Die unendliche Weite, die riesigen Seen und Wälder, die Bergtouren durch die Rocky Mountains - wer im zweitgrößten Land der Welt studiert, wird automatisch zum Naturschwärmer. Doch Kanada bietet nicht nur eine Fülle von Freizeitmöglichkeiten, sondern auch ein überragendes Bildungssystem, für das es mehr Geld ausgibt als jedes andere westliche Industrieland. Im legendären Pisa-Schul-Test, bei dem Deutschland so jämmerlich abschnitt, lag Kanada auf den vorderen Plätzen, auch seine Hochschulen sind sehr gut ausgestattet.
Nach den USA ist Kanada das Land, in dem so viele Leute studieren wie nirgendwo sonst. Unter den Lieblingsländern deutscher Studenten kommt Kanada mit geschätzten 770 Studierenden im Jahr 2001 zwar nur auf Platz elf, doch die Aufstiegschancen sind gut: Nach den Terroranschlägen auf die USA und dem Irakkrieg scheint so manchem Kanada das angenehmere amerikanische Gastland zu sein. Auch weil es europäischer wirkt als die USA, niedrigere Studiengebühren erhebt und zweisprachig ist: Englisch und Französisch sind in Kanada gleichberechtigte Staatssprachen. Martin Nöllenburg, der im französischsprachigen Montréal studierte, musste sogar täglich hin- und herschalten: "In der Uni und in der WG haben wir englisch gesprochen, auf der Straße und in den Geschäften französisch - das ist das Einmalige an Montréal."
Im Internet
DAAD: Alle Basisinfos zum Studium in Kanada und weitere Links.
Homepage der kanadischen Botschaft mit Infos zur Aufenthaltsgenehmigung. Dort findet man auch eine nützliche Broschüre zum Download.
Uni-Ranking der Zeitschrift Maclean’s.
Weiteres Uniranking, das auf Umfragen unter 26.000 Studenten basiert.
Datenbank mit mehr als 10.000 under-graduate und graduate Programmen.
Bundesweite Informationsstelle für Anerkennung von Leistungsnachweisen.
Übersicht über Stipendien.
Gesellschaft für Kanadastudien, die auch Stipendien vergibt.
Website des Canadian Bureau for International Education, mit vielen Infos rund ums Studium in Kanada.
Ein Blick auf die Stipendienmöglichkeiten lohnt
In Kanada entsprechen die "Universities" oder "Colleges" unseren Hochschulen. An ihnen studiert man in einem drei- bis fünfjährigen "Undergraduate Program" mit Bachelor-Abschluss und kann danach ein zweijähriges "Master's Program" anhängen. Zudem gibt es "Community Colleges", die berufsbezogene Ausbildungsgänge anbieten, jedoch meist keinen akademischen Grad verleihen. Sowohl Universities als auch Community Colleges erheben Studiengebühren, die je nach Provinz und Fach variieren. Für das Studium eines geisteswissenschaftlichen Faches an einer Uni in Neufundland zahlen Ausländer 4.290 Euro pro Jahr, in der Provinz Ontario kann dasselbe Fach bis zu 8.125 Euro kosten. Am teuersten ist das Studium der Ingenieurwissenschaften, das bis zu 13.000 Euro teuer werden kann. Es lohnt also ein Blick auf die Stipendienmöglichkeiten, die die Kanadische Botschaft in ihrer Infobroschüre "Studieren in Kanada" aufgelistet hat. Über die Qualität der einzelnen Unis informiert das jährliche Ranking der Zeitschrift "Maclean's".
Das Studienjahr dauert von September bis Mai und ist in Terms oder Semester eingeteilt. Wer in Kanada studieren will, sollte sich etwa ein Jahr vor Studienbeginn bei der Hochschule seiner Wahl bewerben. Die Zulassungsprozedur ist langwierig, verlangt einiges an Zeugnissen, Nachweisen von Studienleistungen und nicht selten auch einen Sprachtest. Erst wenn man den "letter of acceptance" hat, kann man sich um die Studiengenehmigung und Einreiseerlaubnis kümmern. Endlich an der Universität angekommen, erleben deutsche Studenten oft eine Enttäuschung: Obwohl sie an ihrer heimischen Uni schon die Zwischenprüfung oder das Vordiplom abgelegt haben, werden sie zunächst nur in "Undergraduate"-Kurse gelassen. Das muss nicht unbedingt eine Zurückstufung sein, denn die Undergraduate-Zeit dauert ein Jahr länger und umfasst mehr Lehrstoff, als bis zur deutschen Zwischenprüfung abverlangt wird. Die Master-Klassen sind kleiner und natürlich von höherem Niveau. Deshalb lohnt es sich, schon vorher mit den Dozenten Kontakt aufzunehmen. Einige Dozenten, so berichten Studenten, lassen durchaus mit sich verhandeln.
Verschulteres Studiensystem als in Deutschland
Für Martin Nöllenburg, der in Karlsruhe Informatik studiert und sich in Montréal auf Bioinformatik spezialisierte, war das Jahr in Kanada auch fachlich ein Gewinn. Das Studiensystem kam ihm zwar viel verschulter vor als in Deutschland, und wegen der vielen Klausuren saß er ziemlich oft bis spät nachts am Computer. Dafür wurde ihm die Hälfte seiner Kurse zu Hause anerkannt und er erlebte, wie anders Uni sein kann: "Zwei Professoren und 15 Studierende – eine erstklassige Betreuung."
Wie teuer das Leben in Kanada ist, hängt davon ab, in welcher Provinz man wohnt, an der Atlantikküste im Osten ist es etwas preiswerter als im südlichen Ontario oder im Westen des Landes. Rechnen sollte man mit etwa 6.500 Euro pro Jahr. Wer in einer Wohngemeinschaft wohnt, kommt häufig billiger weg als in einem Wohnheim, das sich oft als Halbpension versteht. Unbedingt einplanen sollte man in seinem Budget das Reisen, denn das ist in Kanada einfach das Größte. Findet auch Martin Nöllenburg, der zwei Monate lang mit dem Zug von der Ost- zur Westküste reiste: "Man kann endlos fahren, ohne dass die Landschaft je eintönig würde."