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Sex gegen Geld Twitter wollte endlich Geld mit Sex verdienen – doch es bekommt sein Kinderpornografie-Problem nicht in den Griff

Sex gegen Geld: Der Markt für bezahlte sexuelle Inhalte im Internet ist groß
Der Markt für bezahlte sexuelle Inhalte im Internet ist groß
© PA/ / Picture Alliance
Mit einem Abo-Modell für Sex-Inhalte plante Twitter, endlich richtig Geld zu verdienen. Doch der Plan scheiterte. Weil der Konzern die Problematik illegaler Inhalte nicht in den Griff bekam.

In den letzten Monaten machte Twitter vor allem mit einem Schlagzeilen: Der Streit mit Elon Musk um eine eigentlich vereinbarte Übernahme. Hätte der Konzern im Frühjahr seinen damaligen Plan umgesetzt, wäre die Situation möglicherweise eine völlig andere. Nachdem man dort lange Sex-Inhalte geduldet hatte, wollte Twitter wohl aufs Ganze gehen. Und sich als Konkurrent zu Onlyfans etablieren.

Das berichtet "The Verge" unter Berufung auf Insider und interne Dokumente des Unternehmens. Demnach hatten einige Führungsmitglieder versucht, bei Twitter eine Monetarisierung der dort ohnehin schon weit verbreiteten Sex- und Pornoinhalte zu bewegen. Die Logik: Schon jetzt gilt Twitter als eine der wichtigen Werbeplattformen für die zahlreichen Onlyfans-Models, das Geld verdient dann aber eben der Erotik-Dienst und nicht Twitter. Indem man den Models gleich bei Twitter bezahlte Abos mit Sex-Inhalten ermöglichen würde, könnte man dieses Geld selbst einnehmen, argumentierten die Befürworter des Features im Unternehmen.

Onlyfans' rasanter Aufstieg

Der Wunsch ist durchaus nachvollziehbar. Obwohl Onlyfans erst wenige Jahre alt ist, ist das Unternehmen auf dem besten Wege, dieses Jahr Umsätze von 2,5 Milliarden Dollar zu verzeichnen. Das ist knapp die Hälfte dessen, was Twitter im letzten Jahr eingenommen hat. Anders als der Konkurrent, ist Onlyfans damit profitabel.

Auch bei den Nutzerzahlen holt der Newcomer Twitter wohl bald ein: Der Kurznachrichtendienst kommt nach 16 Jahren auf knapp 450 Millionen monatlich aktive Nutzer, Onlyfans nach nur sechs Jahren auf 280 Millionen – Tendenz rasant steigend. Und während Twitter vor allem auf Werbeeinnahmen angewiesen ist, sind über sieben Millionen Onlyfans-Nutzer zahlende Abonnenten bei einem oder mehreren der Models.

Ausführliche Prüfung

Kein Wunder also, dass Twitter die Überlegungen durchaus ernst meinte. Für die Umsetzung des "ACM" (Adult Content Monetization, etwa: Einnahmen mit Erwachseneninhalten) genannten Projekts wurde ein sogenanntes "Red Team" aus 84 Mitarbeitern gegründet. Sie sollten erarbeiten, wie ein auf bezahlte Sex-Inhalte ausgerichtetes Twitter aussehen könnte, das trotzdem sicher und verantwortlich nutzbar wäre. Das will "The Verge" aus den Dokumenten und Gesprächen mit Mitarbeitern erfahren haben. Doch das Ergebnis dieser Machbarkeitsstudie dürfte Twitter so gar nicht gefallen: Es verhinderte nicht nur die Umsetzung des ACM-Projekts. Sondern warf ein ganz grundlegendes Problem des Konzerns auf.

"Twitter kann nicht zuverlässig sexuelle Ausbeutung von Kindern oder unfreiwillige Nacktdarstellungen erkennen", lautet das vernichtende Urteil des Red Team im April. Im kleinen Maßstab sei das noch möglich, die Methoden ließen sich aber nicht auf die nötigen Nutzerzahlen hochskalieren. Erschwerend kommt demnach hinzu, dass der Konzern keine zuverlässige Möglichkeit besitzt, das Alter der Nutzer und der Ersteller der Inhalte zu prüfen, um deren Volljährigkeit nachzuweisen.

Das Problem bestehe schon jetzt, fand das Team. Ein Programm wie ACM würde es voraussichtlich verschärfen. Weil die Inhalte hinter einer Paywall von extern kaum zu entdecken wären, könnte sich der Konzern nicht auf Meldungen durch außen verlassen. Die internen Werkzeuge seien aber nicht ausreichend, urteilte die interne Untersuchung. Das Projekt wurde eingefroren, bis entsprechende Sicherheitsmaßnahmen geschaffen würden.

Alte Probleme

Tatsächlich gab es in der Vergangenheit bereits Vorwürfe, dass Twitter immer wieder für die Verbreitung von Kinderpornografie genutzt worden war, ohne dass der Konzern das bemerkt hätte. Diese Problematik sei auch intern bekannt gewesen, berichtet "The Verge" in Bezugnahme auf die Dokumente. Bereits im Februar 2021 habe ein interner Bericht beklagt, dass die Menge an Missbrauchsmaterial stark steige, die Mittel zu ihrer Bekämpfung aber stagnierten. Seitdem habe sich die Lage nicht gebessert, sagten Angestellte dem Magazin.

Onlyfans-Star Dare Taylor war früher bei Disney World angestellt

Der Konzern bestätigt die Existenz des Teams. Das Red Team sei "Teil einer Debatte gewesen, an deren Ende die Arbeit aus richtigen Gründen pausiert wurde", bestätigte eine Sprecherin des Unternehmens "The Verge". Der Konzern habe "null Toleranz gegenüber der Ausbeutung von Kindern", betonte sie. "Wir kämpfen aggressiv gegen Kindesmissbrauch online und haben signifikant in Technologien investiert, diese Politik auch umzusetzen."

Twitter ist nicht alleine, aber...

Mit seinem Problem ist Twitter nicht alleine. Sämtliche großen Techkonzerne müssen sich gegen illegale Inhalte wehren, die mit einer zunehmenden Zahl von aktiven Nutzern immer schwieriger zu entdecken sind. Doch während Facebook und Co. den Prozess immer weiter automatisiert haben, beruht Twitters System nach Angaben der Angestellten vor allem auf einer manuellen Prüfung der Inhalte. Erschwerend kommt hinzu, dass Nutzer Inhalte nicht explizit als sexuell problematisch, sondern nur als "sensibel" markieren können. Das gilt aber auch für Inhalte, die anderweitig verstörend sind, etwa drastische Aufnahmen von Unfällen oder Kriegsberichterstattung. Aber auch das Budget ist ein Problem. Facebook gebe mehr für die Sicherheit seiner Nutzer aus, als Twitter insgesamt einnimmt, prahlte Mark Zuckerberg bereits 2019.

Durch den anstehenden Kauf durch Elon Musk erwarten die Mitarbeiter übrigens keine Besserung. Im Gegenteil: Nachdem Musk falsche Accounts und sogenannte Bots zum Hauptproblem des Netzwerks erklärt hatte, wurde das sogenannte "Health"-Team, das für die Entdeckung von der sexuell problematischen Inhalte verantwortlich ist, letzte Woche in das Team für die Suche nach Spam-Accounts integriert. Die Team-Mitglieder sind niedergeschlagen. "Es ist ein Schlag in die Magengrube", heißt es.

Quellen: The Verge, Axios, PC Mag

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