Das erste Bild, das mir mein neues Fernsehen zeigt, ist ein Mosaik von Roland Koch. In der Bewegung erstarrt, löst sich Hessens Ministerpräsident in bunte Klötzchen auf. Ich schalte um. Doch den anderen Sendern geht es ähnlich: Stillstand auf der Mattscheibe, Stille in den Lautsprechern - meine Zukunft hat technische Probleme.
Das Fernsehbild, das ich gerade leider nicht sehe, kommt nämlich aus dem Internet. IPTV heißt das, und es geht da nicht um Mini-Videos wie bei "Youtube", sondern um echtes Fernsehen auf meiner "Glotze". Das will ich ausprobieren, und bislang war alles ganz einfach. Ich habe einen Vertrag bei "Alice" unterschrieben, einem der drei Anbieter von IPTV (siehe Kasten), und ein paar Tage später habe ich mein neues Modem für den schnellen DSL-Zugang an die Telefonleitung angeschlossen und über eine Set-Top-Box mit dem Fernseher verbunden. Dann kommt das Startbild des Anbieters. Und ein Menü, das mir zeigt, was ich auf der Fernbedienung drücken muss. Grüner Knopf: Radio. Movie-Knopf: Online- Videothek. Simpel. Der rot-weiße Knopf startet IPTV: das Standbild von Roland Koch. Die Hotline sagt, am Problem werde gearbeitet.
So kommt Internet-Fernsehen zu Ihnen nach Hause
Voraussetzung für "Alice Home TV" ist ein DSL-Anschluss von "Alice" (ab 14,90 € im Monat), das IPTV-Basispaket mit 60 Sendern kostet 9,90 €/Monat (Einrichtungspreis 49,90 €), die Set-Top-Box ist inbegriffen, hat aber keine Festplatte für Aufnahmen oder zeitversetztes Fernsehen. EPG inklusive. Online-Videothek: 1200 Filme für 0,90 € bis 5,90 €/24h. Zusatzangebot: "Türk Premium" (Fußball und Unterhaltung auf Türkisch für 22,90 €/ Monat). Bis 31. März spezielle Konditionen. www.alice-dsl.de
Immerhin beeinflusst die Störung nicht die Online-Videothek: 1200 Filme warten auf mich. Das Spartaner-Gekloppe "300" kenne ich schon, das ist mir keine 4,90 Euro wert. Vielleicht ein Konzert von Miles Davis (3,90 Euro)? Oder eine Dokumentation über Muhammad Ali? Kostet 1,90 Euro, ebenso wie "Landmaus und Stadtmaus" in der Kinderecke. Ich wähle "Ocean's 13" (3,90 Euro), und der Film startet sofort, ohne spürbare Ladezeiten für die Daten aus dem Netz. Die Bildqualität entspricht der einer DVD. Ich halte den Film an, lasse ihn weiterlaufen, spule vor und zurück. Nach Ablauf der Mietzeit von 24 Stunden muss ich ihn nirgends abgeben. Sehr gut.
Nur das Umschalten dauert länger
Tags drauf sind die Störungen behoben, 92 TV-Sender wollen erkundet werden: ARD. Zapp. ZDF. Zapp. RTL. Zapp, zapp, zapp. Das Fernsehbild ist klarer und schärfer als beim analogen Kabel-TV. Abgesehen von seltenen Rucklern und Klötzchen spüre ich nicht, dass die Bilder über das Internet kommen, nur das Umschalten dauert länger. Sogar wenn mein PC über dieselbe Leitung eine große Datei aus dem Netz lädt und ich auch noch telefoniere, bricht das TV-Bild nicht zusammen.
Wer "Arcor-Digital TV" sehen möchte, benötigt ein DSL-Paket von Arcor (ab 24,95 €/Monat) und eine Arcor-Set-Top-Box (inkl. Festplattenrekorder, 49,95 € plus Versandkosten). Der Einrichtungspreis beträgt 49,95 €. Das Basisangebot mit 50 Sendern kostet 9,95 €/Monat, der Elektronische Programmführer (EPG) enthält Empfehlungen der Zeitschrift "TV Movie". Online-Videothek: 500 Filme ab 1,49 € für 24 Stunden. Besondere Zusatzangebote: "Cosmo Global" (11 weitere Programme zu Lifestyle, Fashion, Wellness für 5,95 € / Mon.), "Sport & Male" (6 Programme mit Sport und Erotik, 5,95 €/Mon.). Nicht alle Sender ermöglichen zeitversetztes Fernsehen. www.arcor.de
Meine kleine Fernsehreise führt mich zunächst durch weitere 57 Sender, die im Grundpreis von 9,90 Euro monatlich enthalten sind. GEZ-Gebühren muss ich natürlich weiter zahlen. Es sind vor allem Digital-Ableger der Öffentlich-Rechtlichen. Bei "ZDF Doku" läuft eine Hommage an den Schriftsteller Henning Mankell. Auf "BR Alpha" wird über Astrophysik doziert. Sprachlos machen mich Sender wie "Bahn TV", "Astro TV" und "Gems TV". 24 Stunden Vollprogramm nur mit Eisenbahnen, Wahrsagerei und Schmuck.
Weitere Perlen finde ich im Paket "Big Entertainment": noch 32 Sender für 14,90 Euro monatlich. Ich schaue schönen Menschen beim Vorturnen zu ("Body in Balance"), überspringe Autos ("Motors TV"), Segelschiffe ("Sailing Channel"), Weinflaschen ("Wine TV"), bevor ich bei "C Music" etwas dazulerne: Es gibt Videoclips für klassische Musik! Weitergezappt: BBC, "National Geographic Channel", "History Channel", und elf Film- und Seriensender, auf denen nur Wiederholungen laufen.
Internet-Fernsehen per "T-Home Entertain" kommt in zwei Paketen: "Comfort" und "Comfort Plus". Beide Pakete beeinhalten einen DSL-Anschluss, eine Telefon-Flatrate sowie 70 Sender, zeitversetztes Fernsehen ist möglich. "Comfort" kostet 59,95 € pro Monat, "Comfort Plus" kostet 74,95 € im Monat, dafür kommen zwei Live-Spiele der Fußballbundesliga und 30 weitere Sender ins Haus. Set-Top-Box: T-Home-Media-Receiver (inkl. Festplattenrekorder), 99,95 € plus Versand. Einrichtungspreis für Neukunden: 59,95 € (kostenlos für Telekom-Kunden). Online-Videothek: 2000 Filme für 0,99 bis 3,99 €/24 Stunden. Zusatzangebote: Bundesliga auf "Premiere" für 9,99 €/Mon. "Premiere"-Pakete einzeln oder als Kombi: 9,99 € im Monat. Für 10 Euro Aufpreis je Paket liefert T-Home die Programme in HD-Auflösung. Mindestvertragslaufzeit: 24 Monate. www.t-home.de
Ein Test noch: Ich schließe meinen Festplattenrekorder an. Denn ich gucke Fernsehen gern als Aufzeichnung. Das Ergebnis ist ernüchternd: 32 Pay-TV-Sender und die Filme aus der Online-Videothek nimmt der Rekorder nicht auf, weil die Sender einen Kopierschutz ausstrahlen. Und um die Basis-Sender aufzuzeichnen, muss ich per Hand das Programm an der Set-Top-Box einstellen. Die Set-Top-Boxen der anderen IPTV-Anbieter T-Home und Arcor haben Festplattenrekorder schon eingebaut. Da muss "Alice" nachziehen.
Mein Fazit: Von den 92 Sendern interessieren mich selbst bei bestem Willen nur 34. Für diese Quote werde ich nicht knapp 25 Euro im Monat ausgeben. Vielleicht behalte ich den Zugang zur Online-Videothek, den es danach auch ohne monatliche Gebühr gibt. Die IPTV-Technik hat den Praxistest bestanden - meine Fernsehgewohnheiten ändert sie nicht.