Punkt Neujahr gibt es zunächst ein Küsschen für die Frau, dann kommt von den Freunden auch schon die große Frage: "Und? Hast du neue Vorsätze gefasst?" Nein, eigentlich nicht. Mit dem Rauchen habe ich schon vor Jahren aufgehört, und seit einem halben Jahr mache ich auch endlich wieder Sport, sodass eigentlich nichts mehr auf meiner persönlichen ToDo-Liste steht. Sachen wie Gesundheit, ausreichend Arbeit und das persönliche Glück lassen sich ja leider nicht beeinflussen. Da ich aber den ganzen Tag mit dem Computer zu tun habe, beschließe ich, in dieser Hinsicht neue Vorsätze zu fassen.
1. Keine Un-CDs mehr kaufen
Immer mehr Audio-CDs sind mit einem Kopierschutz versehen. Der verhindert, dass ich die legal gekauften CDs in meinem DVD-Player abspielen kann. Dieses Gerät ist aber inzwischen das einzige Gerät im Wohnzimmer, das dazu in der Lage ist, die Musik-CDs zu erkennen und wiederzugeben. Sämtliche "normalen" CD-Player im Haus haben wir längst ausgemistet. Nur Sohnemann Linus hat noch einen Kinder-Ghettoblaster, der CDs futtert. Muss ich jetzt als Kunde, der aus Überzeugung keine Raubkopien brennt, sondern stattdessen viel Geld für das Original ausgibt, mit diesen kindischen Beschränkungen leben? Auch am PC lassen sich manche CDs nicht mehr abspielen - oder wenn, dann nur mit einem mir aufgezwungenen Player. Im CD-Player des Autos gibt es auch Probleme. Ich beschließe hiermit feierlich: Ich kaufe ab sofort keine kopiergeschützten Audio-CDs mehr, dafür ist mir mein Geld zu schade. Dann höre ich lieber Online-Radio.
Auch die DVDs sollen demnächst mit einem Kopierschutz ausgestattet werden, der das Abspielen der Scheiben am PC verhindert. Entschuldigung einmal: Ich kaufe alle meine DVDs und hole mir nicht wie alle Bekannten "Findet Nemo" als Super-Video-CD-Raubkopie. Und das ist der Dank? Ich schaue alle meine DVDs am PC, weil ich da mit meinem 22-Zoll-Monitor das perfekte Bild habe. Wenn das für mich nicht mehr möglich ist, macht es auch keinen Sinn mehr, neue DVDs zu kaufen.
2. Mehr Geld sparen
Die vielen Angebote "jetzt 50 Prozent preiswerter" nach Weihnachten haben mich stutzig gemacht: Anscheinend wurden die Waren vorher 50 Prozent zu teuer verkauft. Ich lasse mich als Kunde nicht länger veräppeln. Kaufe ich jetzt einen neuen Laserdrucker, einen neuen Monitor oder einen Brenner, dann pfeife ich auf Markentreue und fühle mich auch keinem Händler mehr verbunden. Stattdessen nutze ich einen Preisspion, um das billigste Angebot im Internet zu finden. Anschließend schaue ich auch noch bei Ebay nach, ob hier noch jemand unterwegs ist, der ein noch besseres Angebot zu machen hat. Problemlos spare ich Hunderte von Euros ein - oft sind das mehr als 50 Prozent. Und das nicht nur zur Weihnachtszeit. Das Umdrehen jeden Cents bereitet mir überraschend viel Spaß. Ebenso viel Spaß macht es aber auch, in neue Hardware zu investieren, wenn es möglich ist, sie zum Dumpingpreis einzukaufen.
Ich beschließe auch, ausrangierte Spielsachen der Kinder, Klamotten, alte VHS-Kassetten und Teile meiner Comicsammlung nicht mehr länger zu verschenken, sondern stattdessen bei Ebay einzustellen. Erste Auktionen zeigen, dass es möglich ist, fast den Neupreis der Waren zu erzielen. Meine Oma, die jahrzehntelang Haushaltsbuch führte, wäre stolz auf mich.
3. Keinen Spamfilter installieren
Ich habe auf meinem System noch keinen Spamfilter installiert. Ich empfinde es als eine angenehme Form der Unterhaltung, wenn ich mit den diversen und oft sehr kuriosen Werbebotschaften beschossen werde. Ich habe jetzt schon 50 verschiedene Briefe aus Afrika, die mir anbieten, gegen anständige Provision dabei mitzuhelfen, Millionen Dollar außer Landes zu schaffen. Ich habe auch schon zehnmal Millionenbeträge in ausländischen Lotterien gewonnen, ohne jemals mitgemacht zu haben. Ich könnte mir meinen Penis dank der vielen Angebote so sehr verlängern lassen, dass ich damit problemlos den Mond bewässern könnte. Nebenbei werde ich immer wieder von schönen Frauen angesprochen, die mich gar nicht kennen, aber trotzdem hemmungslosen Sex mit mir haben möchten. Mein Gott, das ist gut fürs Selbstbewusstsein, ich bin ja schließlich auch kein junger Hüpfer mehr, dem sich die frisch der Pubertät entwachsenen Bräute an die behaarte Brust werfen.
Noch halten sich die Spam-Mails in Grenzen, sodass man sie kurz lesen und dann sofort wieder löschen kann. Sobald es mit den Mails überhand nimmt, müsste ich einen Spamfilter installieren. Das möchte ich aber nicht. Auch weil ich es nicht leiden kann, wenn meine Mails beim Empfänger automatisch gelöscht werden, nur weil ein dort vorhandenes Filtersystem zu blöd ist, meine Mails als einzigartig und nicht-werbend zu erkennen.
4. Mehr Zeit für mich
Ich muss wegkommen von diesem ständigen Surfen im Internet. Natürlich ist es sinnvoll, die Tageszeitung und die TV-Illustrierte abzubestellen, weil man die Infos ja schließlich auch im Netz abrufen kann. Und gratis noch dazu. Ich verbringe aber zu viel Zeit am PC. Abends schaue ich am PC mithilfe der TV-Karte auch noch fern, danach lege ich als Betthupferl eine DVD ins Laufwerk. Ich höre Online-Radio. Alle Medien lassen sich inzwischen über den PC abrufen. Mein Rücken dankt es mir leider nicht. Also ist es mein Vorsatz, die Kiste öfters einmal auszuschalten, den Kamin anzumachen und bei einem prasselnden Feuerchen ein richtiges Buch aus Papier zu lesen. Ich habe noch diverse neue Bestseller, die bei mir im Regal Staub ansetzen. Da ist es an der Zeit, sie endlich abzustauben und angemessen zu würdigen. Mal sehen, ob es klappt. Eine Glosse von Carsten Scheibe, www.typemania.de