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J. Peirano: Der geheime Code der Liebe Ich will meinen Partner, aber ohne sein Kind aus einer früheren Beziehung

Ein Kind aus einer früheren Beziehung ist oft eine Herausforderung (Symbollbild)
Ein Kind aus einer früheren Beziehung ist oft eine Herausforderung (Symbollbild)
© skynesher / Getty Images
Patricia ist mit ihrem Freund sehr glücklich – eigentlich. Denn obwohl sie zusammen wohnen und sie mit ihm auch eine Familie gründen will, kommt sie nicht damit klar, dass auch sein Sohn eine Rolle in diesem Leben spielen soll.

Liebe Frau Peirano,

mein Freund (38) und ich (25) sind seit cicra einem Jahr zusammen.

Es hat am Anfang alles so gut gepasst, dass alles relativ rasch gegangen ist. Wir wohnen mittlerweile zusammen in einer Wohnung – mehr oder weniger seiner Wohnung. Er wollte am Anfang, dass es UNSERE Wohnung ist, aber ich fühle mich dort nicht mehr wirklich wohl.

Ich habe einen Hund und er hat ein Kind – leider mögen sich die beiden nicht. Das ist schon mal das erste große Problem. Er selbst ist auch nicht wirklich ein Hundefan – daher musste ich den Hund nun an meine Eltern abgeben (was ich nicht fair finde und sehr zu Lasten meines Hundes ging).

Ich bin aber auch nicht wirklich happy, dass sein Kind jedes zweite Wochenende und mittlerweile  jeden Mittwoch bei uns ist. Sein Kind ist wirklich ganz lieb und grundsätzlich nicht schwierig – sein Sohn darf halt viel Fernsehen, damit mein Freund und ich Sport machen können und Zeit für uns haben. Dennoch fällt mir am Sonntag nach dem Wochenende mit seinem Sohn die Decke auf den Kopf und ich kann es gar nicht erwarten, dass er ihn am Montag früh in die Schule bringt.

Ich habe schon Mittwochs schlechte Laune, wenn ich weiß, dass sein Sohn am Wochenende kommt. Obwohl er wirklich nichts Schlimmes macht… Ich denke ich fühle mich einfach in ein "Familien"-Leben hineingezwungen, für das ich mich selbst nicht entschieden habe.
Ich will auch eine Familie, aber eben erst später, wenn ich selbst Kinder will. Ich will mit meinem Freund eine Familie gründen und ich habe Bauchschmerzen, wenn ich zusehe wie er super süß mit seinem Sohn im Bett liegt und kuschelt – ich will, dass er das mit MEINEN Kindern macht und nicht mit dem seiner Ex-Freundin… Ich will jetzt das Leben genießen, Reisen, Sport machen, Studieren – und er ja auch. Ehrlich gesagt, hält uns sein Sohn ja auch nicht wirklich davon ab – wir teilen das dann einfach anders ein.

Dennoch wünsche ich mir manchmal, er hätte kein Kind bzw. hab ich schon überlegt, die Beziehung zu beenden, die eigentlich wunderschön und sehr harmonisch ist. Aber die Tatsache, dass er ein Kind hat, welches nicht meines ist, beeinflusst und beeinträchtigt mein Leben. Ich erwische mich manchmal dabei mir vorzustellen, wie es ist, wenn ich einen anderen Partner hätte – natürlich gäbe es dann andere Probleme, aber diese wären vielleicht leichter lösbar. Ein Kind kann man nicht einfach weggeben.

Ist die Beziehung zum Scheitern verurteilt, wenn ich jetzt schon so viele Gründe und Gedanken habe, es lieber sein zu lassen?

Ich schaffe dennoch nicht den Schritt wirklich zu gehen…

Über Ihren Rat und Ihre Ansichten würde ich mich sehr freuen.

Liebe Grüße

Patricia B.

Liebe Patricia B.,

ich kann gut verstehen, dass Sie jetzt - mit 25 Jahren - unbeschwert Ihr Leben genießen wollen und sich auf Ihr Studium, den Sport und Ihre Beziehung konzentrieren wollen. Sie haben noch keine eigenen Kinder, und deshalb ist das Ihr gutes Recht.

Doch Sie haben sich für einen Mann entschieden, der schon ein Kind hat und sich anscheinend auch liebevoll um sein Kind kümmert. Das spricht sehr für ihn. Er übernimmt Verantwortung, ist verlässlich und anscheinend auch sehr liebevoll und zärtlich mit seinem Sohn.

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe

Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht und anschließend zwei Bücher über die Liebe geschrieben.

Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.

Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.

Doch was glauben Sie, wie er sich damit fühlt, dass Sie von den Besuchen seines Sohnes genervt sind und kaum abwarten können, dass er wieder geht? Weiß er das? Er wird es sicher spüren, und er bemüht sich, auf seine Art Kompromisse zu machen: Der Sohn darf viel fernsehen, damit Sie und Ihr Partner Ihr eigenes Leben leben und Sport machen können.

Können Sie sich vorstellen, dass auch der Sohn Ihres Partners spürt, dass er zumindest bei Ihnen nicht willkommen ist, obwohl er - wie Sie sagen - nichts Schlimmes macht? Hier muss ich an meine erwachsenen PatientInnen denken, die in einer Patchworkfamilie aufgewachsen sind, in der sie zumindest von einer Person das Signal bekommen haben, nicht geliebt zu werden oder zu stören. Dadurch bilden sich bei Kindern gewissen Gedanken- und Verhaltensmuster heraus, die schädlich sein können: "Ich muss ganz leise sein und mich anpassen, damit ich nicht zur Last falle. Ich darf keine Ansprüche stellen, damit ich keinen Konflikt erzeuge. Ich darf nicht noch meine Wünsche und Bedürfnisse äußern, denn dafür ist kein Platz."

Können Sie sich vorstellen, wie ein Kind sich fühlt, das regelmäßig bei seinem Vater ist und spürt, dass es nicht erwünscht ist? Was für Gefühle löst das bei Ihnen aus?

Ich kann mir vorstellen, dass es Ihnen etwas schwer fällt, hier Empathie zu empfinden, weil Ihre eigenen Wünsche Ihnen im Wege stehen. Sie möchten Unbeschwertheit, Zeit mit Ihrem Partner, Zeit für sich und Ruhe. Nur wir Therapeutinnen sind ja oft auch Realitäts-Kellnerinnen, und auf meinem Tablett würde ich Ihnen die Realität servieren, dass es Ihren Partner nur in Verbindung mit seinem Sohn gibt.

Und wenn Sie eines Tages mit Ihrem Partner eigene Kinder haben wollen, würde der Sohn dann ja auch ein Teil der Patchwork-Familie sein. Wenn sich nichts verändert, dann würde er sich sehr als fünftes Rad am Wagen fühlen, wenn er mit seinem Vater, der ihn liebt, dessen Freundin, die ihn nicht da haben möchte und dem geliebten und erwünschten leiblichen Kind von den beiden Zeit verbringen würde. Ich kenne solche Konstellationen, und die sind für alle Seiten belastend und hinterlassen bei den betroffenen Kindern aus einer früheren Beziehung sehr viel Leid.
Ich könnte Ihnen drei Lösungsansätze vorschlagen.

  1. Wie wäre es, wenn Sie dazu stehen, dass Sie nur Ihren Partner, aber nicht seinen Sohn wollen und  entweder eine eigene Wohnung suchen oder an den Besuchstagen viel unterwegs sind, in der Unibibliothek lernen oder Freunde besuchen? Dann könnte sich Ihr Partner in Ruhe seinem Kind widmen, das Kind fühlt sich beim Vater alleine willkommen und Sie hätten Ihre Ruhe. Win-win-win.
  2. Wie wäre es, wenn Sie Ihre Haltung überdenken und sich in das Kind hinein versetzen? Gibt es bestimmte Dinge, die Sie selbst gerne mit Kindern machen oder Unternehmungen, bei denen Sie gerne dabei wären? Wie wäre es, wenn Sie selbst mehr Initiative zeigen, dem Kind oder Ihrer Patchworkfamilie etwas zu geben, wenn Sie dabei sind (z.B. bestimmte Filme zu gucken, bestimmtes Essen zu essen, in den Wald zu gehen)? Meistens fühlt man sich wohler, wenn man etwas selbst mit gestalten kann und wenn Sie sich mehr einbringen, würde eventuell das Gefühl weniger, dass es das Kind seiner Ex-Freundin ist. De facto ist es ja auch das Kind Ihres Partners und es könnte Ihr Stiefkind sein, wenn Sie die Aufgabe übernehmen. Und vielleicht würde der Sohn dann ja auch mit Ihnen im Bett kuscheln und Sie würden sich nicht so ausgeschlossen fühlen?
  3. Wenn Sie auf lange Sicht wirklich nichts mit dem Kind zu tun haben wollen, würde ich Ihnen empfehlen, über eine Trennung nachzudenken. Denn wie schon gesagt möchten Sie irgendwann eine eigene Familie haben, und erfahrungsgemäß würde der (dann pubertierende Sohn) so richtig stören, wenn Sie keine Basis mit ihm finden. Aus meiner therapeutischen Begleitung von diesen Familien-Konstellationen hat keiner Freude damit.

Ich hoffe, dass Sie für sich entscheiden können, welcher Weg für Sie der Richtige ist.

Viele Grüße

Julia Peirano

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