Liebe Frau Peirano,
ich (37), habe vor drei Monaten eine Frau kennengelernt, mit der ich mich wirklich gut verstehe. Zu Beginn war alles sehr ungezwungen und wir haben schöne Tage miteinander verbracht.
Auch habe ich ihr relativ schnell gesagt, dass ich gerne eine Beziehung mit ihr hätte. Sie hat mir zu verstehen gegeben, dass sie das auch möchte. Sie hat mich zum Beispiel gefragt, ob ich denn auch mal ihre Tochter (9) kennen lernen will. Sie hat ihrer Tochter auch schon von mir erzählt. Das hat mir ein Gefühl von Sicherheit vermittelt.
Doch nun, nach drei Monaten, ist in der Richtung immer noch nichts passiert. Ich verstehe ihre Situation und gebe ihr die Zeit, die sie benötigt. Das habe ich ihr auch gesagt. Allerdings werde ich nun etwas ungeduldig und ich habe das Gefühl, dass sie sich mit mir nicht sicher ist. Wir sehen uns relativ selten (1-2 mal die Woche), da sie auch noch berufstätig ist. Und wenn wir uns sehen, ist auch nach wie vor alles gut. Dennoch habe ich das Gefühl, dass sie sich nicht zu mir bekennt. Ich kenne auch nicht mal ihre Freunde, und wenn ich ihr vorschlage, mal meine Freunde zu treffen, geht sie dem immer aus dem Weg.

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe
Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben.
Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.
Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.
Ich kann die Situation überhaupt nicht einschätzen und weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich will überhaupt keinen Druck aufbauen und ihr die Zeit geben, die sie benötigt. Aber irgendwie fühle ich mich nicht mehr gut dabei. Soll ich sie drauf ansprechen? Dann habe ich Angst, dass sie sich unter Druck gesetzt fühlt. Das will ich auf jeden Fall vermeiden.
Viele Grüße
Raffael M.
Lieber Raffael M.,
die Situation, in der Sie sich befinden, ist nicht ganz einfach einzuschätzen. Denn Ihre Freundin trifft Sie ja regelmäßig und hat auch gesagt, dass sie Sie ihrer Tochter vorstellen möchte. Dennoch spüren Sie, dass sie sich anscheinend nicht ganz, sozusagen mit Haut und Haaren, auf Sie einlassen will und sich auch nicht vor ihrer Tochter und vor Freunden zu Ihnen bekennen will.
Ich kann gut verstehen, dass Sie enttäuscht darüber sind und sich wünschen, dass eine neue Partnerin sich eindeutig zu Ihnen bekennt und Sie auch stolz Ihrem Umfeld zeigen will.
Es muss kein Anlass zur Sorge sein, dass Ihre Freundin so handelt. Es kann sein, dass sie grundsätzlich ein langsamerer und bedächtigerer Mensch ist und Ihrer Tochter erst einen neuen Partner vorstellen will, wenn Sie sich sicher ist. Allerdings kann es auch sein, dass sie sich nicht wirklich auf Sie einlassen kann und vielleicht insgeheim Trennungsgedanken hat.
Sie können nicht erraten, was in ihr vorgeht. Die Einzige, die Ihnen Auskunft geben kann, ist Ihre Freundin selbst. Und deshalb möchte ich Ihnen raten, das Gespräch mit ihr zu suchen und sie zu fragen, wie sie sich mit Ihnen fühlt und wie sie die neue Beziehung sieht. Ist es für sie eine sichere Beziehung (natürlich noch am Anfang) oder steht ein Fragezeichen dahinter? Sie können ihr auch offen von Ihrem Wunsch erzählen, die Menschen kennen zu lernen, die dem anderen wichtig sind.
Ich gehe davon aus, dass Sie eine Beziehung möchten, in der Sie sich gut aufgehoben fühlen und Vertrauen haben. Wenn Sie in dem Sinne handeln und mit ihr sprechen, statt sich still und leise Gedanken zu machen, dann handeln Sie so, wie Sie es in einer Beziehung für richtig halten. Sie setzen Maßstäbe, wie man mit Konflikten und Fragen umgeht. Sie können dann aufmerksam wahrnehmen, wie Ihre Freundin darauf reagiert: Redet Sie offen mit Ihnen über ihre Gefühle, dann kommen Sie beide einander ein Stück näher. Wenn Sie allerdings Verstecken spielt oder das Gespräch mit Ihnen abblockt, dann haben Sie eine erste Erfahrung gemacht, wie sie mit Problemen oder Konflikten umgehen wird. Es wäre wichtig, diesen Punkt in Zukunft im Auge zu behalten, denn er kann gefährlich werden.
Kommentare erwünscht!
Liebe Leserinnen und Leser,
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Herzliche Grüße, Julia Peirano
Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie sich einmal vorstellen, wie Sie reagieren würden, wenn Ihre neue Freundin Sie nach Ihren Gefühlen für sie fragen würde. Oder wenn sie sagen würde, dass sie sich etwas wünscht, zum Beispiel mehr mit Ihnen zu unternehmen oder Ihre Freunde kennen zu lernen. Wäre es in einer solchen Situation nicht wichtig, Wertschätzung und Verständnis für die Gefühle des anderen zu zeigen, nach einer Lösung zu suchen oder zu erklären, warum man selbst noch nicht so weit ist? Könnten Sie sich vorstellen, Ihrer Freundin zu signalisieren, dass sie nervt oder Druck ausübt? Na also!
Wenn Sie das gedanklich durchgespielt haben, können Sie sich ein Herz fassen und mit ihr sprechen. Denn schließlich wollen Sie wissen, woran Sie sind, und das ist in einer Beziehung auch verständlich und angebracht.
Herzliche Grüße, Julia Peirano