Kritik "Biometrische Pässe werden zu früh eingeführt"

Grünen-Innenexpertin Silke Stokar übt scharfe Kritik an der Einführung des biometrischen Reisepasses: Sie prophezeit Ärger an den Grenzen und hat datenschutzrechtliche Bedenken.

Die Grünen-Innenexpertin Silke Stokar hat die Einführung des biometrischen Reisepasses ab November als verfrüht kritisiert.

"Alle mir bekannten Studien gehen davon aus, dass keines der biometrischen Verfahren für den Massenbetrieb im Reiseverkehr ausgereift ist", sagte Stokar der Nachrichtenagentur Reuters. Außerdem seien die meisten Grenzstationen ohnehin noch nicht mit Geräten ausgestattet, die das digitale Foto auf dem neuen Chip im Pass lesen könnten. "Es ist unverhältnismäßig, die Bürger mit fast doppelten Kosten für den Reisepass zu belasten, ohne dass daraus ein Sicherheitsgewinn entsteht."

"Neuer Pass wird an Grenzen für Ärger sorgen"

Die Innenexpertin geht davon aus, dass der biometrische Pass in seiner praktischen Anwendung an internationalen Grenzen für viel Ärger bei den Bürgern sorgen wird. "Wenn man bei der Kontrolle am Flughafen eine Fehlerquote von 20 Prozent hat, und viele Reisende in die Einzelkontrolle müssen, dann kann ich mir vorstellen, dass das nicht auf Begeisterung stößt", sagte sie. In den meisten Studien werde von einer Fehlerquote von 15 bis 25 Prozent bei Gesichts- wie Fingerabdruckerkennung ausgegangen. Ein Sicherheitsgewinn sei aber selbst bei reibungslosem Ablauf nicht belegt. Alle bekannten Attentäter der Anschläge von New York über Madrid bis London seien im Besitz völlig legaler Dokumente gewesen.

Stokar kritisierte, es seien längst nicht alle datenschutzrechtlichen Fragen geklärt. "Die Inhalte des Chips können künftig bei allen Grenzübertrittsstationen nicht nur gelesen, sondern auch gespeichert werden", warnte sie. Während in Deutschland aus Gründen des Datenschutzes keine zentrale Datenbank mit diesen Informationen angelegt werden dürfe, gebe es im internationalen Raum keine Vereinbarung, was mit den ausgelesenen Daten geschehe. In den USA etwa gelte der Datenschutz ausdrücklich nur für US-Bürger. "Wenn mein Fingerabdruck dort gespeichert ist, wird er kontinuierlich mit der US-Fahndungsdatei abgeglichen", sagte Stokar. Gerade der Fingerabdruck ermögliche "unendliche Möglichkeiten" des Fahndungsabgleichs.

"Nicht hinreichend diskutiert"

Über all diese Fragen sei in Deutschland nicht hinreichend diskutiert worden, kritisierte Stokar. "Der Bundesinnenminister ist sehr bewusst den Weg über eine europäische Verordnung gegangen, ohne das deutsche Parlament jemals zu beteiligen", sagte sie. "Ein Gesetz hat man sich nicht getraut". Außerdem habe Bundesinnenminister Otto Schily ohne Not Zeitdruck aufgebaut, obwohl die EU-Verordnung noch eine Frist von etlichen Monaten bis zur Einführung der biometrischen Pässe gewähre.

Hinzu komme, dass die jüngsten Studien zur Technikfolgenabschätzung nicht veröffentlicht worden seien. Damit gebe es weder bei den technischen Risiken noch beim Datenschutz oder den Kosten ausreichende Transparenz. Ungeklärt sei auch, wer hafte, wenn der Pass nicht funktioniere. "Wenn jemand deshalb den Flug verpasst, gibt es dafür keine Haftungsregelung", sagte Stokar.

Reuters
Reuters

PRODUKTE & TIPPS