf den Boden malten und nagelneue Werkbänke aufstellten. Alles sollte aussehen, als würden hier schon Autos gebaut. Tatsächlich werden in der "Sportwagenmanufaktur Altenburg" zunächst nur Teile des Rahmens zusammengeschweißt. Anfang Januar sollte es richtig losgehen. Doch seit der Eröffnung herrscht Ruhe in der Halle. Seriennummer 001 steht wieder in der Ingolstädter Werkstatt.

Der erste Käufer hat seinen 200 000-Euro-Apollo vor über einem Jahr anbezahlt. "Damals gab es nur ein Modell", sagt Horst Gerdes, 64. Inzwischen durfte der Unternehmer aus Niedersachsen bereits probesitzen. Gerdes: "Ich habe Vertrauen in die Leute dahinter." Die haben ihr halbes Leben bei Audi verbracht, Roland Gumpert im Marketing und in der Motorsportabteilung, sein Partner Uwe Bleck, 49, als Ingenieur und Fahrwerksfachmann. "Ein Rennwagen für die Straße war das Ziel", sagt Gumpert. "Aber trotz seiner Kraft eher gutmütig", ergänzt Bleck. Am liebsten würden sie nur über technische Daten reden - den Biturbo-V8-Motor, das Leergewicht von knapp über einer Tonne und die 360 km/h, mit denen sie Ferrari und Porsche bei GT-Rennen schlagen wollen. Doch nach Jahren der Entwicklung ohne einen Cent von Banken müssen sie nun auch mal ans Geld denken.

Die Investition in Altenburg beziffert Gumpert mit 15 Millionen Euro, er hofft auf sechs Millionen Fördermittel von der EU. Für ein Auto, das zum Einkaufen nicht geeignet ist und das innen auf Wunsch auch mit Schlangenleder ausgestattet wird. Zwei alte Ingolstädter Freunde von Gumpert haben das Gemäuer vor drei Jahren gekauft. Einer sagt: "Es wäre doch toll, wenn sich eines Tages die ganze Region mit dem Auto identifizieren würde, die haben ja hier sonst nichts."

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Holger Witzel

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