Nach drei Jahren Pandemie zieht die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, Ellen Lundershausen, ein eher düsteres Fazit für das medizinische Personal. Mit Blick auf das Jahr 2023 sagt die Ärztin in der 428. Folge von "heute wichtig": "Die Situation hat sich eher verschlechtert." 90 Prozent der Patient:innen seien laut Lundershausen in Coronazeiten ambulant behandelt worden – und gerade in diesem Bereich wären medizinische Fachangestellte überhaupt nicht gewürdigt worden: "Bei zwei Jahren Corona werden auch Pflegekräfte verschlissen. Die können diese Arbeitsverdichtung nicht mehr aushalten."
Corona, Grippe und RS-Viren – Hausärzte sind am Limit
Die Überlastung aber wird nicht weniger. Hausärzt:innen sind momentan vor allem von der Grippewelle überlastet, sagt Ellen Lundershausen: "Das hat natürlich was damit zu tun, dass die Auseinandersetzung unseres Immunsystems mit Infektionen, wie wir sie sonst immer im Herbst und Winter haben, nicht stattgefunden hat. Wir haben uns mit Corona befasst." Verwunderlich sei das nicht, viele Ärzt:innen, auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach, haben genau dieses Szenario vorhergesagt.
Zeugnis für den Gesundheitsminister: "Karl Lauterbach fragt uns zu keinem Thema"
Die Arbeit des Gesundheitsministers bewertet Ellen Lundershausen, die auch HNO-Ärztin und Präsidentin der Landesärztekammer Thüringen ist, zwiegespalten. Sein Einsatz sei sehr corona-orientiert, unter diesen Gesichtspunkten habe er auch nicht viel falsch gemacht. Allerdings habe man ja bereits "ein bisschen Corona geübt", als Lauterbach Gesundheitsminister wurde. Unter anderen Gesichtspunkten sei die Ärzteschaft aber nicht immer glücklich. Das liege an der Kommunikation: "Karl Lauterbach fragt uns zu keinem Thema, sondern setzt uns eher Tatsachen vor", kritisiert die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer.
Fachkräftemangel in Deutschlands Kliniken: "Wir müssen an den Strukturen arbeiten"
Eines der größten Probleme, das unbedingt angegangen werden muss, ist ihrer Meinung nach der Fachkräftemangel: "Wir werden im Laufe der nächsten zehn Jahre nicht mehr Fachkräfte bekommen." Lange Zeit habe man geglaubt, man könne sich diese Fachkräfte aus dem Ausland holen. "Das ist aber aus dem jetzigen Stand nicht wahnsinnig gut geglückt", sagt sie im Podcast. Es müsse deshalb dringend an den Strukturen gearbeitet werden. Was Ärzt:innen angeht, müsse man schon jetzt für Studienplätze sorgen. Denn fertig ausgebildet sind die Studierenden erst in etwa 12 Jahren.
Mit Blick auf 2023 und die kommenden Jahre ist sich Ellen Lundershausen sicher: "Corona wird bleiben. Dass Corona ganz weg geht, wird es, glaube ich, nicht geben." Für die Menschen hofft die Ärztin, dass sie sich wieder sicherer fühlen können, damit man "nicht so angstbesetzt ist".
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