Kopftuchstreit Kopftuch ja, Kruzifixe nein?

Der Kopftuchstreit geht in die nächste Runde. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird von Politikern, dem Lehrerverband und der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft kritisiert.

Prominente Politiker erwarten, dass der Kopftuch-Streit in absehbarer Zeit das Bundesverfassungsgericht erneut beschäftigen wird. Es sei wahrscheinlich, dass im Falle landesrechtlicher Kopftuch-Verbote muslimische Lehrerinnen abermals klagten, weil dann Landesrecht dem Grundgesetz widerspreche, sagte der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach. Ähnlich äußerte sich die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan. Der Islamrat für Deutschland kritisierte die fehlende Klarheit des Urteils vom Vortag.

Entscheidene Rechtsfrage nicht beantwortet

Auch Bosbach bemängelte am Donnerstag im Südwestrundfunk, dass das Bundesverfassungsgericht mit seinem Verweis auf die Verantwortung der Politik die entscheidende Rechtsfrage gar nicht beantwortet habe. Wenn aber Landesrecht mit der Bundesverfassung kollidiere, könnten sich die Karlsruher Richter nicht mehr vor einer Klärung drücken, sagte der stellvertretende Unions-Fraktionschef im Bundestag.

Nach Bosbachs Auffassung kann die mit dem muslimischen Kopftuch verbundene religiöse Beeinflussung von Schulkindern nicht von der Religionsfreiheit gedeckt sein. Es sei auch ein gewisser Widerspruch, wenn das Kruzifix als christliches Glaubenssymbol in der Regel nicht in der Schule geduldet werde, das Tragen eines Kopftuches hingegen schon. Auch Schavan äußerte im WDR die Erwartung, dass ein Landesgesetz wieder dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden müsse. Ein einfaches Verbot werde nicht genügen, weil sich damit auch andere Fragen nach religiösen Symbolen stellten.

Muslime bemängeln Mehrdeutigkeit

Der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland begrüßte einerseits, dass das Bundesverfassungsgericht muslimischen Lehrerinnen das Tragen eines Kopftuchs ausdrücklich nicht verboten habe. Andererseits bemängelte die Vertretung der Muslime die Mehrdeutigkeit des Urteils. Allerdings sei die Entscheidung auch kein Aufruf zu einem Verbot. Vor diesem Hintergrund sei es umso bedauerlicher, dass einige Bundesländer vor jeder sachlichen Prüfung eiligst Verbote angekündigt hätten.

Der Islamrat appellierte an alle Seiten, sachlich und ausgewogen zu handeln, zumal ein Kopftuch-Verbot einem Berufsverbot für muslimische Lehrerinnen gleich käme und der Integration von Muslimen in Deutschland schaden würde. Auch die Lehrer-Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnte vor einem Berufsverbot. Die Gewerkschaft werde künftige Klagen gegen Kopftuch-Verbote unterstützen, sagte GEW-Chefin Eva-Maria Stange dem "Mannheimer Morgen".

Lehrerverbands-Chef Josef Kraus sagte im Deutschlandradio, er hätte sich acht Jahre nach dem Kruzifix-Urteil des höchsten deutschen Gerichts eine eindeutigere Regelung im Sinne des Neutralitätsgebots in den Schulen gewünscht. Die Möglichkeit, ein Kopftuch zu tragen, gefährde an vielen Schulen den Schulfrieden, weil es zu Protesten von Eltern kommen könnte. Gleichzeitig forderte er die Länderparlamente auf, "möglichst rasch und möglichst einheitlich" zu entscheiden.

Weltanschauliche Neutralität

Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff bekräftigte die Absicht seiner Regierung, ein Kopftuch-Verbot zu verabschieden. "Es bleibt Aufgabe des Staates, die weltanschauliche Neutralität der Schulen zu garantieren", sagte der CDU-Politiker der "Berliner Zeitung".

Als "fatales Zeichen" kritisierte die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer das Urteil. Das Kopftuch sei "Symbol der Unterdrückung und Flagge des politischen Islamismus", sagte sie am Mittwochabend im SWR-Fernsehen. Eine Lehrerin repräsentiere jedoch den Staat und habe daher neutral aufzutreten.

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