Die Energiepolitik der Zukunft stellen sich die Fachleute etwa so vor: Wegen Ölknappheit werden viele Milliarden in die Kohleverflüssigung investiert, weil Kohle noch über 200 Jahre reicht. Um die Klimafreunde zu beruhigen, steckt man auch noch viel Geld in das Vergraben von CO₂. Und weil das doch eher Träume sind, werden weitere Milliarden in die Agrotreibstoffe gesteckt. Auf der Stromseite blühen Kohle und Windenergie fröhlich neben einander her, Photovoltaik und Geothermie schaffen ansehnliche Sprünge. Aber auch Atomstrom und Staudämme gewinnen neue Freunde. Die Autolobby schwärmt vom "Plug-in Hybrid", den man nachts oder am Arbeitsplatz elektrisch auflädt.
Zur Person
Ernst Ulrich von Weizsäcker, 69, ist Preisträger des Deutschen Umweltpreises 2008. Es ist der höchstdotierte und wichtigste Umweltpreis in Europa. Weizsäcker war der erste Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie, Vorsitzender der Enquete-Kommission "Globalisierung der Weltwirtschaft" und bis 2005 Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt des Deutschen Bundestages. Heute ist er Dekan der Donald Bren School für Umweltwissenschaft der Universität Kalifornien in Santa Barbara.
Schrecklich! Konventionell! Altes Denken! – sage ich dazu. Die Kohle ist doch Hauptquelle der Klimaänderung. Das Vergraben von CO₂ ist eine teure Notlösung für die Reichen und bei Autos kaum darstellbar. Das Treibstoffproblem auf die Stromerzeugung abzuwälzen, ist völlig hirnrissig. Bei der Atomkraft kann man ja füglich über die Laufzeitverlängerung streiten, aber das ist doch keine Dauerlösung! Uran ist in wenigen Jahren zehnmal teurer geworden! Und Staudämme sind in den immer dichter besiedelten Entwicklungsländern ein Graus! Sonnendächer und Windkraft sind viel edler, aber ungeeignet für eine Welt der Energieverschwendung!
Auf der Nachfrageseite spielt die eigentliche Musik
Es ist Altes Denken, die Energiepolitik nur als Energie-Angebots-Politik zu begreifen. Auf der Nachfrageseite spielt die eigentliche Musik. Die Verschwendung überwinden, das ist der eigentliche technische Fortschritt! Passivhäuser brauchen noch ein Zehntel der Heizenergie. Das LED-Licht ist zehnmal so stromeffizient wie die Glühbirne. Autos kann man auf anderthalb Liter pro hundert drücken. Systemverbesserungen führen noch weiter.
Damit dieser technische Fortschritt rasch voran kommt, muss er sich rentieren. Hierzu ein Vorschlag: Koppelt doch die Energiepreise an die Steigerung der Energieproduktivität! Wenn Deutschland 2008 um zwei Prozent energieeffizienter wird, werden die Energiepreise 2009 automatisch um zwei Prozent angehoben. Und das auf Jahrzehnte vorhersehbar. Dann zahlt man pro Monat nicht mehr für die Energie, obschon sie teurer wurde. Wenn jeder Investor weiß, dass es mit den Energiepreisen immer weiter aufwärts geht, wird das Investieren in Energieeffizienz zu einem der sichersten Geschäfte. Der Innovationspfad beschleunigt sich dann selbst.
Das Vorbild hierzu ist die Entwicklung der Bruttolöhne parallel zur Arbeitsproduktivität. Gemeinsam haben sich die beiden Messgrößen in 150 Jahren etwas um den Faktor zwanzig nach oben geschaukelt. Wenn man so etwas Ähnliches mit der Energie hinkriegt, dann können wir nach einem halben Jahrhundert all die Streitereien zwischen Kohle und Atom vergessen und kann der restliche Energiebedarf mit Wind und Sonne gedeckt werden. Das nenne ich Neues Denken!