Deutscher Schulpreis 2016 Was macht eine Schule mit 100.000 Euro? Vielleicht ein Porsche für den Schulleiter?

Von Ingrid Eißele, Berlin
Seit zehn Jahren wird der Deutsche Schulpreis verliehen, in diesem Jahr gewann eine Grundschule in Schüttorf den Hauptpreis von 100.000 Euro. Was mit dem Geld passiert, diskutieren die Gewinner noch.

Träumen darf man ja mal. Wie das wäre, 100.000 Euro zu gewinnen. Und dann? Mit dieser Frage darf sich jetzt die Grundschule auf dem Süsteresch im niedersächsischen Schüttorf beschäftigen. Sie hat den mit 100.000 Euro dotierten Deutschen Schulpreis gewonnen. Ausgezeichnet wurden fünf weitere Schulen, darunter zum ersten Mal auch eine deutsche Auslandsschule. Sie erhalten jeweils 25.000 Euro. (Preisträger siehe Kasten).

Der Deutsche Schulpreis gilt als die wichtigste und höchst dotierte Auszeichnung für Schulen in Deutschland. Er will, so sein Motto, das Lernen beflügeln. Das Preisgeld ist dabei eigentlich nur eine willkommene Ergänzung. Und dennoch sagt es viel über die ausgezeichneten Schulen aus. Denn fast alle haben daraus ein Projekt mit Langzeitwirkung gemacht. Nun kann sich die Schule in Niedersachsen – 270 Schüler, 20 Lehrer – ernsthaft Gedanken machen, wie sie das Preisgeld einsetzt, denn über die Verwendung entscheiden die Schulen selbst.

Deutscher Schulpreis

Mit dem Deutschen Schulpreis 2016 wurden in Berlin sechs Schulen ausgezeichnet. Hauptpreisträger ist die Grundschule auf dem Süsteresch in Schüttorf, Niedersachsen.

Vier weitere Preise (dotiert mit jeweils je 25.000 Euro) gingen an die Schule für Erwachsenenbildung in Berlin, das Humboldt-Gymnasium in Potsdam, die Freiherr-vom-Stein-Gemeinschaftsschule der Stadt Neumünster und die Schule St. Nicolai mit dem Standort Am Nordkamp auf Sylt. Der erstmals verliehene Sonderpreis für Deutsche Auslandsschulen ging an die Deutsche Internationale Schule Johannesburg und ist ebenfalls mit 25.000 Euro dotiert. Mit dem Deutschen Schulpreis zeichnen die Robert Bosch Stiftung und die Heidehof Stiftung seit zehn Jahren hervorragende Schulen in Deutschland aus, er gilt als der wichtigste Preis für Schulen in Deutschland. Seit Beginn im Jahr 2006 bewarben sich mehr als 1700 Schulen. Die Aktion wird unterstützt vom stern und der ARD. Ab sofort können sich Schulen für den Deutschen Schulpreis 2017 bewerben: www.deutscherschulpreis.de

Bescheidener Wunsch der Schüler

Die erste Preisträgerschule bekam 2006 noch 50.000 Euro, der Betrag wurde später aufgestockt. "Die Kinder hatten sich einen Erlebnistag gewünscht", erzählt Gisela Schultebraucks-Burgkart, Schulleiterin der Grundschule Kleine Kielstraße in Dortmund. Also ging man in den Wald, grillte Stockbrot, baute Hütten. Wichtig sei den Schülern gewesen, "dass die ganze Schule gemeinsam was macht, das zeichnet unsere Kinder aus".

Ein bescheidener Wunsch, aber eine tolle Aktion für eine Schule, die an Platzmangel leidet. Der Schulhof ist so klein, dass sich die Schüler die Pausenzeiten teilen müssen, "es passen nicht alle drauf". Mit dem Preisgeld finanzierte die Schule außerdem Fortbildungen für das Kollegium. Und kaufte Whiteboards für alle Klassenzimmer. "Diese Digitalisierung hätten wir uns so schnell nicht erlauben können", sagt die Schulleiterin.

Das Geld wird ganz unterschiedlich eingesetzt

Die Anne-Frank-Realschule in München, Hauptpreisträger 2014, baute ein großes Gartenhaus als Treffpunkt. Die Wartburg-Grundschule Münster, Hauptpreisträger 2008, kaufte Musikinstrumente. Die Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule in Göttingen, Gewinner des Deutschen Schulpreises 2011, investierte ihre Prämie unter anderem in eine Photovoltaikanlage auf dem Göttinger Rathaus. Schulleiter Wolfgang Vogelsaenger: "So verdient die Schule monatlich Geld für Projekte und tut nebenbei etwas für die Umwelt."

Diese Umsichtigkeit ist typisch auch für die Preisträgerschulen. Das Geld soll Früchte tragen. Allein schon die Entscheidung darüber wurde zum Lernprozess. An der Gesamtschule Barmen in Wuppertal, Hauptpreisträger des vergangenen Jahres, haben Schüler und Lehrer ihre Wünsche an eine Wand gepinnt. Eher bescheidene Träume sind darunter: "Die Kinder wünschten sich Bälle. Oder eine Sitzecke auf der Dachterrasse, was Gemütliches", erzählt Schulleiterin Bettina Kubanek-Meis. Die Kollegen hoffen auf besseren Lärmschutz in der Mensa. Die Schulleiterin wünscht sich "Bewegungsmöglichkeiten" für ihre Schüler, vielleicht ein Klettergerüst. Kann sein, dass daraus wieder ein Konzept entsteht. Mehr Bewegung in der Schule. Der größte Gewinn aber sei der Austausch mit anderen Schulen, sagt die Schulleiterin der ersten Preisträgerschule, Gisela Schultebraucks-Burgkart, "das ist der eigentliche Preis".

Schulen inspirieren sich gegenseitig

In der neu gegründeten Deutschen Schulakademie in Berlin lernen Schulen von Schulen und reflektieren die eigene Arbeit. Lernfähig zu bleiben, sich ständig verbessern zu wollen, gilt als Gütesiegel, gerade auch für die Besten. Gegenseitige Schulbesuche gehören dazu. Nach Dortmund zur Grundschule Kleine Kielstraße reisen mindestens 500 Besucher pro Jahr. Einmal pro Monat hat die Kleine Kielstraße einen festen Hospitationstag. Die Lehrer führen Kollegen, Wissenschaftler, Bildungspolitiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz durch die Schule und erklären, "wie klein wir angefangen haben", sagt die Schulleiterin. "Es geht bei diesem Austausch meist um ganz konkrete Dinge", etwa um das Sprachkonzept, um Inklusion. Die Termine sind bis nächstes Jahr nahezu ausgebucht.

Auch die Gesamtschule Barmen in Wuppertal ist seit der Auszeichnung mit dem Schulpreis im vergangenen Jahr enorm gefragt, es kamen mehr als 400 Besucher. Darunter Bürgermeister, flankiert von Schulleitern, die sich Anregungen für ihren Schulverbund holen wollen. Im Gegenzug bekommt die Gesamtschule Barmen Einladungen zu Tagungen, die neue Impulse bringen. Beispielsweise von Architekten und Gebäudemanagern, die sich dafür interessieren, wie die Atmosphäre eines schönen Schulgebäudes auf das Lernen wirkt – als "dritter Pädagoge".

"Ein Porsche für den Schulleiter?"

Ein Auftrag hat die Lehrerin und didaktische Leiterin Dorothe Block besonders gefreut. Sie sollte bei einem Kongress in Münster über ihre Schule und das Thema "Wege entstehen beim Gehen" sprechen. Eins ihrer Lieblingsthemen, denn "die Hauptwege sind starr und vorgegeben", sagt sie. Schulen, die weiterkommen wollen, müssten sich auf die Nebenwege wagen – und manchmal auch ins Gestrüpp. Auch Dorothe Block hat bei der Aufteilung des Preisgeldes einen Wunsch geäußert: "Etwas zurücklegen."

Grundvernünftig. Aber auch ein bisschen langweilig. Der Rektor der Schule in Schüttorf, die heute den Deutschen Schulpreis gewann, fragte seine Schüler: Wie wäre es mit einem Porsche für den Schulleiter? An seinem Kollegium müsse er noch arbeiten. Die Kinder, flachst er, habe er sofort auf seiner Seite gehabt.

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