Lange für tot erklärt, feiert das Adventure-Genre gegenwärtig eine in diesem Ausmaß nicht erwartete Renaissance. Nach Wellen von spielerisch wenig innovativen Ego-Shootern und Echtzeitstrategie-Klonen in der "Command & Conquer"-Tradition wissen Spieler liebevoll inszenierte Geschichten mit gut ausgearbeiteten Charakteren anscheinend wieder mehr zu schätzen.
Ex-LucasArts-Designer Bill Tiller nutzte den Trend, um in seiner "Vampyre Story" alte Adventure-Tugenden neu zu beleben: Außergewöhnliche Charaktere brillieren mit ebenso geistreichen wie schlagfertigen Dialogen in einer surrealistischen Geschichte mit aberwitzigen Rätseln. Das Spektakel spielt sich an fantastischen Schauplätzen ab, die vor spaßigen Grafiker-Ideen nur so strotzen und dem Auge viel zum Staunen bieten.
Mittendrin: Mona, ihres Zeichens Opernsängerin. Die Dame hat es nach Draxylvanien verschlagen, wo sie in die Fänge des Vampir-Barons Shrowdy von Kiefer gerät und - klar! - von diesem gebissen wird. Die Folge: Mona erleidet eine Identitätskrise, will sich nicht mit ihrem Dasein als Blutsauger abfinden und unbedingt in die Opernmetropole Paris zurückkehren. Gemeinsam mit ihrem Sidekick, der geschwätzigen Fledermaus Froderick, plant sie deshalb ihre Flucht aus dem Reich des Barons und stößt dabei auf allerlei Hindernisse.
"A Vampyre Story" bezaubert vom ersten Moment an mit seiner Märchen-Atmosphäre: Die von dunklen Violett-Tönen dominierte Comic-Grafik und die geheimnisvoll flüsternde Orchestermusik des Soundtracks bilden genau den richtigen Hintergrund für den witzigen verbalen Schlagabtausch zwischen den Protagonisten. Früh erfährt der Spieler jedoch, dass Rätsel "früherer" Machart ganz schön harter Tobak sein können: Um an einen Türschlüssel zu gelangen, muss ein Gargoyle auf einer Brücke dazu bewegt werden, diesen freizugeben. Die Lösung sieht auf jeden Fall anders aus, als man im ersten Moment denken mag.
Immerhin: Rätsel in der "Vampyre Story" sind stets logisch und lassen sich durch Nach- und Um-die-Ecke-Denken lösen - stupides Durchprobieren aller Möglichkeiten ist in den seltensten Fällen angesagt. Zum Meistern der Aufgaben verfügt Mona über ein Inventar, in dem sie nicht nur Gegenstände, sondern auch Ideen verwahren kann. Zuweilen verwandelt sich die Dame mit dem französischen Akzent auch in eine Fledermaus, um ihrem Ziel näher zu kommen. Wie seinerzeit "Monkey Island" oder "Day of the Tentacle" fordern die Puzzles nicht nur aufgrund der aberwitzigen Anzahl an Interaktionsmöglichkeiten dem Spieler ein gehöriges Maß Geduld ab - die dann aber auch durch den Fortgang der putzig-verschrobenen Story ausgiebig honoriert wird.
A Vampyre Story
Hersteller/Vertrieb | Autumn Moon/Crimson Cow |
Genre | Adventure |
Plattform | PC |
Preis | ca. 40 Euro |
Altersfreigabe | ab 12 Jahren |
Einsteiger mögen sich trotz einfacher Point&Click-Steuerung und Hotspot-Anzeige zunächst ein bisschen schwer tun, denn "A Vampyre Story" geizt mit deutlichen Hinweisen auf die richtige Lösung. Trotzdem dürfte es kaum einen Adventure-Fan geben, der dem Charme dieses Programms nicht erliegt. Kleinere technische Schönheitsfehler wie die Ladezeiten zwischen den einzelnen Szenen nimmt man dabei gerne ohne größeres Murren in Kauf. Weit schwerer wiegt jedoch das abrupte Ende, das nach zehn bis 15 Stunden eintritt, keinen dramatischen Höhepunkt bietet und letztlich zum Warten auf die beiden geplanten Fortsetzungen verdonnert. Wann diese erscheinen sollen, ist allerdings noch völlig unklar.