Kustodie der Universität Leipzig stellt sensationelle Sammlung alter Meister aus
Nur wenige Zentimeter. Man bräuchte nur die Hand auszustrecken. Einem echten Rembrandt so nah zu sein! »Bärtiger polnischer Adliger mit Federmütze« heißt das ehrwürdige Werk von 1640/42 des niederländischen Meisters Rembrandt Harmensz van Rijn. Und es befindet sich durchaus in guter Gesellschaft: Zehn Ölbilder von Rembrandt sind insgesamt in der neuen Ausstellung der Kustodie der Leipziger Universität zu sehen. Nur wenige Schritte von ihnen entfernt zieren Werke von Bruegel, Raffael, Tizian, Renoir und Rubens die Stellwände.
Insgesamt 63 Stücke von 1450 bis 1920 werden gezeigt - eine Sensation! Und gerade deshalb ist die Sammlung nicht unumstritten. Schon vor der Eröffnung der Ausstellung entbrannte vor allem in den lokalen Medien ein Streit über die Echtheit der Bilder und die Seriosität der Leihgeber.
Die Meisterwerke gehören der Liechtensteiner Stiftung »Limacon«. Die Bilder seien vorher noch nie in einer Ausstellung gezeigt worden, hätten in Tresoren der Schweizer UBS-Bank gelagert, war über die Stiftung zu erfahren. Viele der Werke galten unter Experten gar als verschollen. Dass sie überhaupt in Leipzig zu sehen sind, ist purer Zufall: Ernst Ullmann, ehemaliger Ordinarius am Leipziger Institut für Kunstgeschichte war als Renaissance-Experte um ein Gutachten gebeten worden. Er sah die gesamte Sammlung und war begeistert. Ein Jahr später wurde er von Stiftungsrats-Präsidentin Palma Hamm angerufen. Sie war auf der Suche nach einem geeigneten Ausstellungsort. Zu Ullmanns Freude hatte die Leipziger Kustodie einen Termin frei.
Für Ullman besteht kein Grund, an der Echtheit der Bilder zu zweifeln. Die jahrhundertealten Werke - unter anderem von Vincent van Gogh, Leonardo da Vinci, El Greco und dem humanstischen Altmeister Albrecht Dürer - wurden in der Kölner Fachhochschule von Prof. Dr. Ingo Sander mit IR-Reflektographie auf Farbschichten durchleuchtet. In London untersuchten Dr. Libby Sheldon und Dr. Nicholas Eastaugh die Sammlung nach maltechnischen Kriterien. Keine der beiden Analysen habe an der Echtheit gezweifelt, bezeugt der Ausstellungskatalog. »Die Gutachten sprachen nicht dagegen«, versichert auch Sammlungskonservatorin Cornelia Junge von der Kustodie. Auf weitere Debatten lässt sie sich - wie alle Mitarbeiter der Kustodie - nicht ein.
Mittlerweile hat sich die Kustodie einen Trick ausgedacht, um die erhitzten Gemüter zu besänftigen. Die Kustodie sieht ihre Ausstellung als Ansatzpunkt für eine anregende Debatte. So macht man aus der Not eine Tugend. Wenn am 4. August die Tore der Ausstellung schließen, lädt der Kustos der Leipziger Uni, Rainer Behrends, alle Interessierte zu einer wissenschaftlichen Diskussion ein. Fachleute können dann ausgiebig über die Echtheit Caspar David Friedrichs »Landschaft mit Wasserfall im Abendlicht«, de Goyas »Bildnis der Sängerin Maria de Mosario Fernandez« oder Dürers »Bildnis der Mutter« von 1498/ 1500 streiten.
Dem Besucheransturm hat der Streit allerdings keinen Abbruch getan. Im Gegenteil: die Kunsthungrigen strömen förmlich in die Ausstellungsräume am Augustusplatz. Wann hat man auch schon einmal die Gelegenheit, zehn echte Rembrandts für einen studentenfreundlichen Obolus von drei Mark zu sehen. Wie echt die dann sind, ist eigentlich nicht mehr so wichtig. (ahei)
»Von Raffael bis Monet« ist noch bis zum 4. August im Kroch-Haus zu sehen. Geöffnet: Dienstag, Donnerstag, Freitag von 10-17 Uhr; Mittwoch 12-17 Uhr und Sonnabend 10-13 Uhr. Eintritt: 5 Mark, ermäßigt: 3 Mark.
Die Ausstellung wurde wegen der großen Zweifel an der Echtheit der Bilder vorzeitig geschlossen.