Pendeln zur Ruhr Uni Bochum
Es ist kalt, morgens früh um viertel vor sieben am Wuppertaler Hauptbahnhof. Kalt, dunkel und ungemütlich. Die meisten der Wartenden an der Schnellbus-Haltestelle sind Studenten. Sie warten auf die Linie 67, um pünktlich zur frühen ersten Vorlesung an der Bochumer Ruhr Universität zu sein.
Die RUB ist eine Pendleruni, die meisten der gut 35.000 Studenten kommen aus den umliegenden Ruhrgebietsstädten von Dortmund bis Duisburg. Für alle ohne Auto bedeutet das lange Bus- oder Bahnfahrten, während des Semesters oft drangvolle Enge in den öffentlichen Verkehrsmitteln, häufig Verspätungen. Es mag viele Gründe geben, nach Bochum zu ziehen, genauso viele scheinen aber dagegen zu sprechen. Würden sonst so viele Studenten morgens früh bibbernd auf den Bus warten? »So schlimm ist das gar nicht«, meint Simone, »wenigstens muss man bei dieser Verbindung nicht umsteigen. Viele schlafen morgens einfach noch ein Stündchen.« Tatsächlich hat der Fahrer nur die Notbeleuchtung eingeschaltet, spätestens als der Bus auf die Autobahn fährt, wird es sehr ruhig. Einige versuchen zu lesen, gehen den Stoff fürs Referat durch, manche hören Musik aus dem Walkman. Die meisten aber dösen, schauen gelangweilt aus dem Fenster oder schlafen in den bequemen Reisebussesseln.
»In zwei Stunden sieht das wieder ganz anders aus«, berichtet der Fahrer bei der kurzen Pause in Sprockhövel-Haßlinghausen. Er nimmt einen Schluck Kaffee aus der Thermoskanne. »Wenn ich um viertel vor neun in Wuppertal losfahre, ist es richtig voll im Bus und die Leute sind schon etwas wacher.« Da werden auch schon mal lautstarke Diskussionen geführt, Tipps gegen Prüfungsangst ausgetauscht oder ein Frühstück verspeist. Claudia mag diese Fahrten zur Vorlesung um zehn. »Ich habe schon richtig gute Freunde hier im Bus kennen gelernt«, erzählt die Germanistikstudentin. »Du fährst jeden Tag dieselbe Strecke, siehst dieselben Gesichter, hast sogar deinen Lieblingsplatz. Man kann sich in aller Ruhe auf den Tag einstimmen.«
Natürlich ist nicht alles so idyllisch. Mittlerweile sind die Scheiben der Fenster beschlagen, die Luft ist dick. Ein Geruch nach nassen Wollmänteln macht sich breit. An jeder Haltestelle erhöht sich die Zahl der Regenschirme, die anscheinend nie trocknen, sondern immer ihre gesamte Umgebung, Skripten, Bücher und Schreibblöcke, befeuchten. Im Sommer dagegen staut sich die Hitze im Bus, trotz offener Dachluken, und die allzu menschlichen Körperfunktionen bei extremer Wärme werden für empfindliche Nasen zur Beleidigung. Oft genug bleiben viele Mitfahrende in Stoßzeiten stehen, weil alle Plätze belegt sind - wie etwa zur Zehn-Uhr-Vorlesung oder nachmittags, wenn der Bus um kurz nach vier Uhr einen Großteil der Studenten zurück nach Wuppertal befördert.
Nach einer guten Stunde hält der Schnellbus unter dem Bochumer Uni-Center. Die Studenten strömen in Richtung der grauen Betongebäude. Für die meisten stehen jetzt einige Stunden Vorlesungen und Seminare an. Am Nachmittag sitzen sie aber alle wieder in der Linie 67 - diesmal auf dem Weg nach Hause. (ts)