Krieg in der Ukraine "Too fat to fight" – warum die westlichen Panzer in der Ukraine an ihre Grenzen stoßen

Challenger 2 Panzer bricht im Boden ein und versinkt
Challenger 2 Panzer bricht im Boden ein und versinkt
© Screenshot Twitter
Kampfpanzer wie der Leopard 2 treffen in der Ukraine auf ungünstige Bedingungen. Ein Faktor ist ihr Gewicht. 70-Tonnen-Kolosse können auf dem Terrain nur eingeschränkt manövrieren.

Seit 2023 hat die Ukraine westliche Kampfpanzer und Kampfschützenpanzer erhalten. Kampfpanzer – Main Battle Tank (MBT) – sind Modelle wie Leopard 2 (Deutschland), Abrams (USA) und Challenger 2 (Großbritannien). Zu den Kampfschützenpanzer – Infantry Fighting Vehicle (IFV) – zählen der deutsche Marder und der Bradley aus den USA.

In den Kämpfen zeigten sich die Stärken der Westwaffen, aber dennoch konnten sie in der Offensive nicht die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen. Das lag am falschen Einsatzkonzept, der fehlenden Luftunterstützung und der geringen Anzahl. Aber auch daran, dass die Nato-Panzer ursprünglich für eine andere Form des Krieges konzipiert worden waren.

Panzer schlicht zu schwer 

"Sie sind für die Ukraine einfach zu schwer", sagt der Panzerexperte Dr. Jack Watling vom Royal United Services Institute for Defence and Security Studies, Rusi, der britischen "Sun". Eine Meinung, die von anderen Experten geteilt wird. Gebaut wurden sie, um Westdeutschland in den 1980er Jahren gegen einen massiven sowjetischen Angriff zu verteidigen. Ein Land mit trockenem festem Terrain und einem dichten Straßennetz, das an den entscheidenden Punkten für die schwergewichtigen Panzer ausgebaut wurde. Heute noch sieht man im Harz und in der norddeutschen Tiefebene "Waldwege" im XXL-Format. Dazu kommt eine Besonderheit, die heute gern vergessen wird. Der Krieg in der Ukraine und die Überlebensdauer eines Panzers dort ist wesentlich länger, als man es sich beim befürchteten "Clash of the Titans" zwischen Nato und Warschauer Pakt vorgestellt hatte.

Gebaut für einen anderen Krieg

Die Vision einer gigantischen Panzerschlacht hatte weitreichende Konsequenzen für den Panzerbau. Die Nato-Panzer wurden nicht für Angriffsoperationen über Hunderte von Kilometern entwickelt – so wie man es aus den Offensiven des Zweiten Weltkrieges kannte. Sie wurden primär für die Defensive konzipiert. Sie sollten als "Tank Destroyer" möglichst viele russische Panzer zerstören, bevor sie selbst ausgeschaltet wurden. So ein Verlust schien unumgänglich. Panzer wie der Leopard sollten sich Hunderten, wenn nicht Tausenden von T-72 entgegenstellen. Dieses Szenario nahm Einfluss auf jedes Detail. Die Hauptwaffe war in der Lage, aus einer improvisierten, geschützten Stellung heraus zu feuern. Großer Wert wurde auf Rundumsicht und einen Rückwärtsgang gelegt, um nach hinten verlagern zu können, ohne dem Feind die verletzliche Rückseite zu zeigen.

Das sind Eigenschaften, die dem Leopard 2 auch heute zugutekommen. Eine andere dagegen weniger: Der Schutz wurde großgeschrieben, und die Panzer wurden immer schwerer. Im zurückweichenden Verteidigungsgefecht war großes Manövrieren nicht vorgesehen.

Während die Besatzung heute von vielen Schutzdetails wie den Blowouts, den abgeschotteten Munitionskammern und der hohen Präzision von Kanone und Zielerfassung weiter profitiert, wurde das hohe Gewicht zum Problem. Alle drei Westpanzer erreichen um die 70 Tonnen, so Wartling. Für den Leopard ist das etwas übertrieben. Der 2A4 wiegt 55 Tonnen, beim 2A6 sind es 62. Auch mit weiteren Schtzmodulen erreichen sie keine 70 Tonnen. Um in der Ukraine zu bestehen, wurden die Panzer weiter ausgerüstet. Mit Käfigen gegen Drohnen, Reaktivpanzerungen etc.. Maßnahmen die das Gewicht weiter erhöhen. Würde ein Aktives Schutzsystem hinzugefügt, stiege das Gewicht des Panzers um weitere drei Tonnen – an der ungünstigsten Stelle, oben auf dem Turm.

Challenger 2 versank im Boden 

Die russischen Panzer – bei all ihren Fehlern – sind mit einem Grundgewicht um 50 Tonnen in einer sehr viel komfortableren Position. Das enorme Gewicht der Westpanzer reduziert Geschwindigkeit und Steigfähigkeit, erhöht dagegen generell den Verschleiß. Vor allem aber kann nicht jede Brücke und jedes Terrain dieses Gewicht tragen. Ein extremes Beispiel erlebte das Team der "Sun" im vergangenen Jahr auf einem ukrainischen Truppenübungsplatz. Vor ihren Augen versank ein Challenger 2 buchstäblich im Boden. Eine Besonderheit der Ukraine, unter der scheinbar festen Bodendecke hatte sich eine Matsch- und Wasserblase gebildet.

Das Übergewicht hat schwerwiegende Konsequenzen. Die Russen wissen im Voraus, auf welchen Routen sich diese Panzer überhaupt bewegen können und auf welchen nicht. Dadurch schrumpfe der "Raum für Manöver" sehr viel stärker, als man sich vorstellen könne, so Experte Watling. Er nimmt an, dass die Gewichtszunahme das "Mehr an Schutz" nicht wert sei. Denn auch wenn der Panzer bei einem Treffer nicht explodiere, werde auch ein Schwergewicht so beschädigt, dass es nicht weiterfahren könne. Dann sei es nur eine Frage der Zeit, bis es komplett ausgeschaltet werde. Allerdings mit einer überlebenden Besatzung. Watlings Ansicht nach liegt die optimale Zone von Schutz, Mobilität und Feuerkraft bei etwa 55 Tonnen.

Andere Rolle des Panzers 

Tatsächlich hat sich die Rolle des Kampfpanzers in der Ukraine anders entwickelt als gedacht. Nur sehr selten kommt es zu einem Panzer-Duell, zu einer Panzerschlacht schon gar nicht. Direkt an der Kontaktlinie werden Kampfpanzer im Wesentlichen eingesetzt, um der Infanterie Deckung zu geben, die versucht, das Niemandsland zu überqueren. Typisch ist die Rolle als "Sniper Tank", der Kampfpanzer lauert in einer versteckten Stellung, bis eine Drohne ein Ziel entdeckt hat, das dann aus der Ferne unter Feuer genommen wird. 

Insgesamt scheinen sich die Kampfschützenpanzer besser bewährt zu haben. Marder und Bradley wiegen etwa 35 Tonnen und sind daher mobiler und werden weniger durch das Terrain eingeschränkt. Ihre Maschinenkanonen wurden nicht für das Panzergefecht entwickelt, durch die hohe Schussfolge können sie die Infanterie effektiv unterstützen. Die Bushmaster-MK kann sogar es mit einem russischen T-90 Kampfpanzer aufnehmen. Zumindest auf kurze Distanz. Gelangt der Schützenpanzer zuerst in Feuerposition zerstört der Geschosshagel der Bushmaster Sensorik und Anbauten eines Kampfpanzers. Auf große Entfernung ergibt sich ein anderes Bild.

Abnehmen, aber wie  

Welche Lehren sind aus den Kämpfen für die Zukunft zu ziehen? Grundsätzlich wurde auch im Westen die Bedeutung des Gewichts erkannt. Die Möglichkeiten, es zu reduzieren, sind begrenzt. Auch weil die nächsten Baureihen immer noch auf den Fahrgestellen des Kalten Krieges beruhen. Mit dem Einsatz eines unbemannten Turms hofft man deutlich Gewicht einzusparen. Die Rede ist von bis zu zehn Tonnen. Gleichzeitig werden aktive Schutzsysteme und eine zweite autonome Waffenstation das Gewicht wieder in die Höhe treiben. Allerdings ist das Terrain der Ukraine mit den langen Matschperioden eine besondere Herausforderung, die so nicht in anderen Regionen auftritt.

Quellen: The Sun, Telegraph

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