D-Day in Salt Lake City: In Raum 330 der Firma Trilogy Studios, einem improvisierten Heimkino, kämpft Tom Hanks um sein Leben. Doch es fließt kaum Blut. Jedes Mal, wenn in »Der Soldat Ryan« etwas besonders Grausiges passiert, überspringt der DVD-Player die Passage. Der Krieg ist wohnzimmerfreundlich, weil die vielen Szenen, mit denen Regisseur Steven Spielberg den Horror dokumentiert, gar nicht gezeigt werden. Aus dem Drama wird »familientaugliche« Unterhaltung. Das funktioniert mit Hilfe des Weichspülprogramms »Moviemask« der US-Firma Trilogy. Jeder PC, der DVDs abspielen kann, lässt sich mit der Zensursoftware ausstatten. Online holt sich der Rechner von der Moviemask-Website eine Liste der Szenen, die ausgeblendet werden sollen. Diesen Anweisungen folgt das DVD-Abspielprogramm millisekundengenau, und schon ist alles halb so schlimm. »Soldat Ryan ist ein Film mit einer wunderbaren Botschaft«, sagt Breck Rice, einer der Trilogy-Gründer. »Aber es gibt darin Szenen, die man sich nicht antun muss. Die Entscheidung überlassen wir den Zuschauern.«
»Hollywood suhlt sich im Schmutz«
Trilogy ist nicht allein. Ein paar Kilometer weiter, ebenfalls in Salt Lake City, der Hauptstadt des erzkonservativen Bundesstaats Utah, residiert die Firma Clearplay. Ihre Software bietet den gleichen Schnippelservice: Russel Crowes Gladiatorenkämpfe dauern plötzlich nur noch halb so lang, Tom Cruise wird in »Jerry Maguire« auf Sex-Entzug gesetzt, und jedes Mal, wenn Julia Roberts in »Erin Brockovich« ein Fluch entfährt, blendet das Clearplay-Programm hastig den Ton aus. »Die Leute wollen nicht so viel Gewalt, Sex und Kraftausdrücke«, sagt Cearplay-Chef Bill Aho. »Die 25 Filme, die am meisten Geld eingespielt haben, sind alle jugendfrei«, sagt Aho, 45, Vater von sieben Kindern. Hollywood aber, so meint er, suhle sich weiter im Schmutz.
»Cleanflicks« - Videotheken für Busenfeinde
Die entblösste Brust von Kate Winslet ließ schon vor Jahren einen gottesfürchtigen Videothekar in Utah zur Schere greifen, um »Titanic« zu entschärfen. Die Empörung der Filmemacher war groß, aber nur kurz - was ist Utah im Vergleich zum Weltmarkt? Selbst die Kette »Cleanflicks« (Saubere Streifen) ließen die Studios gewähren. Sie hat inzwischen über 60 Videotheken ausschließlich mit zensierten Filmen.
Protest regt sich erst, seit die Moviemask-Macher in Hollywood vorführten, was ihr Computerprogramm kann. »Es ist ungeheuerlich«, schäumt Martha Coolidge, Präsidentin der Gewerkschaft der Regisseure, DGA. »Da werden Filme mit unseren Namen in Verbindung gebracht, die mit dem Original nichts mehr zu tun haben - so wie Moby Dick ohne Wal!« Jetzt soll ein Richter klären, ob das Bearbeiten von Filmen gegen das Urheberrecht verstößt.
Sittenstrenge Filmfreunde müssen am PC gucken
Die Aufregung hat etwas von einem Sturm im Schnapsglas, denn bisher sind die Kundenzahlen von Moviemask und Clearplay kaum messbar. Derzeit bieten beide Firmen nur für eine Hand voll DVDs Filter an. Und ohne Filter funktionieren die Systeme nicht. Außerdem gibt es noch keine DVD-Spieler mit eingebauter Filtersoftware. Sittenstrenge Filmfreunde müssen sich also vor den PC hocken. Aber Hollywood geht es ums Prinzip, sagt Martha Coolidge. »Denn mit Digitaltechnik lässt sich alles verändern.«
Bald wird nicht nur entfernt, sondern auch hinzugefügt
Stimmt. Trilogy arbeitet bereits an Version 2.0 von Moviemask. Sie soll nicht nur herausschneiden, sondern auch hinzufügen können. Zum Beispiel ein Korsett für Kate Winslet, damit sie in »Titanic« nicht mehr so nackig daliegt. Keine schönen Aussichten für Film-Fans - auch jenseits von Utah.
Karsten Lemm