J. Peirano: Der geheime Code der Liebe Ich lebe mit einem tollen Mann im goldenen Käfig – und liebe eine aufregende Frau

Welche Entscheidung ist für Maria die richtige? (Symbolbild)
Welche Entscheidung ist für Maria die richtige? (Symbolbild)
©  fizkes / Getty Images
Einen liebenden, wohlhabenden Ehemann, viel Raum für sich selbst und ein gemeinsames Kind: Maria hat alles, wovon viele Menschen in einer Beziehung träumen. Doch dann ist da noch die aufregende Beziehung zu Chiara. Und Maria steht vor der Frage, welche der beiden Beziehungen die richtige ist.

Liebe Frau Peirano,

ich bin 45, Musikerin, und lebe mit meinem deutlich älteren Mann (62) in sehr privilegierten Verhältnissen. Am Anfang habe ich meinen Mann sehr geliebt und ihn verehrt. Er ist sehr erfolgreich, ein Gentleman, und dazu kam sein Lebensstil, in den er mich selbstverständlich mit einbezogen hat. Urlaub in seiner Villa in der Toscana, Essen in den edelsten Restaurants, Urlaub in den schönsten Hotels, Reisen nach Lust und Laune. Ich war damals eine arme Musiklehrerin und fühlte mich sehr ausgezeichnet durch unseren Lebensstil.

Ich brauche im Haushalt und Garten nur etwas zu machen, wenn ich möchte. Den Rest erledigt die Haushälterin. Ich habe meinen Mann kennen gelernt, als ich 33 war. Wir verliebten uns beide ineinander, aber ich glaube, dass seine Liebe zu mir immer noch etwas stärker war. Ich bin seine Trophäe, die schöne, begabte Cellistin. Zwei Jahre später bekamen wir eine Tochter, die jetzt 11 ist.

Ich konnte dank des Geldes meines Mannes meine musikalische Karriere so gestalten, wie es mir sonst nie möglich gewesen wäre. Ich konnte Kammermusik machen, anstatt an der Musikhochschule Anfänger zu unterrichten, und ich konnte viel für mich selbst entwickeln, ohne unter finanziellem Druck zu stehen. Bei meinen Kollegen sieht das ganz anders aus.

Ich müsste also dankbar sein. Und stattdessen ist mir diese unglaubliche Geschichte passiert. Ich spiele in einem Ensemble, in dem unsere übliche Geigerin von einer Kollegin vertreten wird. Einer jungen Musikern, nennen wir sie Chiara. Sie hat mich von Anfang an fasziniert, aber ich dachte, dass wir eher Freundinnen würden. Ich habe lange Frauenfreundschaften vernachlässigt und sehnte mich nach dem Austausch mit einer Frau.

Doch über die Zeit wurden unsere Begegnungen immer aufgeladener. Die Blicke waren nicht mehr nur freundschaftlich, sondern erotisch. Wir redeten stundenlang und fingen danach noch an, uns Nachrichten zu schicken. Intelligent, lustig, anregend. Wir flirteten miteinander. Ich konnte es zuerst nicht richtig einordnen, bis wir mal in ein Konzert gingen und uns danach küssten. Da war es klar.

Am Tag darauf wollte ich diese Geschichte beenden. Sie spielte nicht mehr in unserem Ensemble, und ich wollte sie nicht wieder sehen. Mir war bewusst, dass es gefährlich werden könnte. Eines Abends hielt ich es nicht mehr aus und stand vor ihrer Tür, bereit für alles. Und so begann unsere Liebe. Wir haben jetzt seit sechs Monaten eine Affäre. Es ist ganz anders, als ich es von meinen Beziehungen mit Männern gewohnt bin. Wir verstehen uns auf Anhieb, sexuell, intellektuell und musikalisch. Und ich hatte noch nie einen Lover, mit dem ich erotische Unterwäsche teilen konnte. Oder Lippenstift. Haarspangen. Seidenblusen. Das hat einen großen Reiz für mich. Gleich und doch etwas anders. Während ich mit Männern immer das Gefühl hatte, mich klein machen zu müssen, um zu gefallen, können Chiara und ich uns zu unserer wahren Größe strecken und uns gegenseitig in unserer Entwicklung helfen. Ich habe noch nie so schön musiziert wie mit ihr zusammen. Und es wird immer besser.

Aber wie soll es weiter gehen? Chiara will natürlich nicht ihre besten Jahren damit verbringen, eine Affäre zu haben. Sie will mich ganz - oder auf Dauer eine feste Beziehung (ob Mann oder Frau ist bei ihr unklar) und ein Kind. Ich bin sicher, dass ich nie wieder jemanden wie Chiara finde. Aber noch habe ich nicht den Mut, mich von meinem Mann zu trennen. Mein Mann und ich führen ein sehr schönes Leben, und ich liebe ihn auch, auf eine ganz andere Art. Er gibt mir Sicherheit und würde alles für mich tun. Bisher hat er noch keinen Verdacht geschöpft, weil ich bisher nie mit Frauen zusammen war. Er weiß von Chiara, hält sie aber für eine enge Freundin und wünscht mir viel Spaß, wenn ich sie treffe und lässt sie grüßen.

Ich frage mich, wie ich weiter machen soll. Ich kann mir nicht vorstellen, ohne Chiara zu leben. Aber ich kann mir auch nicht vorstellen, ohne meinen Mann zu leben. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was er sagen würde, wenn er von meiner Liebe wüsste. Ob es für ihn einen Unterschied machen würde, dass es kein Mann ist, sondern eine Frau.

Was raten Sie mir?

Herzliche Grüße, Maria T.

Liebe Maria T.,

Sie haben gerade zwei sehr unterschiedliche Lieben in Ihrem Leben. Die sehr vertraute Beziehung mir Ihrem Mann, der Ihnen vielleicht auch so etwas ist wie ein Vater und Ihnen Sicherheit, Freiheit und Schutz bietet. Aber mit dem sich das Leben vielleicht auch etwas anfühlt wie ein goldener Käfig, weil Sie seit Jahren nicht um Ihre Existenz kämpfen müssen, sondern machen können, was Sie wollen. Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins. Das ist manchmal gar nicht so schön, wie es von außen aussieht, und man sollte sich nicht wirklich wünschen, dass einem alle Wünsche erfüllt werden. Das macht unzufrieden und leer.

Porträt Dr. Julia Peirano
© Kirsten Nijhof

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe

Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben. 

Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.

Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.

Und im Gegenzug erleben Sie die aufregende Beziehung mit einer jungen Frau, mit der Sie Gemeinsamkeiten und Verbundenheit erleben, die Sie inspiriert und mit der Sie gemeinsam Musik machen können.

Es hört sich so an, als wenn Ihnen genau das in der Beziehung mit Ihrem Mann etwas gefehlt hat: Die gleiche Augenhöhe, die seelische Verbundenheit, das Neue.

Sie erzählen wenig, was Sie mit Ihrem Mann innerlich verbindet. Kann es sein, dass die tiefe innerliche Verbindung von Ihrer Seite schon vor der Begegnung mit Chiara für Sie nicht mehr spürbar war? Wann hat er Sie zuletzt innerlich wirklich berührt? Gab es womöglich zu viel Komfort, zu viel Bequemlichkeit - und dadurch auch zu wenig Kontakt? Haben Sie es sich in Ihren Rollen bequem gemacht und dadurch wenig Neues ausprobiert? Schauen Sie sich doch einmal Fotos aus allen Phasen mit ihm an: Die Phase der ersten Verliebtheit, das erste Jahr, die Geburt Ihres Kindes, die nächsten Jahre, bis jetzt. Und schreiben Sie auf, wie es Ihnen ging. Vielleicht haben Sie auch eine Freundin, die Sie in all den Jahren begleitet hat und die Sie an bestimmte Ereignisse oder Beobachtungen erinnern kann.

Die Beziehung zu Chiara ist neu und aufregend. Ob sie Substanz im Alltag hätte, ließe sich schwer sagen. Es ist allerdings aus meiner Sicht auch sehr schwierig, sich diese Fragen zu stellen und sie klar zu beantworten, wenn man noch in einer anderen Beziehung steckt. Aus meiner Sicht sollte man erst einmal beantworten, wie es um die erste Beziehung bestellt ist, bevor man sich überlegt, ob die zweite Zukunft hat. Wenn ich mich nach neuen Häusern umsehe, müsste ich mir auch erst einmal klar darüber sein, ob ich bereit bin, mein jetziges Haus zu verkaufen. Sonst machen die Besichtigungen wenig Sinn.

Sie erzählen nicht, ob Sie ein schlechtes Gewissen gegenüber Ihrem Mann haben. Das schlechte Gewissen würde Sie noch weiter von Ihrem Mann entfernen, weil er Sie immer daran erinnert. Wenn ich z.B. aus dem Portemonnaie meiner Freundin 20 Euro stehle, wird das auch einen Riss in unsere Beziehung bringen, weil ich in einen inneren Konflikt gerate. Ich habe etwas Unrechtes getan, und sie weiß nichts davon. Ich könnte das lösen, indem ich es innerlich rechtfertige: Naja, ich musste mir ja auch das Geld nehmen, denn sie lädt mich viel zu selten ein. Oder: Sie verdient eh viel besser als ich.  Und schon ist meine Freundin etwas entfernter von mir, obwohl sie gar nicht weiß, warum. Wenn Sie Ihre Ehe retten wollen, würde es sich lohnen, Ihr schlechtes Gewissen - oder die Abwesenheit davon - anzuschauen.

Es ist sehr schwer, sich zu entscheiden, wenn man bereits eine zweite Beziehung angefangen hat. Wahrscheinlich wird es noch schwerer, wenn sie auf lange Sicht unentdeckt laufen könnte, weil Ihr Mann Sie beide für Freundinnen hält.

Deshalb ist mein Rat, dass Sie mit der Beziehung zu Ihrem Mann anfangen und sich fragen, ob Sie bei ihm bleiben wollen. Manchmal ist es auch ein Grund, sich zu überlegen, warum man nicht gehen kann. Stellen Sie sich mal die Zukunft ohne Ihren Mann vor. Wie würde es Ihrem Kind gehen? Wie würde es Ihrer Karriere ergehen? 

Oft ist es gut, sich nach seinen Werten zu fragen und nach denen zu handeln. Stellen Sie sich vor, die Werte sind ein Pferd und die Emotionen sind der Karren. Wenn ich nach meinen Emotionen handele, steht der Karren vor dem Pferd und es geht nicht voran. Zum Beispiel: Ich kann mich nicht zum Sport aufraffen, obwohl ich etwas für meine Körper tun wollte. Wenn ich allerdings nach meinen Werten handele und die Emotionen folgen, heißt das: Ich gehe zum Sport, weil ich es mir vorgenommen habe. Wahrscheinlich macht es sogar Spaß, wenn ich erst einmal 10 Bahnen geschwommen bin. Dann steht das Pferd vor dem Karren und ich kann mich in die richtige Richtung bewegen. Auf Dauer hilft das, die richtigen Entscheidungen zu treffen, wenn man sich nach seinen Werten orientiert.

Ich wünsche Ihnen viel Klarheit. Und nutzen Sie bitte auch Ihre Disziplin. Musikerin wird man nur durch viel, viel Üben, das erfordert Disziplin. Sie sollten sich an Ihre kostbare Ressource erinnern.

Viele Grüße, Julia Peirano

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