Die Flügelspitzen biegen sich um vier Meter in die Höhe. Hydraulikzylinder stemmen die Tragflächen des Prototyps aufwärts und simulieren damit die Kräfte von Stürmen, die auf die späteren Serienflieger einwirken werden. 150 Prozent der höchsten denkbaren Böenbelastung müssen die Flieger beim Test aushalten, ohne zu brechen. Andernfalls erhält das neue Flugzeug keine Zulassung.
Ungefähr ein Jahr dauert die Testphase für jedes neue Verkehrsflugzeug. Bei den Flügeln sind die Beamten der jeweiligen Luftfahrtbehörde, die über die Zulassung entscheiden, besonders pingelig. Flügel sind wichtig, weil sie nur einmal am Flugzeug vorhanden sind - anders als Triebwerke, Höhenmesser und Bordstrom-Generatoren, die alle mehrfach eingebaut sind. Flügel müssen die ganze Last des Flugzeugs in der Luft tragen und unter allen Umständen halten. Idealerweise brechen sie bei 151 Prozent. Mehr brauchen sie nicht und sollen sie auch nicht aushalten. Bleiben sie bei 200 Prozent Last immer noch intakt, gilt die Konstruktion als misslungen. Dann ist sie unwirtschaftlich, weil sie zuviel Eigengewicht trägt.
Bei den Tests wird ferner geprüft, ob die Maschine bei einem Triebwerksausfall kurz vor dem Abheben noch starten kann, ob die Fahrwerkbeine für die Landung im Notfall ohne hydraulischen Druck (durch den Fahrtwind) heraus fallen und ob ein Warnton vorschriftsmäßig losblökt, wenn die Geschwindigkeit in der Luft gefährlich abfällt.
Auch der Rumpf geht in die Festigkeitsprüfung. Dort wird in wenigen Monaten ein ganzes Flugzeugleben simuliert. Kompressoren pumpen die Kabine auf und lassen die Luft wieder entweichen - Tag und Nacht. Das entspricht im Zeitraffer dem späteren Linienbetrieb, wenn der bodennahe Luftdruck, an den Menschen gewöhnt sind, in 10.000 Metern Höhe künstlich aufrecht erhalten wird. Das bedeutet, dass der Kabinen-Innendruck das millimeterdünne Aluminiumblech in der fast luftleeren Stratosphäre stark belastet.
Bisher ist die Luftfahrt mit diesen international standardisierten Zulassungsprüfungen gut geflogen. Obwohl der Luftverkehr seit Jahrzehnten durchschnittlich mit etwa fünf Prozent wächst, stagniert die Zahl der Unfalltoten weltweit bei rund 1000 pro Jahr. Die letzten Verkehrsflugzeuge, die mitten im Reiseflug in Stücke brachen, fielen vor 60 Jahren vom Himmel. Das betraf mehrere Exemplare des ersten Düsenverkehrsflugzeugs der Welt, der britischen "Comet". Sie flog doppelt so hoch wie Propellermaschinen, war aber den starken Druckwechseln nicht gewachsen. Folge: Sie zerbarsten in der Luft. Feine Risse, die von den Fenstern ausgingen, so fand man in monatelanger Puzzle-Arbeit heraus, leiteten den Bruch der Kabine ein.
Fenster ziehen auch heute noch die Aufmerksamkeit der Wartungstechniker auf sich. Denn sie sind die Schwachstelle des Fliegers, da von ihnen die meisten Risse ausgehen. Das kann die ganze Kabine gefährden. "Flugzeuge, die keine Risse haben, können nicht fliegen" - das ist eine gängige Redensart im Hangar. Gemeint ist: Sie wären nur rissfrei, wenn der Rumpf zentimeterdick statt millimeterdünn wäre. Dann aber wäre er zu schwer zum Abheben. Deshalb schauen sich die Wartungstechniker die Fenster bei den periodischen Prüfungen immer sehr genau an.
Beim Überschall-Flugzeug Concorde, das noch einmal ein Stockwerk höher flog als heutige Airliner, erwogen die Konstrukteure allen Ernstes, die Fenster aus Sicherheitsgründen einfach wegzulassen und durch TV-Monitore zu ersetzen. Mit Rücksicht auf die Passagiere ließen sie sich auf einen Kompromiss ein - die Fenstern schrumpften zu winzigen Ausgucklöcher.