"Macht doch!", "Dann geh halt, Mark!", "Bitte Whatsapp nicht vergessen." – vermutlich hatte man sich die Reaktionen auf die Drohung, Facebook und Instagram in Europa abzuschalten, bei Meta anders vorgestellt. In einem Schreiben an die amerikanische Börsenaufsicht SEC steht (vereinfacht) nämlich genau das: "Wenn wir Daten zwischen Europa und den Vereinigeten Staaten nicht austauschen können, werden wir wahrscheinlich nicht in der Lage sein, Facebook und Instagram in Europa anzubieten." Letztlich handelt es sich dabei wohl um einen offensichtlichen und verzweifelten Bluff.
Meta dürfte es vor allem darum gehen, Umsätze zu retten. Nach mehreren Gerichtsentscheidungen droht Europa, Zuckerbergs Datenstaubsauger abzuschalten. Das gefährdet Metas Kerngeschäft: Daten europäischer Nutzer:innen sollen dann nicht oder nur noch sehr eingeschränkt auf Server in den USA übertragen werden dürfen. Es gilt, diese Reform zu verhindern.
Meta kämpft um ewiges Wachstum
Denn: Der Konzern lebt davon, Nutzerdaten bis auf das kleinste Detail auszuwerten und auf dieser Basis perfekt zugeschnittene Werbung auszuspielen. Diese Präzision lässt sich Meta entsprechend bezahlen. Könnte man seinen Werbekunden das aber nicht mehr versprechen, würden die Preise purzeln. Und damit auch der Gewinn. Wie das in konkreten Zahlen aussehen kann, war zuletzt im Hinblick auf Änderungen bei Apple-Geräten nachzulesen. Dadurch, dass Apps wie Facebook standardmäßig keinen Zugriff mehr auf das Datenbuffet der Anwender:innen haben, gingen Meta bereits rund zehn Milliarden Dollar durch die Lappen.
Der Zeitpunkt ist außerdem gleich doppelt schlecht: Wie kaum eine andere Firma setzte Meta in seiner Geschichte immer auch darauf, in einem schier endlosen Wachstum stets neue Nutzer erreichen zu können. Das ist nun wohl vorbei. Zum ersten Mal musste Meta vergangene Woche einen Rückgang seiner täglichen Nutzer vermelden und büßte innerhalb weniger Stunden am Aktienmarkt ein Viertel seines Wertes ein. Einen Verlust von ganz Europa kann sich Zuckerberg nicht auch noch leisten.
Europäer sind für Meta sehr wertvoll
Der Blick auf die Zahlen: Jeden Tag nutzen 2,82 Milliarden Menschen Meta-Produkte, verteilt über sämtliche Plattformen, also Facebook, Instagram und Whatsapp. Auf Facebook entfallen dabei 1,93 Milliarden Personen, bei Instagram sind es um die 500 Millionen tägliche Besucher:innen. In Europa geht man von rund 300 Millionen täglichen Facebook-Besuchen aus. Vereinfacht: Mindestens 15 Prozent der täglichen Nutzer:innen stammen aus Europa, der Anteil der Personen, die mindestens einmal im Monat auf Facebook oder Instagram zugreifen, dürfte ähnlich hoch oder höher sein. Europa ist damit einer der wichtigsten Märkte für Meta.
Und das nicht nur, was die Zahl der Nutzer betrifft, sondern auch deren Wert. Laut Statistik aus dem viertel Quartal 2021 liegt der durchschnittliche Umsatz pro Meta-Europäer bei 19,68 Dollar. Der weltweite Durchschnitt beträgt 11,57 Dollar, Amerikaner und Kanadier liegen mit 60,57 Dollar weit vorne. Den dritten Platz sichert sich die Region Asien-Pazifik mit 4,89 Dollar, der Rest der Welt bringt es zusammen auf einen Schnitt von 3,43 Dollar. Das bedeutet, dass Europa nach Nordamerika für Meta die wertvollste Region ist, wenn es um nackte Umsätze geht. Denn ein Viertel der Summe stammt aus Europa.
Was will Meta erreichen?
Der erdrutschartige Kursverlust der vergangenen Woche wäre wohl ein Kindergeburtstag gegen das, was der Aktie bei einem Meta-Rückzug aus Europa bevorstünde. Denn selbst von einem neutralen Standpunkt aus betrachtet, haben die Europäer sämtliche Asse im Ärmel. Sollte sich Meta nicht anpassen, verliert der Konzern am meisten.
Meta setzt daher mit diesem Bluff auf mehreren Ebenen an: Vielleicht gelingt es, dem Parlament Angst vor dem Verlust zahlreicher Arbeitsplätze zu machen. Oder vor einer Schwächung der Wirtschaft, da kleinere Unternehmen, deren Geschäft auf Meta-Plattformen stattfindet, den Kontakt zu ihren Kunden verlieren würden.

Oder macht der mögliche Rauswurf aus dem Metaverse schon Angst? Vielleicht bekommt Europa ja kalte Füße, wenn der Anschluss an die (nach Vorstellung von Meta) nächste Internet-Generation in Gefahr ist, auch wenn konkrete Anwendungsbeispiele bislang fehlen.
Die Mistgabeln bleiben wohl zu Hause
Meta kann nur hoffen, dass diese düster-gezeichneten Aussichten in Brüssel überzeugen, wenn es darum geht, wie Datenschutz in Europa künftig auszusehen hat. Einen Protestzug empörter Nutzer:innen vor das Parlament sollten Mark Zuckerberg und Co. sich hingegen aber nicht erhoffen – in den sozialen Netzwerken, auch in seinen, stößt die Drohung ausschließlich auf Gelächter und Spott.
Insgesamt sieht es so aus, als bräuchte Meta die Europäer deutlich dringender, als die die Produkte von Meta brauchen. Mehr als ein Bluff dürfte hinter der Drohung somit nicht stecken. Sonst dürfte die Hiobsbotschaft der vergangenen Woche nur der Anfang gewesen sein.
Und wer weiß: Vielleicht wäre der Rückzug von Meta ein Startschuss für alternative soziale Netzwerke aus Europa. Diese könnten dann erst im heimischen Markt frei von Konkurrenz zu wachsen und später Märkte ins Visier zu nehmen, in denen Meta ebenfalls aktiv ist.
Quellen: Meta (PDF), Meta [2], Statista [1], Allfacebook, Statista [2], Meta [3], Meta [4], New York Times, Meta [5]