Los Angeles Perfide Taktik: Polizist will sich mit Copyright-geschützter Musik vor Livestream schützen

Polizisten in den USA werden mehr gefilmt den je
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© AlessandroPhoto / Getty Images
Mit einer automatischen Musik-Erkennung gehen viele soziale Medien gegen Kopierschutz-Verletzungen vor. Polizisten in Los Angeles wollen das offenbar für eigene Zwecke nutzen.

Es ist ein Massenproblem: Weil viele Menschen sich nicht mit dem Urheberrecht auskennen, aber trotzdem Videoclips oder Livestreams in den sozialen Netzwerken teilen, sehen sich Facebook, Youtube und Co. ständig den Klagen der Musikindustrie ausgesetzt. Eine automatische Erkennung geschützter Musik hilft, diese Probleme zu lösen. Nun sollen Polizisten in Los Angeles das nutzen, um unerwünschte Aufnahmen zu verhindern.

Das wirft ihnen der Aktivist Sennett Devermont vor. Er war am Freitag in eine Wache des LA Police Department im berühmten Stadtteil Beverly Hills, um Einsicht in eine Aufzeichnung einer Körperkamera zu erfragen. Devermont betreibt einen Instagram-Kanal, in dem er gefilmte Verstöße von Beamten dokumentiert, ist den Polizisten entsprechend bereits bekannt. Auch an diesem Tag streamt er live, wie er mit dem Polizisten spricht. Und bekommt plötzlich eine Musik-Einlage vorgespielt.

Und plötzlich - Musik

Mitten im Gespräch, Devermont konfrontiert den Beamten gerade mit dem von vielen mit Polizeigewalt in Verbindung gebrachten Blue-Lives-Matter-Logo auf dessen Alltagsmaske, fängt der Beamte an, ihn und sein Smartphone zu ignorieren. Stattdessen wischt er auf dem eigenen Smartphone herum - und beginnt völlig unvermittelt, Ska-Musik abzuspielen. Erst nachdem etwa eine Minute Musik ertönt ist, fängt er wieder an, auf Ansprachen zu reagieren.

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Das ist kein Zufall, glaubt Devermont. "Er versucht, kopiergeschützte Musik zu spielen", erklärt er das Manöver noch während des Streams. Dass es dem Polizisten nicht darum geht, einfach mal mit Musik abzuschalten, sieht man in einem kurze Zeit später außerhalb der Wache aufgezeichneten Video. Als Devermont den Beamten aus dem ersten Clip auf der Straße mit dem Vorwurf konfrontiert, dreht der einfach wieder die Musik auf. Und: Mit dem Finger hält er auch seine eigene Körperkamera zu. Ein klares Indiz, dass er den Vorfall lieber nicht dokumentiert sehen möchte.

Ausnutzen einer Schutzmaßnahme

Die Idee hinter dem Vorgehen ist einfach. Um Ärger mit den Rechteinhabern zu vermeiden, erkennen die sozialen Netzwerke von Tiktok bis Instagram geschützte Lieder. Wird eines in einem Videoclip entdeckt, wird dieser noch beim Upload gesperrt. Auch bei Livestreams kann die Erkennung ausgelöst werden. Dann wird je nach Plattform der Stream abgebrochen oder er wird schlicht stumm geschaltet. Beides nützt einem Polizisten, der sein Gespräch lieber nicht dokumentiert sehen möchte.

Dass die Masche im dokumentierten Fall nicht funktionierte, kann daran liegen, dass Instagram im vergangenen Mai den Umgang mit Musikstücken in Livestreams überarbeitete. Statt jeden Stream sofort abzubrechen, versucht der Algorithmus nun zu erkennen, wie sehr ein Musikstück den Kern des Clips ausmacht. So soll wohl verhindert werden, dass ständig Livestreams unterbrochen werden, wenn etwa im Hintergrund ein Nachbar oder eine Kneipe Musik laufen lässt.

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© Twitter/Benjamin Crump / stern.de
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Liveaufnahmen sind etwa explizit erlaubt. Es solle aber immer eine visuelle Komponente geben, empfiehlt Instagram in den neuen Richtlinien. Ein reiner Musikstream der komplette Lieder abspielt, werde schnell "begrenzt", warnt die Richtlinie. Auch die Länge des gespielten Musikstücks spielt eine Rolle: Der bekannte Musiker Swiss Beatz kündigte etwa während eines Livestreams an, dass er seine eigene Musik nicht länger als 90 Sekunden spielen könnte - weil er sonst selbst als Rechteinhaber Opfer der automatischen Erkennung würde.

Masche wird untersucht

Tatsächlich scheint es nicht das erste Mal zu sein, dass Polizisten in der betroffenen Wache mit Musik ein Filmen zu unterbinden versuchen. Laut Devermont kam es bereits früher zu einem ähnlichen Vorfall, als ein Polizist unvermittelt begann, den Beatles-Song "In My Life" abzuspielen. Der Clip sei nicht veröffentlicht worden, man habe ihn aber sichten können, bestätigte das Magazin "Vice". Mit den Vorfällen konfrontiert, erklärte die Wache dem Magazin, dass das Abspielen von Musik beim Kontakt mit den Bürgern "keine Empfehlung der Polizei-Führung von Beverly Hills" sei. Man werde den Fall untersuchen. Funktioniert hat die Masche indes nicht: Die Livestreams wurden durchgehend gesendet, die Aufzeichnungen sind bei Instagram nach wie vor abrufbar.

Das US-Polizisten gefilmt werden, hängt nicht nur mit dem Aufkommen des Smartphones zusammen. In den letzten Jahren war mehrfach die Misshandlung von US-Bürgern durch Polizisten erst durch Filmaufnahmen bekannt geworden, oft im Zusammenhang mit Rassismus. Die folgenreichste Aufzeichnung war sicher die vom Tod des Afro-Amerikaners, der wegen des Bezahlens mit einem gefälschten 20-Dollar-Schein verhaftet worden war, und starb, nachdem ein Polizist Minutenlang auf seinem Hals gekniet hatte. Für Devermont ist das Filmen daher eine Notwendigkeit. Auf seinem Kanal findet sich eine klare Aufforderung: "Always film the police".

Quellen: Instagram, Newsweek, Vice

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