Fieber- und Hustensäfte Gesundheitsminister Lauterbach verkündet Maßnahmen gegen Engpässe bei Medikamenten für Kinder

Fieber- und Hustensäfte: Gesundheitsminister Lauterbach verkündet Maßnahmen gegen Engpässe bei Medikamenten für Kinder
Sehen Sie im Video: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zum Mangel an Medikamenten für Kinder.






Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) stellt Maßnahmen gegen den Mangel an Kinder-Medikamenten vor: "Rückführung der Produktion nach Europa, dann Preisanpassung, wo Lieferengpässe erkennbar sind. Lagerhaltung über mehrere Monate und ein Radarsystem beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), wo drohende Lieferengpässe erkannt werden können, bevor sie wirklich wirksam sind. Damit können wir die Lieferbarkeit von Generika langfristig darstellen und die kurzfristige Wirkung bei den Kindern wird unmittelbar eintreffen. Weil wir haben derzeit noch Belieferbarkeit in anderen europäischen Ländern. Erhöhen wir dort die Preise, wird ein größerer Teil der Menge auch nach Deutschland kommen. Die Zubereitung von Alternativen durch die Apotheker wird von der Wirtschaftlichkeit Prüfung ausgenommen, sodass hier Klarheit herrscht für die verschiedenen Ärzte, aber auch für die Apotheker. Das wird alles erstattet. Und wie gesagt, wir erhöhen die Erstattung der Fähigkeit der Medikamente für die Säfte, die hier knapp sind, sofort um 50 Prozent, sodass auch noch Angebote auf den Markt kommen, die zu dem jetzigen Festbetrag nicht auf dem Markt wären." "Deutschland hat diese Probleme, weil wir tatsächlich bei der Bepreisung von Generika sehr radikal gewesen sind. Hier haben wir wirklich ein System genutzt, wo die Preise so stark gedrückt worden sind, dass nur noch der billigste Hersteller eine Chance am Markt gehabt hat. Wir sind jetzt so weit gegangen. Ein ähnliches Problem habe ich auch schon bemängelt bei der Art und Weise, wie wir mit Fallpauschalen in bestimmten Bereichen des Krankenhauses vorgehen. Die Wirtschaftlichkeit ist ein wichtiges Gebot. Man darf die Schraube aber nicht überdrehen." "In der Tat ist es so, dass wir hier mit Mehrkosten rechnen müssen, aber wir brauchen eine gewisse Sicherheit und das jetzige System funktioniert nicht. Das sind keine großen Kosten. Wir werden das genau beziffern. Wir müssen hier rasch handeln. Ja, aber der größte Teil der Arzneimittelkosten entsteht bei den Medikamenten mit Patentschutz und nicht bei den Medikamenten ohne Patentschutz. Somit also ist hier mit Mehrkosten zu rechnen. Die sind aber nicht beitragssatzrelevant. Wir müssen aber hier Geld in die Hand nehmen, sonst kann das System nicht funktionieren."
In Apotheken in Deutschland sind Medikamente für Kinder, so Fieber- und Hustensäfte ein knappes Gut geworden. Der Bundesgesundheitsminister will nun schnell gegensteuern – und erklärt auch, wie.

Das Angebot wichtiger Arzneimittel besonders für Kinder soll nach Plänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach besser gegen Lieferengpässe abgesichert werden. "Wir haben es mit der Ökonomisierung auch in der Versorgung mit patentfreien Medikamenten übertrieben", sagte der SPD-Politiker am Dienstag. Um gegenzusteuern, sehen Eckpunkte für ein Gesetz unter anderem neue Preisregeln vor. Das soll Lieferungen für Anbieter wirtschaftlich attraktiver machen. Europäische Produzenten sollen generell stärker zum Zuge kommen. Die gesetzlichen Krankenkassen sprachen von einem "Weihnachtsgeschenk" für die Pharmahersteller, die wiederum begrüßten die Pläne.

Lauterbach erläuterte: "Dass man in Deutschland nur schwer einen Fiebersaft für sein Kind bekommt, der im Ausland noch erhältlich ist, ist inakzeptabel." Daher solle die Preisgestaltung bei Kinderarzneien radikal geändert werden. "Wenn zum Beispiel die jungen Patientinnen und Patienten auf teurere Medikamente ausweichen müssen, sollen die Krankenkassen künftig deutlich mehr Kosten als heute übernehmen. Das wird kurzfristig für mehr Angebot bei Kinderarzneimitteln sorgen." Engpässe gab es zuletzt auch bei Präparaten für Erwachsene, etwa bei Antibiotika und Krebsmedikamenten.

Ein Überblick über die geplanten Preishebel:

Kindermedikamente

Für bestimmte Arzneimittel soll künftig das bis zu 1,5-Fache des "Festbetrags" von den gesetzlichen Kassen übernommen werden - also des maximalen Betrags, den sie bisher für ein Präparat an den Hersteller zahlen. Lauterbach sagte in der ARD, die Kassen würden unmittelbar angewiesen, diese 50 Prozent mehr zu zahlen. Nach Eckpunkten des Ministeriums sollen Experten beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Liste mit Präparaten erstellen, die für die Kinderversorgung erforderlich sind. Um Kostendruck zu senken, soll es für sie auch keine Rabattverträge mehr geben dürfen.

Lieferketten

Die Versorgung soll generell besser abgesichert werden, auch gegen Probleme bei Lieferungen aus Asien und Abhängigkeiten von einzelnen Anbietern. Den Kassen soll zunächst für Krebsmedikamente und Antibiotika eine "Standortberücksichtigung" bei Ausschreibungen vorgegeben werden. In einem zusätzlichen Teil ergänzend zur Vergabe nach dem Preis sollen sie einen Zuschlag nach dem Kriterium "Anteil der Wirkstoffproduktion in der EU" erteilen. Das solle dafür sorgen, dass zuverlässigere europäische Hersteller bevorzugt werden, erläuterte Lauterbach. Für bestimmte Mittel soll auch vorgesehen werden, dass sie über mehrere Monate auf Lager zu halten sind.

Apotheken

Im Blick stehen auch Apotheken, die sich bei gerade nicht lieferbaren Mitteln um Alternativen für die Kundinnen und Kunden kümmern. "Ist ein Medikament nicht vorrätig, dürfen sie künftig ein wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben oder aus Pillen Säfte machen", erläuterte Lauterbach. "Müssen sie dafür mit dem Arzt Rücksprache halten, wird das zusätzlich honoriert." Laut den Eckpunkten ist eine Pauschale von 50 Cent vorgesehen. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände nannte den Betrag "eine Frechheit". Damit werde teils stundenlanger Arbeitsaufwand nicht ansatzweise bezuschusst.

Beobachtung

Um früher zu erkennen, bei welchen Mitteln sich Engpässe abzeichnen, soll die Versorgungslage genauer überwacht werden. Das zuständige Bundesinstitut soll dafür zusätzliche Informationen von Herstellern und dem Pharma-Großhandel bekommen - etwa zu aktuellen Produktionsmengen nach Fertigungsstandort und zur Lagerhaltung von Wirkstoffen, Zwischenprodukten und Fertigarzneimitteln. Aktuell gibt es laut Bundesinstitut gut 330 Meldungen zu Lieferengpässen. Das Ministerium weist darauf hin, dass nicht in jedem dieser Fälle auch ein Versorgungsengpass besteht. Es wären also Alternativen da.

Umgesetzt werden sollen die Gesetzespläne im neuen Jahr. Lauterbach sagte, eine "Discounter-Politik" habe die Versorgung kontinuierlich über Jahrzehnte verschlechtert. "Das zurückzudrehen, geht nicht über Nacht." Zwar seien patentgeschützte Medikamente in Deutschland eher teuer - für Mittel ohne Patentschutz sei es bisher aber kein attraktiver Markt. Das führe dazu, dass gefragte Produkte eher in andere Staaten wie in die Niederlanden gingen, erläuterte er in der ARD. Über die Finanzierung sei in der Regierung zu sprechen. "Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder hier einsieht, dass wir handeln müssen." Er ziehe da mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) an einem Strang.

Krankenkassen üben Kritik

Von den gesetzlichen Kassen kam Kritik. Spitzenverbands-Chefin Doris Pfeiffer sprach von einem "beeindruckenden Weihnachtsgeschenk für die Pharmaunternehmen". Ob Medikamente deshalb verlässlicher gen Europa geliefert oder mehr hier produziert würden, stehe in den Sternen. Aus Sicht der Pharmabranche hingegen hat das Ministerium endlich erkannt, dass das "Hauptsache-Billig-Prinzip" die Versorgung destabilisiere. Das gehe an die Wurzel des Problems, erklärte der Verband Pro Generika. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz erwartet keine kurzfristigen Wunder von den Plänen. "Sparwut der Kassen" habe Pflegebedürftige und Schwerkranke längst erreicht, sagte Vorstand Eugen Brysch. Es fehlten Antibiotika und radioaktive Arzneimittel. "Das muss ein Ende haben."

DPA
tkr/Sascha Meyer

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