Sex in the City als Roadmovie? Für die statusbewusste Frau mit Platin-Karte und tausend Einkaufstäschchen hat Volvo das ideale Fahrzeug in der Planung.
Zur Erinnerung: Viele Frauen haben einen Führerschein, manche Frauen verdienen sehr gut, und nicht alle Frauen gehen in der Rolle der Familienmaschine auf. Für sie entwickelte ein neunköpfiges Frauenteam von Volvo die bereits auf dem Autosalon in Genf vorgestellte Studie YCC (Your Concept Car). Der Wagen, der "auf die Bedürfnisse moderner Frauen" zugeschnitten ist, befindet sich zur Zeit auf Sympathie-Tour. Eine Gelegenheit, den Lady-Volvo noch einmal genauer in Augenschein zu nehmen.
The Lady is a vamp!
Fette Backen, sattes Gummi, breite Spur. Frauen wollen offenbar genauso wie Männer einen athletischen Wagen. Anzeichen von automobiler Impotenz - PS-Schwäche, aber Kinderwagen-Lade-Stärke - sucht man beim YCC vergebens. Zum Glück glitzert die Studie in einer Farbe zwischen Lotus- und Cremeweiß. Eine reine Tarnfarbe: Ein dunkler Anstrich hätte den Womanizer glattweg in ein Lady-Muscle-Car, gewissermaßen den GTO für die Besserverdienende, verwandelt. Wäre der Wagen nicht so freundlich hergerichtet, die schmalen Schweinwerfer-Schlitze blitzen doch zu bösartig unter dem Blech hervor. Ein muskulös geratenes Coupé, dessen Reifen alles unter einem Acht-Zylinder als Verrat ansehen. Die inspirierenden Einflüsse italienischer Edelsportwagen lassen sich nicht verleugnen. Das Ganze wurde dann entsprechend aufgeblasen um einem kommoden Innenraum anstatt einer kargen Pilotenzelle zu schaffen. Außen tritt der YCC also vor allem Vorurteilen - "Frauen wollen's niedlich" - entgegen, die wirklich guten Ideen kommen im Innenraum.
Ein Täschchen geht noch rein
Wer sitzt im Fond eines Frauen-Autos? Falsch geraten, für Kids gilt im YCC: Für Schokofinger viel zu chic. Mütter mit Blagen mögen zu einem der Volvo-Kombis greifen. In der Studie ist die Rückbank zunächst für das Unterstellen von Taschen aller Art gedacht (Handtaschen, Sporttaschen, Hutschachteln, Schminkkoffer, Aktentasche ..) . Und weil sowieso bei einem Single vorne hinten meistens niemand sitzt, klappen die Rücksitze automatisch nach oben, und schaffen so Stauraum in der Kabine.
Platz für den gehobenen Survival-Set
Thema "Stauraum". Davon können Frauen nie genug bekommen. Ein Blick in den gemeinsamen Badezimmer-Schrank beweist die These. Und wovon träumen Frauen bei Wohnungsgrundriss? Von einem zweiten Schlafzimmer, umgebaut zu einem begehbaren Schrank-Paradies. Dort hat dann jedes Paar Schuhe seinen Platz und all die Taschen sowieso. So etwas kann man auch im Auto machen, sagten sich die Schöpferinnen des Damen-Concept-Cars und wölbten den bekannten Mitteltunnel zu einem veritablen mehrteiligen Reisekoffer um. In gleich vier Raumzonen ist dort nun wirklich Platz für das "Notwendigste".
Style up your Sitzgestell!
Endlich ist Schluss mit diesem irgendwie immer grauen Schrubber-Zeugs, das für ein ganzes Auto-Leben reichen muss. Der Sessel-Bezug des YCC - eine Art Matratze über Edelmetall - kann gewechselt werden. Damit tut sich eine Spielwiese für modische Experimente und Stimmungswechsel auf. Eine tolle Idee, um von dem unauffälligen Einerlei herunterzukommen. Wunderbar skandinavisch wirken die Kombinationen von hellem Echtholz und braun-.grauem Edel-Filz, die den Boden des Kofferraums bedecken.
Priorität: Einfach zu parken
PS-Vertrauen ist nicht alles - auf einen entsprechenden Antrieb muss die Studie ohnehin noch verzichten, beim Thema Parken sind die Damen vorsichtig. Ein Rund-Um-Gummi als Kratzer-Verhüterli bedeutet offenbar keinen Stilbruch. Trotz elektronischer Einparkhilfe wurde das Heck komplett in eine anthrazitfarbene Knautschzone verwandelt. Keine Schande, es zeugt von Größe, Schwächen zuzugeben Die Rundumsicht überzeugt: Die Motorhaube fällt in der Mitte ab, die Kotflügel markieren markant das Ende der Karosse. Das hintere Fenster reicht praktisch bis zum Ende des Wagens. Beim Einparken unterstützt eine automatische Hilfe. Sie prüft zunächst, ob der Platz ausreicht, anschließend fährt die Autopark-Funktion den Wagen in die Lücke.
Immer Dame bleiben
Die Konfliktzone "Ein- und Ausstieg", die außer in einem Geländewagen oder SUV leicht zu undamenhaften Haltung verführt, wird gleich mit mehreren Maßnahmen entschärft. Nummer 1: "Gullwings". Ein Wagen mit solchen Türen verleiht immer einen extremen Statusfaktor, denn er schafft seiner Fahrerin das Entree einer Königin mit eigenem Baldachin. Männer müssen allerdings den Kopf einziehen. Nummer 2: Der Türschweller klappt herunter, "sie" muss die Beine nicht in die Höhe heben. Pech für wartende "Rock und Slip"-Paparazzi. Nummer 3: Der Wagen pumpt zum Ein- und Ausstieg das Niveau nach oben. Die Knie - geschlossen! - nur leicht zur Seite gedreht, und schon steigt die Dame auf das Trottoir.
Sprühende Ideen
An smarten, wenn auch teuren Lösungen mangelt es nicht. Schaltknüppel und Handbremshebel wurden aus der Mittelkonsole (Stichwort: Stauraum!) verbannt, geschaltet wird mit Lenkradtasten. Der Bordcomputer gestaltet von B&O zeigt, wie aufgeräumt eine Schaltzentrale ohne männlichen Schalterfetischismus aussehen kann. Der tote Raum zwischen Radkästen und Kotflügeln wurde für viele, viele Ablagen (u.a. Regenschirm-Trockner) nutzbar gemacht. Reizend auch, dass die Einfülltülle für das Wischwasser aus der Igitt-Zone des Motorraums befreit wurde. Die aufwendige Mechanik für Wasser und Kraftstoff-Zufuhr verbindet nun die Vorzüge von Metallhandwerk und japanischer Teezeremonie
Der Frauenversteher
Dieser Wagen trifft einen Nerv. Die Studie muss keine Punkte mit pseudo-femininen Schnick-Schnack machen, sie überzeugt mit einer Palette unabhängiger Ideen, die beweisen, dass altbekannte Dinge einfach mal ganz anders gemacht werden können. Auf eine Serienreife der Studie brauchen vermögende Volvo-Kundinnen vermutlich nicht warten, dagegen sprechen schon die "Gullwings". Aber viel spannender wird es, sich überraschen zu lassen, wie viele Ideen des neunköpfigen Frauenteams Eingang in ganz normale und bezahlbare Volvos finden. Und sei es nur, damit die Bedürfnisse von Frauen mit Kindern nicht allein auf das Konzept des "Pampers-Bomber" reduziert werden.
Gernot Kramper