SCHEIBE Online-Sex ist voll öde

Letztens lief wieder eine dieser Trend-Meldungen über den Ticker: Online-Sex ist out, die Leute beschäftigten sich wieder mehr mit dem Shopping im Internet. Aber klar doch. Das ist so realistisch wie der Weltfrieden. Dabei weiß ich ganz genau - es gibt tatsächlich nichts Öderes als Online-Sex.

Letztens lief wieder eine dieser Trend-Meldungen über den Ticker: Online-Sex ist out, die Leute würden sich wieder mehr mit dem Shopping im Internet beschäftigen. Aber klar doch. Das ist in etwa so realistisch wie der Weltfrieden. Dabei weiß ich ganz genau - es gibt tatsächlich nichts Öderes als Online-Sex.

Für alle Zeiten auf- und abgeklärt

Seit sieben oder acht Jahren bin ich im Dienst von Magazinen wie HOT CDs, PINK oder »Online Today« unterwegs, um dem virtuellen Sex im Internet nachzuspüren. Keine erotische Variante blieb mir in dieser Zeit verborgen, keine noch so üble Schweinerei blieb unbeachtet. Jetzt bin ich nicht nur für alle Zeiten sexuell auf-, sondern zugleich auch zutiefst abgeklärt: Ich kann keine digitalen Möpse mehr sehen.

Langweiliger Einheitsbrei

Denn, und das ist das Überraschende: Die Sexfront im Web verdient zwar von allen Online-Anbietern das meiste Geld. Sie bietet dafür aber nur absolut fantasielose Einheitsware vom Fließband. Die wirklich guten Erotikseiten mit innovativen Inhalten lassen sich an zwei Fingern abzählen: nerve.com und willy-online.de.

Das Angebot ist riesig, aber das Drumherum törnt ab

Natürlich ist es für die meisten männlichen Objekte auf diesem Planeten eine extrem lustvolle und hormontrunkene Angelegenheit, Sexfotos aller Art per Mausklick auf den eigenen Bildschirm zu holen - und das auch noch so anonym, dass es niemand bemerkt. Sie stehen auf schlanke Frauen in weißen Strumpfhosen? Kein Problem, das Netz kann liefern. Es sollen Gothic-Maso-Sado-Bilder mit glatzköpfigen Transvestiten sein? Hier muss man schon länger suchen, wird letztlich aber doch noch bedient. Keine Frage: Das Sex-Angebot ist riesig und extrem extravagant. Das Drumherum ist aber einfach nur abtörnend.

Da niemand Lust darauf hat, im Internet Geld auszugeben, sind die »kostenfreien« Sexseiten die Publikumsmagnete Nummer eins. Zahlreiche Linklisten in Sachen Sex stellen Tausende von Adressen zusammen, die alle ins kostenfreie Glück weisen. Leider darf ich die besten nicht nennen. Deren Server stehen zwar im Ausland, sie wurden aber trotzdem von deutschen Behörden indiziert.

Bannerterror

Die kostenfreien Bildersammlungen sind immer gleich aufgebaut: Der Besucher wird zunächst von einer Fülle animierter Sex-Werbebanner erschlagen, auf deren winzigen Bildchen so kräftig gerammelt, geknetet und ejakuliert wird, dass es (k)eine Freude ist. Zwischen den Bannern sind erste Erotikbilder zu sehen. Wer sie anklickt, wird aber gleichermaßen entführt - auf die Bezahlseiten kostenpflichtiger Angebote. Inmitten der Rammelorgie ist dann írgendwo ein unscheinbarer Link auf die ursprünglich angebotene Bildergalerie zu finden. Die versammelt dann im Schnitt 10 bis 30 Gratis-Fotos zum vorgegebenen Thema - fertig. Wer diese Bilder lüstern anklickt, wundert sich über die meist miserable Bildqualität. Damit es schnell geht, wurden die Sexfotos nämlich auf 20 bis 50 Kilobyte heruntergerechnet. Richtig »scharf« wirken sie aber erst ab 100 Kilobyte.

Es lockt die Probe-Mitgliedschaft

Findige Sexisten und Online-Experten besuchen deswegen lieber gleich die einschlägigen Sexclubs im Netz. Am besten die amerikanischen, die am meisten Leistung für etwa 30 Dollar im Monat bieten. Diese Clubs locken den Geizkragen am Bildschirm mit einer Probe-Mitgliedschaft, die oft nur zwei, drei Tage anhält. Liebend gerne füttern die Onliner die Formulare dieser Anbieter mit ihrem Namen und den Daten der Kreditkarte - natürlich nur - denken sie -, um so ihr Alter nachzuweisen und eine Nacht lang hoch auflösende Sexbilder auf die Festplatte zu schaufeln. Was sie aber nicht wissen oder gerne überlesen: Nach Ablauf der Probezeit geht der Anwender automatisch eine »echte« Mitgliedschaft ein. Und das kostet. Viele Surfer haben es bereits geschafft, in einer Nacht gleich in mehreren Clubs Probe-Mitglied zu werden, weil's doch so schön ist. Wenn dann Wochen später die Kreditkartenabrechnung kommt, wissen sie aber nicht mehr so ganz genau, wo im Netz sie gesexelt haben, und wo sie eine Kündigung der Mitgliedschaft aussprechen können. Auf den Kreditkartenabrechnungen steht dann dummerweise nur ein unverständliches Buchstabenkürzel in der Zeile des Abbuchers. Ist eine Telefonnummer mit angegeben, verweist sie oft nur auf eine gebührenpflichtige Sextelefonnummer - irgendwo in den Staaten. Haha, da wurde der Anwender gleich noch einmal hereingelegt und abgezockt.

Also: Schuster, bleib bei deinen Leisten, und besuche am besten nur deutsche Sex-Clubs. Hier wird man nur zu gerne dazu verleitet, sich mit einer »kostenfreien Zugangs-Software« einzudecken. Klar, die Software selbst ist kostenfrei - nicht aber der von diesen Dialern vermittelte Online-Zugang. Im Schnitt wird das Sex-Surfen mit 1,86 Euro in der Minute abgerechnet. Viele vom virtuellen Sex angefixten Surfer ist das Geld zunächst völlig egal. Sie installieren den Dialer, um sich mal eben nur zur Probe eine Striptease-Live-Show reinzuziehen. Doch wie groß ist die Enttäuschung: Bis das Bild in der Größe einer Zigarettenschachtel endlich aufgebaut ist, vergehen nicht selten die ersten zehn Minuten. 18,60 Euro sind also bereits futsch, bevor die Show beginnt. Das merkt der Anwender aber nicht, weil er die Kosten ja erst auf der nächsten Telefonrechnung präsentiert bekommt. Die Mädels in den Strip-Kabinen sind zu Beginn einer Show oft noch angezogen. Bis da der letzte Schlüpfer fällt, vergeht viel Zeit - oft bis zu einer halben Stunde. Die Mädels wissen, wie sie die Besucher bei der Stange halten und die Zeit dehnen wie Kaugummi. Am Ende ist dann doch nix Aufregendes passiert in der Pixelwüste, die sich Live-Übertragung schimpft. Aber 100 Euro sind weg. Offliner behaupten, dafür hätten sie in einer echten Peepshow mehr Spaß haben können.

Mit uns kann man es ja machen

Was bleibt: Es gibt wunderschön ästhetische Seiten von Hobby-Fotografen, die einen Besuch ebenso lohnen wie die Homepages von netten Webcam-Girls, die sich nur zum Vergnügen vor die Kamera stellen. Diese wenigen Seiten geben aber rettungslos unter bei all den Millionen 08/15-Sexseiten, die einzig und allein darauf aus sind, den Besucher abzuzocken und »auszuziehen«. Aber mit uns dummen Männern kann man es ja machen.

Carsten Scheibe

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