Soziale Medien Falscher Fakevorwurf: Ein brutales Israel-Video von Donald Trump Jr. zeigt Twitters Probleme mit der Wahrheit

Donald Trump junior, ältester Sohn des Ex-Präsidenten, veröffentlichte auf Twitter ein verstörend brutales Video
Donald Trump junior, ältester Sohn des Ex-Präsidenten, veröffentlichte auf Twitter ein verstörend brutales Video
© Alex Brandon / DPA
Seit Tagen werden die sozialen Medien von Desinformation zum Israel-Krieg überflutet. Ein von Donald Trump Jr. geteilter Clip zeigt nun eindrücklich, warum X/Twitters Schutzmechanismen versagen – ausgerechnet weil er echt ist.                                                           

Der Krieg in Israel beschäftigt die Menschen rund um die Welt – auch in den sozialen Medien. Doch obwohl dort Unmengen an Videos und Bildern von Gräueltaten zu finden sind, ist deren Echtheit in der Regel alles andere als klar. Ein von Donald Trump Jr. geteilter Clip zeigt nun beispielhaft, wie X, früher besser bekannt als Twitter, unter Elon Musk bei der Bewertung von Falschinformationen versagt.

"Man kann mit so etwas nicht verhandeln", schrieb der Sohn des gleichnamigen Ex-Präsidenten am Mittwoch zu einem Clip, der drastisch die Gewalt durch die Hamas an israelischen Zivilisten dokumentierte. Er stamme von "einer Quelle in Israel", erklärte er. Und bekam schnell Widerspruch. Wie so viele Videos auf der Plattform stamme auch dieses nicht aus dem aktuellen Konflikt, fügte ein Nutzer in einer der sogenannten Community Notes hinzu. "Es ist älter und stammt auch nicht aus Israel." Das Problem: Dieser Vorwurf stimmt offenbar gar nicht.

Falscher Fake

Die Korrektur erwies sich selbst als falsch, wie "Wired" herausgefunden hat. Das Trump politisch alles andere als wohlgesonnene Tech-Magazin hatte mithilfe eines Experten für Verifikation die ursprüngliche Quelle des Videos ermitteln können, es wurde demnach am Samstagmorgen erstmals bei Facebook hochgeladen, soll tatsächlich Kämpfer der Hamas zeigen, die israelische Zivilisten töten. Trump reagierte wie man es erwarten würde: Zwar hatte er "Wired" ein Statement verweigert, den fertigen Artikel teilte er aber trotzdem. Als Beleg, dass er richtig lag.

Die Episode ist allerdings vor allem für den Kurznachrichtendienst peinlich – und für seinen Chef Elon Musk. Seit er Twitter im Oktober letzten Jahres übernahm, versucht er den Dienst zum Bollwerk der Meinungsfreiheit aufzubauen. Und dabei gegen die vermeintliche Zensur anzukämpfen, die in den anderen sozialen Netzwerken und auch bei Twitter vor seiner Übernahme aus seiner Sicht herrschten. Die Community Notes sieht er dabei als wichtigstes Werkzeug.

Freiwillige Wahrheitshelfer

Während bei den Konkurrenten ganze Teams von Mitarbeitern gegen die Flut von Falschinformationen und Hassreden ankämpfen, soll das bei Twitter anders laufen. Die Community Notes kommen von einer relativ kleinen Gruppe von Freiwilligen, die von X dazu eingeladen wurden. Die laut dem Unternehmen "aus verschiedensten Perspektiven" kommenden Nutzer:innen können Posts mit Anmerkungen versehen, um sie besser einzuordnen. Zuerst passiert das nur im Hintergrund. Erst, wenn eine ausreichende Anzahl weiterer Teilnehmer die Anmerkung als "hilfreich" markiert hat, wird sie auch für die übrigen X-User freigeschaltet.

Auch bei der falschen Falschmeldung ist das passiert. In dem betreffenden Post von "Mellow Sun Swan" ist als Beleg sogar eine andere Version des Videos verlinkt, um zu beweisen, dass es bereits vor dem Krieg verbreitet wurde. Allerdings kam es dabei offenbar zu einem Missverständnis. Das dort mittlerweile gelöschte Video war mit dem Datum "15 Mehr 1402" versehen. Und das ist nach dem persischen Kalender der 7. Oktober 2023 – also der Tag des Angriffs auf Israel.

Zwischen Ideologie und Sparmaßnahme

Schon Anfang der Woche hatte eine "NBC"-Untersuchung gezeigt, wie wenig das System der Community Notes geeignet ist, auf sich schnell entwickelnde Lagen wie den Krieg in Israel zu reagieren. Der Nachrichtensender hatte zahlreiche Posts zu zwei bestätigten Falschmeldungen zusammengesucht, nur ein winziger Bruchteil von ihnen war mit Community Notes versehen worden – obwohl manche der Posts von Hunderttausenden Nutzern gesehen worden waren. Offenbar kommen die Freiwilligen mit der Masse an Posts schlicht nicht hinterher.

Dass X überhaupt auf dieses System setzt, dürfte neben Musks Lobpreisungen für die Meinungsfreiheit vor allem einen Grund haben: Es spart dem Unternehmen Geld. Seit der Übernahme hat X massiv Werbeeinnahmen verloren. Um die Kosten zu drücken, setzte das Unternehmen bereits den Großteil der Mitarbeiter vor die Tür. Darunter auch nahezu das gesamte Team, das für den Kampf gegen Desinformationen zuständig war.

Hinzu kommen Änderungen bei der Verifikation: Statt bestätigter Accounts führte Musk ein bezahltes Abomodell ein, das zudem mehr Reichweite und einen Anteil an den Werbeeinnahmen verspricht. Und damit gar einen Anreiz schafft, mit allen Mitteln für mehr Reichweite zu sorgen. Auch wenn man sich der Echtheit der Meldungen vielleicht nicht so sicher ist.

In Bezug auf das von Trump geteilte Gräuelvideo wurde die Community Note mittlerweile geändert. Sie bezieht sich nun auf den "Wired"-Artikel und bestätigt die Echtheit des Clips. Den können sich die X-Nutzer allerdings nicht mehr bei Trump ansehen: Das umstrittene Video wurde in der Zwischenzeit aus dem Post entfernt.

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