Sie haben sowohl für den Film als auch für das Spiel "Cars" die Geschichte geschrieben?
Ja. Zunächst habe ich aber nur die Filmgeschichte entwickelt. Natürlich nicht alleine, sondern in einem großen Autoren-Team. Von einem Spiel wusste ich damals noch nichts. Da ich zuvor Erfahrungen im Spielebereich gesammelt hatte, fragten mich die Produzenten nach einer Weile, ob ich nicht auch die Story des "Cars"-Game mitgestalten wolle...
Sie haben zuvor an Videospielen mitgearbeitet?
Vor 18 Jahren habe ich die erste Geschichte für ein Videospiel geschrieben. Zumeist waren es Adventures, an denen ich mitgearbeitet habe. Spiele wie die "Monkey Island"- oder "Indiana Jones"-Serie.
Was hat sich seit dieser Zeit verändert?
Alles! Das erste Spiel, an dem ich gearbeitet habe, war "Indiana Jones and the Last Crusade", bei Lucasfilm Games. Die Pixel waren aufgrund der damaligen Technik richtig fett. Ein Charakter bestand aus zehn solchen Bildpunkten. Wir haben jeden einzelnen Pixel mit einem rudimentären Grafikprogramm auf dem Bildschirm platzieren müssen. Und das für jede Animation und für jede mögliche Spielszene. Eine Heidenarbeit war das. Noch schwieriger: Wir konnten nur einen kleinen Ausschnitt eines Spielabschnitts animieren. Und doch sollte alles so wirken, als würden ein Dutzend verschiedener Dinge gleichzeitig auf dem Bildschirm abgehen.
Heute ist alles anders. Spiele sind mittlerweile riesige Projekte mit enorm hohen Budgets, genau wie Kinofilme. Sie müssen Geschichten erzählen, genau wie die Kinostreifen. Und selbst das technische Handwerkszeug, das bei der Produktion beider Medien genutzt wird, ist nahezu dasselbe. Man denke an die Spezialeffekte der Hollywood-Blockbuster. Diese werden mit denselben Programmen generiert wie Grafikeffekte eines Computerspiels.
Steve Purcell
Steve Purcell entwickelt seit fast 20 Jahren Geschichten für Videospiele und Filme. Zudem hat er mit Sam und Max zwei der bekanntesten Figuren der Videospielgeschichte entworfen. Eine entsprechende Comic-Serie wurde für den amerikanischen Sender Fox Kids produziert.
An folgenden Spielen war Purcell beteiligt:
- "Cars" (2006)
- "New Legends" (2002)
- "Star Wars: DroidWorks" (1998)
- "The Curse of Monkey Island" (1997)
- "Herc's Adventures" (1997)
- "Mortimer & the Riddles of the Medallion" (1996)
- "The Horde" (1994)
- "Sam & Max Hit the Road" (1993)
- "Zombies Ate My Neighbors" (1993)
- "Monkey Island 2" (1991)
- "Loom" (1990)
- "The Secret of Monkey Island" (1990)
- "Indiana Jones and The Last Crusade" (1989)
Hat die enge Verwandschaft beider Branchen zu ihrem Wechsel in die Filmindustrie geführt?
Ja und nein. Das war kein direkter Weg. Eigentlich hatte ich zunächst nicht daran gedacht, um offen zu sein. Der Wechsel verlief eher schrittweise. Durch meine Arbeit bei LucasArts hatte ich die Chance an einer TV-Serie mitzuwirken, deren Hauptfiguren ich zuvor für ein Videospiel entworfen hatte: Sam und Max. So entstand meine Leidenschaft für das Filmgeschäft. Ich wechselte dann zur Firma Industrial Light & Magic, die damals gerade bekannt wurde für die Entwicklung aufwändiger Film-Spezialeffekte. Dort arbeitete ich als Autor und schrieb die Geschichte zu "Frankenstein", einem Film, der in Zusammenarbeit mit Universal entstehen sollte. Leider wurde der Streifen nie fertig gestellt. Aber ich hatte meinen Fuß fest in der Filmbranche. So eröffnete sich mir auch die Möglichkeit bei Pixar zu arbeiten.
Sehen Sie auch Unterschiede zwischen beiden Branchen?
Meiner Meinung nach gibt es keine bedeutenden Unterschiede. In beiden Branchen zählen Teamwork und Kreativität. Im Filmbereich sind die Budgets vielleicht noch etwas größer. Jedoch sind die Entwicklungszeiten und der Aufwand auch deutlich höher.
Zurück zu "Cars": Worin lagen war die größten Herausforderungen im Entwicklungsprozess von Film und Spiel?
Beim Film lagen die Herausforderungen vor allem im Bereich der visuellen Aufbereitung. Es mussten glaubwürdige Figuren am Computer erschaffen werden. Die Schwierigkeit dabei war, dass Autos natürlich keine lebendigen Wesen sind. Wir mussten einen Weg finden, ihnen menschliche Züge zu verleihen, mithilfe der entsprechenden Mimik und Gestik. Die Autos müssen Gefühle rüberbringen, mit ihren Lampen und Stoßfängern. Die Zuschauer im Kino sollten vergessen, dass sie Autos anschauen.
Die Arbeiten am Spiel verliefen relativ problemlos, da wir frühzeitig Einblick in die Filmgeschichte hatten und die technische Vorarbeit bereits bei der Entwicklung des Streifens geleistet hatten.
Sind die beiden Geschichten deckungsgleich?
Nein, das Spiel ist keine 1:1-Umsetzung des Filmes. Die Geschichte des virtuellen Abenteuers schließt an die Handlung des Kinostreifens an. Somit sind Kinogängern bereits die meisten der Protagonisten und viele der Szenarien bekannt. Eine interessante Komponente stellen die vielen neuen Spielfiguren dar, die wir in das Game eingebaut haben. Wir wollten die Welt des Filmes erweitern, um Fans einen Mehrwert zu bieten.
Spiele mit zugkräftigen Lizenzen sind meistens schlecht. Warum?
Spieleentwickler, die ein Game zu einem Film programmieren, haben vor allem ein Problem: den Kampf gegen die Zeit. Irgendwie muss die Geschichte eines Streifens in wenigen Monaten in eine Game-Engine gepresst werden. Schließlich soll das Spiel pünktlich zum Kinostart in den Regalen der Kaufhäuser liegen. Und wenn sich die Geschichte im Verlauf der Dreharbeiten verändert, wird's eng.
Dieses Problem hatten wir im Fall von "Cars" nicht. Das Videospiel-Team wurde extrem früh in den Entwicklungsprozess des Filmes miteinbezogen. So konnten sogar Ideen, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr in den Film passten, im Spiel realisiert werden.