Computereffekte-Konferenz FMX Klassentreffen der Pixelmagier

  • von Jörg Isert
Bei der "FMX"-Tagung in Stuttgart werden den Besuchern die letzten Illusionen geraubt: Effektkünstler und Programmierer zeigen, wie sie mit Bits und Bytes fremde Welten und lebendige Wesen für die Leinwand erschaffen.

Der Riesengorilla sorgt für ziemliche Aufregung. Zuerst schlägert er sich seinen Weg durch eine US-Metropole, abschließend klatscht er noch ein Auto platt. Das Publikum im Stuttgarter Haus der Wirtschaft schaut gebannt zu. Immerhin das Ende der Vorführung fällt romantisch aus: Der Affe rennt friedlich über offenes Feld in den Dschungel, die Kamera vollführt dabei einen 360-Grad-Schwenk. Ein Fachmann der Effektefirma Industrial Light and Magic erläutert, welch immense Arbeit in der 30-sekündigen Helikopteraufnahme und einem Dutzend anderen Einstellungen steckt: Der Affe ist nachträglich eingefügt, er ist ein digitales Wesen. Das war vor sechs Jahren. Gleiche Veranstaltung, anderer Affe. Bei der Tagung FMX brüllt sich statt "Mighty Joe Young" 2006 "King Kong" in Rage - inklusive des im Maul hängenden Gaumenzäpfchens. Ein paar Totalen aus dem Computer tun es heute nicht mehr, 2006 müssen es schon hunderte Close-ups eines digitalen Charakters sein, um Aufsehen zu erregen.

Erst Deutschland, dann Europa

Die FMX ist eine Konferenz rund um computeranimierte Bilder. Gemacht für Fachleute, für solche, die welche werden wollen - und inzwischen auch für immer mehr wissbegierige Filmfans. Entsprechend hat sich die viertägige Veranstaltung vom einem einst Klassentreffen-artigen Meeting der Computeranimatoren und Branchen-Insider zur deutschlandweit größten Veranstaltung ihrer Art entwickelt. Als Nächstes ist der Europa-Rekord fällig. Entsprechend gilt seit neuestem nicht einmal mehr: "Wir können alles außer Hochdeutsch". Selbst zwei Veranstaltungs-Initiatoren mit den wunderbar schwäbischen Namen Hägele und Stächele sprechen Englisch.

In Stuttgart ist die Welt schon jetzt zu Gast bei Freunden, weil die FX-Gemeinde - FX steht für Effects - eben ein multinationales Völkchen ist. Bevorzugter Look der mehrheitlich männlichen Besucher: Hemd über die Hose, dazu gelegentlich eine Baseball-Kappe. Während an den Ständen der verschiedenen Computergrafik-Firmen fähiger Nachwuchs rekrutiert wird, macht in der König-Karls-Halle ein Profi den Affen. Mehrere hundert Zuschauer lauschen dem "King Kong"-Referenten Matt Aitken.

King Kong wird per Maus dressiert

Der von Peter Jackson gedrehte Realfilm, er ist eigentlich ein Trauerspiel. Fast alle Szenen waren Stückwerk und mussten digital ergänzt werden. Zwei Stunden lang rast Matt Aitkens Maus über mehrere auf einer Leinwand sichtbare Miniscreens und zerlegt den Film in seine Einzelteile. Klick! Das New York der dreißiger Jahre, plötzlich sieht es aus wie eine bessere Lindenstraße-Kulisse. Klick-Klick! Aus Skull Island wird eine Mini-Landschaft wie bei Opis Modell-Eisenbahn. Die dominante Farbe ist grün, da fast alle Szenen vor so genannten Green-Screens gedreht und die Hintergründe erst im Nachhinein eingesetzt wurden.

Dann ist König Kong selbst an der Reihe. Klick! Plötzlich ist er nur noch ein Knochengerüst. Klick-klick! Jetzt sieht er immerhin aus wie Kojak. Klick-klick-klick! Nun hat er endlich seine Körper-Behaarung, die beliebig verlängert und verkürzt werden kann. Beim Dreh wurde Kong von einem völlig blau gekleideten Mimen namens Andy Serkis vertreten, der auch schon den Gollum in Peter Jacksons "Herr der Ringe" gab. Nach den seit Jahren gezeigten Making-Of-Aufnahmen zu urteilen, hat Serkis den größten Teil seiner Schauspielkarriere im Bluescreen-Ganzkörperkondom verbracht. An diesem Anzug und in seinem Gesicht sind Dutzende kleiner Sensoren befestigt, die jede Mimikregung und Körperbewegung eins zu eins auf ein Computermodell übertragen. Am Ende steht der perfekte XXL-Primat - grob vereinfacht natürlich.

Alles Knete? Von wegen!

Die letzten Illusionen werden den FMX-Besucher geraubt, als der Computer-Animator von "Wallace und Gromit" seinen Auftritt hat. Computer-Animator? Von "Wallace und Gromit"? Ganz richtig. Selbst bei dem scheinbar handgemachten Spielfilm vom vergangenen Jahr haben es die Zuschauer immer wieder mit digitalen Kreaturen zu tun: Die kleinen "Bunny Rabbits", die durch den Film schweben, sie bestehen lediglich aus Bits und Bytes. Inklusive ihrer vorgetäuschten Knet-Unebenheiten. Es ist ein falsches Spiel, das die Computerzauberer mit ihrem Publikum treiben.

Bei soviel perfekt manipulierten Bildern kommt man am Ende auf allerlei Ideen: Angela Merkels Schweißflecken in Bayreuth - waren sie echt? Heide Simonis - tanzt sie wirklich so grottenschlecht? Michael Jackson - hat er wirklich primatengroße Nasenlöcher? Vielleicht werden bei der nächsten FMX Geheimnisse gelüftet, die die Welt in weitaus mehr Erstaunen versetzen als ein Riesengorilla.

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