Neulich traf ich meine Freundin Christine in einem angesagten peruanischen Restaurant. Ich hatte sie länger nicht gesehen und dachte nur: Wow, sieht die gut aus! Irgendwas war anders. Doch was nur? Dieses Strahlen. Noch bevor das Ceviche auf dem Tisch stand, platzte es aus ihr heraus: "Du, ich habe neulich mal orgasmische Meditation ausprobiert!" Ich genehmigte mir einen großen Schluck Weißwein, ehe ich mich traute zu fragen: "Äh, was zur Hölle ist denn das?!"
Christine hat es mir mit einem genüsslichen Lächeln auf den Lippen erklärt. Seit sie angefangen habe zu meditieren, habe sich ihre sexuelle Sehnsucht verändert. "Mir fehlte plötzlich eine Tiefe und Verbindung zu meinen Sexpartnern." Daraufhin ging sie in ihrem Umfeld auf Spurensuche: Wie ist eigentlich der Sex der anderen?
Tja, offenbar nicht gerade gut: "Keine Frau mit der ich offen sprach, schien sexuell erfüllt zu sein", berichtete Christine. "Viele hatten noch nie einen Orgasmus. Andere hatten monatelang keinen Sex mit ihrem Partner, ließen es nur so über sich ergehen oder hatten Schmerzen. Andere hatten mit Anfang 30 noch nie eine feste Beziehung oder Partner, die fremdgehen."
Das hat mich nicht besonders überrascht. Vielen Frauen fällt es schwer, herauszufinden, was ihnen gut tut und ihre Bedürfnisse dann im zweiten Schritt auch gegenüber ihrem Partner zu klar formulieren. Viele täuschen lieber vor, als sich der eigenen Sexualität zu stellen.
Über solche Tabus muss natürlich gesprochen werden – "sonst hat das schlimme Auswirkungen auf alle möglichen Lebensbereiche", war sich Christine sicher. "Wenn eine Frau nicht mit ihrer Sexualität verbunden ist, dann fehlt ihr Kraft."
Orgasmus + Meditation = Sex-Trend!
Orgasmische Meditation sei nun so etwas wie ein Gegenmittel. Aber wie lief sowas eigentlich ab? Legte man sich in solchen Kursen einfach nebeneinander auf Yogamatten, bekam einen Partner zugewiesen und los ging's?! "So ähnlich", sagte Christine und lachte. "Die Frau legt sich mit geöffneten Schenkeln auf den Boden. Daneben sitzt der (angezogene) Mann, und streichelt fünfzehn Minuten lang mit dem Zeigefinger ihre Klitoris. Dabei trägt er Handschuhe." Als Frau gäbe man bei Bedarf freundliche Anweisungen wie ,Etwas mehr rechts, ja danke.'
Das klang in meinen Ohren ganz schön mechanisch, gar nicht sexy. Oder? Offenbar doch! Christine hatte es selbst ausprobiert – und war begeistert: "Der Druck zu kommen fällt beim OMen weg", erklärte sie mir. "Frauen sollen dabei selbst erst einmal millimetergenau herausfinden, was ihnen Freude bereitet." Das sei ein sehr feministischer Ansatz. Immerhin hätten es Frauen in der heutigen Gesellschaft zum Teil immer noch schwer, selbstbewusst aufzutreten und ihre sexuelle Freiheit auszuleben.
"Für mich gehört Sex dazu, wenn wir uns selbst kennenlernen und wachsen wollen", erklärte mir Christine, die schon mit verschiedenen fremden Männern geOMt hatte. Männer, für die sie keinen starken Gefühle hatte und denen sie auch nicht gefallen wollte. Zuerst habe es sie Überwindung gekostet, sich zu entblößen – "aber dann war es wunderbar befreiend."
Das Ganze sei natürlich kein Ersatz für echten Sex. Was sie faszinierte waren "achtsame, sensible Männer, die voller Hingabe Frauen erforschen".
Hm, das klang ja dann irgendwie doch ganz sexy. Trotz der Handschuhe. Sich einfach hinlegen und hingeben. Ohne vorheriges Gebalze. Tschüß, Performance-Druck!
Sexualität als Motor und Kraftquelle", nannte es Christine, die in ihrem neuen Buch "Am Ende der Sehnsucht wartet die Freiheit" (Leo Verlag) ausführlich über ihren Weg zu sich selbst berichtet, der sie bis zum Dalai Lama und in ein nepalesisches Schweigekloster führte.
Spätestens, als das Dessert kam, war mir klar, woher Christine ihr Strahlen hatte. "Durch OM habe ich eine neue Beziehung zu meinem Körper und meiner Sinnlichkeit entwickelt. Seitdem fliegen viel mehr Männer auf mich. Ich bin satt, glücklich, froh – das ist attraktiv." Halleluja, und wie.
