Mondän. Falls eine Automesse dieses Attribut verdient, ist es der Genfer Salon. Souverän, lässig und mit einem internationalen Stil. Klein und fein wie die Schweiz selbst. Von Alfa bis Zagato nur Erfolgsmeldungen. Mobiles Geschmeide, Pret-a-porter. Und trotzdem lässt Genf Fragen offen: Visionen zur Zukunft der Mobilität sind ebenso rar wie Billigautos, die anmachen.
Lenkende Gourmets werden bedient, sofern sie über das nötige Kleingeld verfügen. Der vom bayrischen Veredler Mansory überarbeitete Ferrari 599 GTB Fiorano ist so ein Leckerbissen. Oder der Morgan Aeromax, eine Coupéversion des offenen Engländers Aero 8 ohne Kofferraumklappe, aber mit einer Rückenflosse als Reminiszenz an den Bugatti 57 Atalante. Häppchen für Reiche. Die breite Masse fällt hinten runter.
Offenbar trauen die Autohersteller den Käufern im vierstelligen Euroraum beim Geschmacksempfinden nicht über den Weg. Viel gepriesene Billigautos vom Schlag eines Dacia Logan oder des kommenden Markenbruders Sandero kommen stinklangweilig daher. Fiat 500? Mini? Overprized. Bei denen wird der Kurs eines Polo oder Golf aufgerufen.
Kastrierte Scirocco-Front
Apropos Volkswagen. Dort wird seit dem Erscheinen der Studie Up! über mögliche Hüte für die neue technische Basis spekuliert. Ein kleiner Käfer mit Heckmotor, Heckantrieb und vierstelligem Preis geistert durch die Gazetten. Einfach und leicht, ein Tuningobjekt für den Jedermann ohne die Konventionalität eines Standard-Up!. Die Chance, ein solches Wagnis in Genf zu präsentieren, hat VW verpasst.
Stattdessen gibt es einen Scirocco, dessen Gestalt zeigt, was in Wolfsburg wirklich los ist. Die Mutlosigkeit regiert. Anstelle den weiten Rachen der Studie IROC vom Pariser Autosalon 2006 in die Realität zu überführen, wird die Wabenfront überarbeitet. Das Ergebnis ist nicht etwa ein konsequent neues Autolächeln. Vielmehr wurde die ursprüngliche Frontversion von Wolfgang Bernhard mit einer breiten Stoßleiste überklebt und mit schwarzer Farbe getarnt. Was immer man von dem ehemaligen McKinsey-Jünger halten mag: Eine solche Entscheidung weder für noch gegen ein herausstechendes Designelement hätte er wohl kaum getroffen. Bei Volkswagen badet man gerne lau.
Ohne Visionen in die Ressourcenknappheit
Ebenso unglaubwürdig wirken die Versuche der Autobauer, eine Antwort auf die Frage nach der Zukunft der Mobilität zu geben. Auf der technikverliebten Tokio Motor Show gehören bis zur Unsinnigkeit verspielte Studien zum guten Ton. In Genf sucht man vergeblich nach einer deutschen, energiesparenden Vision. Der alte Satz von Altkanzler Helmut Schmidt, nach dem zum Arzt gehen solle, wer eine eben solche hat, darf hier nicht gelten.
Loremo steht nicht mit dem endgültigen Prototyp seines Ressourcensparers in Genf. Der sei noch nicht fertig und der Messestand zu teuer, sagt Loremo. Auch der Mindset aus der meisterlichen Designerhand von Murat Günak fehlt, obwohl die Schweizer Firma ein Heimspiel gehabt hätte. Was bleibt, sind die Feigenblätter der etablierten Autoindustrie: Erdgasautos, die den Tankinhalt sauberer verbrennen. Fossilen Tankinhalt. Hybridstudien, die frühestens im nächsten Jahr oder noch viel später kommen.
Oder aufpreispflichtige Extras wie ein lang übersetzter höchster Gang und abgedichtete Trennfugen an den Scheinwerfern. Blue Efficiency nennt Mercedes diesen Mumpitz, der scheinbar so wenig überzeugend ist, dass er nicht zur Serienausstattung gehört. Die Botschaft ist klar: Besonders für die, die tatsächlich ein Auto kaufen, ist der Spritpreis im Letzten kein Thema.
Genf ist Sitz zahlreicher internationaler Organisation von UNO über UNHCR bis WHO. Und der heimische Autosalon ist eine ungenutzte Gelegenheit für die Gehirne der Autohersteller, abseits der fahrenden Louis-Vuitton-Taschen zu zeigen, was geht. Mehr Spinnerei, bitte! Das ist kein Plädoyer gegen die wunderbaren PS-Ausgeburten vom Schlag eines Alfa 8C Spider oder eines Artega GT. Aber sicher findet sich in jedem Konzern noch die eine Million, um das eine zu tun ohne das andere zu lassen.