Nanu, was ist denn hier los? Noch in Sichtnähe des Berliner Messegeländes unter dem Funkturm bekomme ich einen Parkplatz, noch dazu einen kostenlosen. Ich darf hier zwar nur zwei Stunden lang stehen, aber ich drehe die Parkscheibe ein bisschen vor, sodass es zweieinhalb Stunden werden. Mit ein bisschen Glück spare ich mir das Knöllchen von der Polizei.
Stell dir vor, es ist Ifa - und niemand geht hin?
Ohne Probleme komme ich mit meinem Presse-Schild auf das Messegelände - und staune. Die Gänge sind noch völlig leer, kaum jemand ist am Eröffnungstag zu sehen. Nun, das macht das Flanieren durch die Messehallen umso komfortabler. Wahrscheinlich füllen sich die Hallen erst zum Feierabend hin, wenn die technikbegeisterten Berliner auf das Gelände stürmen. Bis dahin sind es wir Journalisten und jede Menge Fachhändler, die sich die Neuheiten anschauen.
Ich bin erstaunt, die ganze Messe ist entrümpelt. Es gibt nicht mehr überall Stände mit Helium-Luftballons, lustigen Goodies und lautstarken Gewinnspielen. Es laufen auch nicht mehr so viele nur zart bekleidete Hostessen herum, die Werbung für die eine oder andere große Firma machen. Die neue Ifa präsentiert sich weniger marktschreierisch als üblich und erscheint stattdessen nobel, gediegen und teuer. Klarer Fall: Hier möchte man gezielt das Publikum ansprechen, das von Hartz IV noch nichts gehört hat und das außerdem das nötige Kleingeld hat, um das eigene Wohnzimmer so richtig nach Strich und Faden aufzurüsten.
Das nötige Kleingeld wird denn auch dringend benötigt, um die riesigen LCD- und Plasmafernseher zu kaufen, die ganze Hallenwände füllen. Mein Sohn Linus (8) hätte sich das bestimmt auch ganz gerne angesehen. In jeder Halle auf der Messe gibt es irgendwo ein Heimkinosystem, das aufzeigt, wie viel Krach man auf wenigen Quadratmetern machen kann, wenn man den "Herrn der Ringe", "I Robot" oder einen anderen Actionfetzen bei aufgedrehten Boxen auf den Flachbildschirm wirft. Da hätte er endlich einmal all die für ihn ansonsten verbotenen Filme anschauen können. Aber das würde dann wohl doch nur Fragen aufwerfen, warum wir denn so einen tollen Fernseher nicht zu Hause haben. Nun, 17.000 Euro haben wir nun auch nicht gerade in der Portokasse herumliegen. Da muss der Papa aber viele Kolumnen schreiben.
Dieses Mal nicht nur Fernseher
Positiv fällt auf, dass die ultraflachen Fernseher dieses Mal nicht die ganze Messe dominieren. Nein, es gibt auch noch winzige Handys mit hochauflösenden Monitoren, winzige Digitalkameras mit zig Megapixeln, winzige tragbare DVD-Player, winzige MP3-Player in allen Formen und Farben und diverse Heimkinokomplettsysteme. Letztere sind dann nicht winzig, dafür aber kabellos und besonders chic designt. Ermüdend ist dann aber doch, dass alle großen Firmen exakt die gleiche Produktpalette haben, die auf riesigen Ständen präsentiert wird. Nach fünf Hallen weiß ich schon nicht mehr, ob nun Samsung oder LG den größten LCD-Fernseher der Welt ausstellen. Ich bin mir aber fast sicher, dass ich den Spruch bei beiden Firmen gleichermaßen gelesen habe. Nun, sollen sie doch untereinander streiten, wer den Längsten hat. Leisten kann sich diese Monsterfernseher ja doch noch niemand.
Eingepfercht im den Katakomben
Am meisten Spaß habe ich dieses Mal in den unterirdischen Katakomben, wo die internationalen Aussteller anzutreffen sind. Hier buhlen die Chinesen, Taiwanesen und Süd-Koreaner um neue Geschäftskontakte. Die Firmen heißen hier alle irgendwie ähnlich, sitzen in einer winzigen Wabe der Marke Quadratisch-praktisch-gut und haben alle den identischen roten Pappkasten auf dem Infotisch zu stehen, in den man seine Visitenkarte hineinwerfen kann. Die Hersteller aus Fernost bieten ebenfalls Bildschirme, Kameras, MP3-Player und anderes technische Gedöns an. Bei ihnen ist aber alles ein wenig bunter, flippiger und kreativer. Allein die vielen hundert angebotenen USB-Sticks sehen so crazy aus, dass ich sie am liebsten alle selbst kaufen möchte. Zu Hause würde ich sie dann in eine Glasschale legen, wie Bonbons. Das wäre dann moderne Kunst gewesen.
Apropos Kunst. Der einzige Aussteller, der sich wirklich vom Rest der Bande abhebt, ist Sony. Der Konzern belegt eine ganze Halle nur für sich. Rings um den Aufstellungsbereich herum flattern schwarze Stoffbahnen von der Decke und verhüllen fast vollständig den Blick auf die Sony-Neuheiten. Wer von den Licht- und Soundsignalen hinter den halbtransparenten Bahnen neugierig gemacht wird, tastet sich durch das ungewohnte Labyrinth und dringt dabei in verschiedene kleine Zellen vor, die alle anders gestaltet sind. Da gibt es in einem Raum futuristische Leuchttische mit animierten Bildershows in der Waagerechten, über denen völlig anachronistisch klassische Kronleuchter hängen. In einem anderen Raum werden die Bilder direkt auf die wirbelnden Stoffbahnen projiziert, während Kissen auf dem Boden zum Ausruhen im Liegen einladen. Das ist mutig, das ist frisch, das kommt an. Nur weiß ich vor lauter Staunen bereits eine Halle später nicht mehr, was Sony da eigentlich gezeigt hat. Wahrscheinlich auch Fernseher, MP3-Player und Heimkinosysteme. Wie alle anderen auch.
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Luft in Tüten
Naja, wenigstens beim ZDF wird noch geprotzt. Oliver Pocher steht gut gelaunt auf der riesigen Bühne und soll grüne Fußballboxen aus Pappe unter das staunende Volk bringen. Dabei begeht er den Fehler, in das Geschenk hineinzuschauen - und sucht sofort verzweifelt nach einem Inhalt, der es denn wert wäre, dafür den klobigen Karton mit sich zu schleppen. Aber das mit der Verpackung ohne Inhalt scheint generell ein großes Messeproblem zu sein. Da treffe ich auf einen Kollegen, der an jedem großen Stand eine der aushängenden Papptüten mitgenommen hat - nur um nach einer ganzen Runde ums Messegelände herum festzustellen, dass sie völlig leer sind. Die Informationen zum jeweiligen Hersteller hätte man sich selbst in die Tüte legen müssen.
Nach einer Runde bin ich auch fertig - sowohl mit der Messe als auch körperlich und sogar geistig. Zum Glück habe ich gut gefrühstückt. So kann ich den vielen Gastronomieständen entkommen, die dieses Mal definitiv in jedem einzelnen Zwischengang zu finden sind. Neben der klassischen Bockwurst entdecke ich immer mehr Asiaten, die lautstark Werbung für ihre Hühnerpfanne süß-sauer machen. Schade: In Berlin hätte ich mir mehr klassische Currywurst-Buden gewünscht. Ein wenig mehr Tradition würde auch der Messe gut tun.
Am Ende bin ich froh, der Messe doch wieder für zwei Jahre zu entkommen. Ich schlage mich zum Sommergarten im Zentrum des Messegeländes durch. Da haben findige Leute im Freien urige Biertische aufgestellt und Bier gezapft. Ja, so lässt es sich perfekt über den neuen Funk nachsinnieren: In der warmen Sonne bei einem schönen kalten Glas Bier. Sicherlich ist Oliver Pocher auch schon geflüchtet.
Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania