Das Entwicklungshaus Ensemble Studios ist eine große Nummer in der virtuellen Unterhaltungswelt. Kenner der Branche nennen die renommierten Spielemacher aus Dallas in einem Atemzug mit Größen wie Blizzard ("World of Warcraft"-Serie) oder Bioware ("Baldur's Gate", "Neverwinter Nights"). Schließlich revolutionierte das Team um Designer-Ikone Bruce Shelley das Strategiespielgenre in Punkto Technik und Spielbarkeit bereits vor fast einem Jahrzehnt - "Age of Empires" war 1997 ein wahrer Meilenstein. Wie auch der Nachfolger, der zwei Jahre später erschien. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an den dritten Teil der Erfolgsserie.
Nachdem die Antike und das Mittelalter Schauplätze der beiden ersten Teile waren, führt die Geschichte des aktuellen Serien-Ablegers in die frühe Neuzeit des frisch entdeckten Amerikas. Insgesamt acht Völker treffen hier aufeinander. Jedes verfügt über individuelle Stärken und Schwächen: Engländer entwickeln mächtige Raketen. Franzosen verbrüdern sich schneller als andere Nationen mit einheimischen Indianerstämmen. Und die Deutschen setzen den "Schwarzen Ritter" als Supersoldaten im Kampf ein. Diese besonderen individuellen Eigenschaften sind vor allem im Mehrspieler-Modus von Bedeutung. In den 24 Einzelspielermissionen dagegen sind die zu steuernden Völker fest von der Geschichte vorgegeben. Zumeist handelt es sich dabei um eine Mischarmee.
"Age of Empires 3"
Hersteller/Vertrieb | Microsoft |
Genre | Echtzeitstrategie |
Plattform | PC |
Preis | 50 Euro |
Altersfreigabe | Ab 12 Jahren |
Die Geschichte
Rund um die historisch inspirierten Einsätze rankt sich die Geschichte der Familie Black. Der walisische Ritter Morgan Black ist der erste Protagonist, dessen Plot der Spieler spielt. Auf der Suche nach dem sagenumwobenen Jungbrunnen bricht er in die neue Welt auf. Im zweiten Abschnitt steht Enkel John den befreundeten Irokesen im Kampf gegen die Engländer bei. Im letzten Drittel des Spiels erobert der Spieler mit Johns Enkelin, der Eisenbahnchefin Amelia, den Wilden Westen. Jede Figur steht für eine neue Zeitepoche; nach jeder achten Mission wird der Spieler in einen neuen Abschnitt entführt. Beeindruckende Filmsequenzen setzen an diesen Stellen die Geschichte fort.
Reise durch Epochen im Minutentakt
Der Spielablauf ist klassisch für ein Echtzeitstrategiespiel. In den meisten Missionen gilt es, eine Siedlung aufzubauen, dabei Ressourcen zwecks Geld- und Nahrungsgewinnung abzubauen und nach Bildung einer schlagkräftigen Armee die gegnerischen Stellungen auszuheben. Im Detail: Im Haupthaus werden zunächst Siedler ausgebildet, die an der Mühle Nahrung ernten oder in der näheren Umgebung Rohstoffe sammeln. Das lässt die Wirtschaft florieren. In der Kaserne wird währenddessen der Grundstock für die Armee herangezogen - Fußvolk wie einfache Soldaten. Zu einer schlagfertigen Streitmacht gedeiht die Truppe aber erst, nachdem eine Geschützgießerei und ein Stall errichtet wurden. Diese Gebäude produzieren Kavallerie-Einheiten sowie mächtige Geschütze.
An fest vorgegebenen Stellen können Handelsposten errichtet werden. Diese sorgen für regelmäßigen Nachschub von Rohstoffen. Zunächst sind es Händler, die ihre Wägen mühsam entlang der Wege ziehen. Im weiteren Spielverlauf poltern Postkutschen über die Handelsroute oder ein Eisenbahnnetz verbindet die Posten. Die Verbesserung der Infrastruktur ist natürlich nicht kostenfrei, doch die Investition lohnt. Die Ressourcen-Lieferung wird hierdurch deutlich beschleunigt. Genre-typisch werden im Verlauf einer Mission verschiedene Epochen durchlaufen, die Zugang zu neuen Einheiten und Techniken eröffnen. Wie schnell der Spieler durch die insgesamt fünf Zeitalter reist, entscheidet das Wirtschaftswachtum der Kolonie. In der Regel erreicht man alle fünf bis zehn Minuten eine neue Epoche - somit stehen schon nach rund 30 Spielminuten nahezu alle wichtigen Einheiten und Gebäudeerweiterungen zur Verfügung.
Was ist neu?
Im Vergleich zum direkten Vorgänger fällt positiv auf, dass die Entwickler das Wirtschaftssystem deutlich abgespeckt haben. Abgebaute Ressourcen muss der Spieler nicht mehr mühselig in Lagerhäusern sammeln. Sie werden unmittelbar nach Abbau automatisch dem Konto gut geschrieben. Zudem kurbeln im aktuellen Ableger nur noch drei Ressourcen die Wirtschaft an: Nahrung, Holz und Münzen. Im Vorgänger mussten darüber hinaus noch Steine geklopft werden.
Die "Verschlankung" tut dem Spielverlauf gut. Das Tempo wird hierdurch beschleunigt und somit automatisch auch die Ansammlung von Erfahrungspunkten. Jedes errichtete Gebäude, jeder getötete gegnerische Soldat und jeder ausgehobene Schatz erhöhen den entsprechenden Kontostand in der Heimatstadt - eine der wenigen frischen Spielideen. Hier werden die errungenen Erfahrungspunkte nach bestandener Mission in Einheiten oder Rohstoffe eingetauscht. Im Verlauf des nächsten Auftrages können die Posten dann je nach Bedarf zu jeder Zeit angefordert werden.
Löchriges Mauerwerk
Ungewöhnliches entdeckt der Spieler im Kampfgetümmel. Greift der Feind die eigene Siedlung an, so schützen errichtete Palisaden oder Mauern keinesfalls die Dorfbewohner vor Speeren oder Kanonenkugeln. Gegnerische Einheiten schießen durch die Schutzwände hindurch. Was wie ein Bug erscheint, ist volle Absicht, sagt der Entwickler. Der Grund dafür: Schutzwälle bleiben bei "Age of Empires 3" unbemannt. Also hat man kurzerhand den Schutz der Wände geopfert, damit Spieler ihre Siedlung verteidigen können. Die Tatsache, dass man jedoch auch durch Bäume, Felsen, Hütten oder Bodenerhebungen schießen kann, lässt aber eher auf ein gravierendes Designproblem als auf ein gewolltes Feature schließen. Wie dem auch sei, Belagerungen - das Salz in der Suppe von Spielen dieses Genres - finden bei "Age of Empires 3" nicht statt. Schade!
Packende Massenschlachten
Deutlich positiver im Zusammenhang mit den Gefechten fällt die Ausgewogenheit der Parteien auf. Vor allem im Multiplayer-Spiel ist dieser Aspekt eine feine Sache. Jedes Volk hat prinzipiell den gleichen Grundstock an Soldaten. Einige wenige Superkrieger wie der "Schwarze Ritter" der deutschen Armee machen den Unterschied. Somit können die Scharmützel - auch im Einzelspieler-Modus - nur dann gewonnen werden, wenn der Spieler taktisch geschickt agiert. Bei "Age of Empires 3" beherrscht das Stein-Schere-Papier-Prinzip die Strategie des Spielers. Culverine-Kanonen zertrümmern spielend feindliche Kanonen, Mörser lassen gegnerische Installationen zerbersten als seien sie aus Pappe, und Falkonette zerlegen Infanterieeinheiten in Windeseile. Bei der Zusammenstellung der eigenen Truppe sollte also zunächst auf Ausgewogenheit gesetzt werden. Erst nachdem die Schwachpunkte der gegnerischen Armee bzw. in dessen Verteidigung ausgemacht sind, kann von dieser Strategie abgewichen werden.
Im Web
Demoversion und Patch zu "Age of Empires 3" unter: www.ageofempires3.com
Technisch brillant
Die Optik ist die eigentliche Stärke des Titels. Für Abwechslung sorgen alleine schon die vielen unterschiedlichen Szenarien: Karibische Inselwelten, staubige Steppenlandschaften oder sumpfige Dschungellandschaften sind nur einige der vielen wunderschön in Szene gesetzten Schauplätze. Selten zuvor in einem Strategiespiel wirkten Explosionen realistischer, Wassereffekte beeindruckender, Sonnenuntergänge traumhafter. Komplexe Physikberechnungen sorgen zudem dafür, dass Teile von Dächern und Mauern bei Treffern zunächst abbröckeln, bevor sie nach weiteren Treffern realistisch zusammenbrechen - beeindruckend!
Fazit
Der Strategiespielriese wankt - aber er fällt nicht. Den Sturz in die graue Masse der Durchschnitts-Strategiespiele verhindern die abwechslungsreichen Einzelspielermissionen, eine bombastische Präsentation - in Bild und Ton - sowie die gewohnt intuitive, brillante Spielbarkeit. Störend dagegen sind Designschnitzer wie durchlässige Mauern oder der schwache Mehrspielermodus. Wohnzimmerstrategen werden aufgrund der wenigen Karten und der mickrigen Anzahl von nur zwei unterschiedlichen Spielmodi nicht lange in den Online- oder LAN-Welten verweilen. "Age of Empires 3" ist letztlich ein tolles Strategiespiel - auch wenn die Ensemble Studios nicht den Evolutionsschritt vollzogen haben, der erwartet wurde.