Studierende an den deutschen Universitäten und Hochschulen sollen auch künftig bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss in der Regelstudienzeit keine Gebühren zahlen müssen. Eine entsprechende Änderung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) hat die Bundesregierung heute beschlossen. Bei Betroffenen, Parteien und in der Wirtschaft löste dies unterschiedliche Reaktionen aus.
Nach der HRG-Novelle sollen die Hochschulen nur bei deutlicher Überschreitung der Regelstudienzeit oder für ein Zweitstudium Gebühren erheben dürfen. Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn betonte, dass Studierende und Eltern einen sicheren finanziellen Rahmen benötigten.
Sie unterstrich, es bestehe kein Anspruch mehr auf ein lebenslanges gebührenfreies Studium. Das Gesetz sei auch für die Länder Anreiz, das Studium so zu organisieren, dass es in der Regelzeit »studierbar« sei. Kindererziehungszeiten oder Gremienarbeit müssten auf die Studienzeit, in so genannten Studienkonten, angerechnet werden.
Bulmahn forderte die Länder auf, die HRG-Novelle in kompatible Ländergesetze umzusetzen. Die Ministerin unterstrich, dass dabei die uneingeschränkte Mobilität der Studenten innerhalb Deutschlands unbedingt erhalten bleiben müsse.
Mit der Gesetzesnovelle sollen auch Bachelor- und Masterstudiengänge in das Regelstudienangebot überführt werden. Derzeit gibt es an deutschen Hochschulen etwa 1.000 dieser weiterführenden Studienangebote. Die Novelle soll noch vor der Sommerpause im Bundestag verabschiedet werden.
Die Ministerin verwies auf die im OECD-Vergleich geringe Zahl von Abiturienten, die in Deutschland ein Studium aufnehmen. In Deutschland beginnen den Angaben zufolge 28 Prozent der Schulabgänger ein Studium. Im OECD-Durchschnitt seien es 45 Prozent. »Wir können uns nicht leisten, so weiterzumachen«, sagte die Ministerin. Mit der Gesetzesnovelle sei sicher gestellt, dass niemand aus finanziellen Gründen auf ein Studium verzichten müsse.
Nach Angaben Bulmahns entspricht die Novelle inhaltlich den Meininger Beschlüssen. Vor rund anderthalb Jahren hatten sich die Ministerpräsidenten und Wissenschaftsminister der Länder in Meiningen bereits auf die Festlegung eines gebührenfreien Erststudiums geeinigt.
Soziale Selektion auf dem Weg ins Studium
Das Deutsche Studentenwerk (DSW) begrüßte die bundesweite Gebührenfreiheit für das Erststudium ausdrücklich. DSW-Präsident Hans-Dieter Rinkens erklärte, die letzte Sozialerhebung bestätige erneut und eindrucksvoll, »dass in Deutschland auf dem Weg ins Studium eine soziale Selektion stattfindet«.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hingegen nannte die Regierung »Blockierer besserer Studienbedingungen«. Der Beschluss verhindere dringend notwendige Anreize für Wettbewerb, Profilbildung und Qualitätssteigerung an den Hochschulen.
Die FDP-Bildungsexpertin Ulrike Flach warf Bulmahn einen Täuschungsversuch vor. Der Entwurf gebe den Ländern die Möglichkeit, in »begründeten Ausnahmen« doch Gebühren zu erheben. Die FDP lehne ein Gebührenverbot ab und verlange eine offene Diskussion über sozialverträgliche Studiengebühren.
Jusos und Juso-Hochschulgruppen ging die Novelle nicht weit genug. Juso-Chef Niels Annen erklärte, die SPD-Jugendorganisation wolle auch für das Zweistudium und für weitere Studien keine Gebühren akzeptieren.