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Muslimische Satireseite "Noktara" "Wir wollen Muslime selbst für Humor und Satire sensibilisieren"

Noktara
Noktara: Die muslimische Satire-Seite will Nichtgläubigen den Islam mit Humor näher bringen und Muslime lehren, auch mal über sich selbst zu lachen
© Noktara
Natürlich darf man Witze über den Islam machen, sagen Soufian El Khayari und Derya Sami Saydjari. Die beiden sind gläubige Muslime und betreiben eine deutsche Satire-Seite. Auf Noktara.de darf man über Selbstmordattentäter und muslimische Bräuche lachen.

Es ist nicht so, dass die anderen keine Witze über den Islam oder Muslime machen. Doch Soufian El Khayari und Derya Sami Saydjari sind selbst gläubige Muslime, aufgewachsen in Deutschland. Sie betreiben die muslimische Satire-Webseite Noktara. "Nachrichten aus dem Morgenland - schon heute", überschreiben sie ihre Seite, mit der sie radikalen Islamisten die Stirn bieten und gläubigen Muslimen Humor nahebringen wollen. Seit Oktober 2016 ist Noktara online. Nokta heißt Witz, das ra macht aus dem Begriff ein neues, unverbrauchtes Wort, wie die Satiriker sagen. Mit dem stern haben sie über die Grenzen der Satire und die schlechten Erfahrungen gesprochen, die Muslime mit Humor machen mussten.

Es ist ja nicht so, als seien Sie die ersten, die Witze über den Islam und Muslime machen. Was unterscheidet Sie von anderen Künstlern mit dieser Thematik? 

Derya Sami Saydjari: Erst einmal ist die Perspektive natürlich eine andere, wenn Muslime selbst die Witze machen. Das gibt es bisher kaum - und wenn, dann in anderer Form als wir das machen. Die Datteltäter, zum Beispiel, aber die sind eben auf Youtube unterwegs, haben letztes Jahr auch den Webvideopreis bekommen. Aber wir machen das ja in der Nachrichtenform.

Soufian El Khayari: Wir wurden schon öfter "der muslimische 'Postillon'" genannt, aber der "Postillon" behandelt ja alle Themen. Es ist aber nicht nur eine Frage der Perspektive, sondern eben auch der Erfahrung. Wenn man Witze in einem bestimmten Themenfeld macht, muss man sich damit natürlich auch auskennen. Immer nur Scherze zu Burka und Kopftuch oder 72 Jungfrauen im Paradies - das ist natürlich zu flach und sehr schnell ausgeschöpft. Wir selbst bezeichnen das, was wir machen, ja gern als Ethnosatire, wir machen Minderheitencomedy. Selbst Muslime sind ja schließlich keine einheitliche Gruppe, das sieht man ja schon an Sami und mir. Meine Eltern kommen aus Marokko, ich bin in Hessen geboren und aufgewachsen; Samis Vater kommt aus Syrien, die Mutter aus der Türkei, aber er kommt aus dem Schwabenland. Schon wir beide sind also sehr unterschiedlich.

Das Noktara-Team: Soufian El Khayari (links) und Derya Sami Saydjari
Soufian El Khayari (links) und Derya Sami Saydjari
© Sam Khayari

Worum geht es Ihnen mit Noktara? 

Derya Sami Saydjari: Weltherrschaft. 

Soufian El Khayari: Islamisierung der Medien. 

Wen wünscht ihr euch als Leser? 

Derya Sami Saydjari: Na, alle. Weltherrschaft...?! 

Und wer liest euch nun tatsächlich? 

Derya Sami Saydjari: Wenn ich mir die Likes und Beiträge der Leute so anschaue, dann ist das wirklich querbeet, da sind alle möglichen Menschen mit dabei: Muslime, Christen, Atheisten, ...

Soufian El Khayari: Das passt auch ganz zu unserem Slogan: "Gemeinsam lachen für eine bessere Welt". Wir machen ja jetzt auch keine Witze mit komplettem Insiderwissen.

Die Grenzen zwischen Satire und Ernst sind bei Ihnen zum Teil sehr schwierig zu erkennen, etwa im Text "zwölf Dinge, die Muslime niemals sagen würden": Da sind ein paar alberne Aspekte drin, aber auch sehr ernste, wie etwa der Satz "Wenn ich mein Kopftuch ablege, bekomme ich den Job? Wo soll ich unterschreiben?"

Soufian El Khayari: Satire hat ja immer auch einen realen Anteil, da ist immer etwas Ernstes mit dabei. In diesem Artikel sind es aber schon alles Sachen, die wohl wirklich kein gläubiger Muslim sagen würde.

Wollt ihr Menschen belehren? 

Soufian El Khayari: In erster Linie wollen wir unterhalten. Man kann auch mit Satire Inhalte näherbringen. Unser aktueller Artikel, zum Beispiel: "Skandal: Nestlé zapft ZAMZAM-Quelle an": Der klassische Nicht-Muslim kennt die Zazam-Quelle nicht. Dadurch erweitern wir bei dem ein oder anderen sicher auch den Horizont. Vor allem wollen wir aber Muslime selbst mal für Humor und Satire sensibilisieren. Die haben in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht mit Satire, weil sie es eben gewohnt sind, dass sich über den Islam lustig gemacht wird. Wir machen Witze mit dem Islam. Wir betreiben jetzt ja auch keine blasphemische Seite. Wenn ich nen Joke über den IS sehe, dann fühle ich mich als Muslim nicht beleidigt - im Gegenteil. Wenn jemand Hemmungen hat, über einen Witz über den IS zu lachen, dann stimmt wohl was nicht mit dessen Verständnis vom Islam. Welche Waffen hat man denn schon, wenn ein Terroranschlag passiert? 

Worüber darf man keine Witze machen? 

Soufian El Khayari: Man darf über alles Witze machen, wenn man das will, gerade in Deutschland. Es geht natürlich auch um das Wie. Es ist eben die Frage: Bis wann ist es noch lustig und ab wann eine Beleidigung, es gibt ja schließlich auch juristische Grenzen.

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Und worüber macht ihr keine Witze? 

Soufian El Khayari: Über alles, wozu uns einfach nichts einfällt. Und es muss thematisch natürlich schon auch zu Noktara passen. Prinzipiell kann man über alles Witze machen. Wir haben da wenige persönliche Tabus. Nehmen wir etwa mal das rote Tuch: unseren Propheten Mohammed. Kann man einen Joke über ihn machen? Er kommt auch in dem ein oder anderen Beitrag von uns vor, da machen wir eben Witze mit ihm. Aber wir haben nichts Schlechtes, was wir über ihn sagen könnten, da fällt uns einfach nichts ein. In einem fiktiven Interview für einen unserer Texte haben wir mal einen Muslim sagen lassen: "Wissen Sie, wer versucht den Islam zu beleidigen, ist wie einer, der sich mit aller Kraft bemüht, den Mond anzuspucken: Er wird den Mond nie treffen und sich selbst dabei zum Affen machen." Trotzdem kann man natürlich Witze aus dem Themengebiet machen.

Habt ihr Angst vor Anfeindungen? 

Soufian El Khayari: Wenn Leute einen Witz nicht verstehen, dann ist das so. Wir erklären trotzdem keine Witze, grundsätzlich. Es sieht sowieso jeder das in den Witzen, was er darin sehen will. Unser Text "Sieben Dinge, die liebenswert an Erdogan sind", wurde auf Facebook auch von Erdogan-Anhängern geteilt. Angst haben wir deswegen aber nicht. 

Auf Twitter schreiben Sie: "Wer nicht folgt, wird gesteinigt". Trotzdem haben Sie erst knapp über 1000 Follower. Wie erklären Sie sich das? 

Derya Sami Saydjari: Vielleicht ist das noch nicht abschreckend genug, vielleicht müssen wir da mal ein Exempel statuieren. Aber wer uns entfolgt, den machen wir auf jeden Fall ausfindig.

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