Die bewegende Geschichte machte schnell im Netz die Runde: Via Twitter suchte der 24-jährige Norman nach seinem alkoholkranken Vater, der seit zwölf Jahren verschwunden war. Er fand ihn. Mit dem stern sprach er darüber, wie er die Suche erlebte und wie es nun weitergeht.
„Das hier fällt mir schwer, aber vielleicht kann Twitter helfen. Ich suche meinen Papa. Er ist obdachlos und soll in Hamburg leben. Sein körperlicher Zustand ist vermutlich äußerst schlecht.“ Mit diesen Worten begann am 25. Dezember eine außergewöhnliche Suche. Der 24-jährige Norman postete die Worte auf Twitter.
<blockquote class="twitter-tweet" data-width="540"><p lang="de" dir="ltr">Das hier fällt mir schwer, aber vielleicht kann Twitter helfen.<br><br>Ich suche meinen Papa.<br><br>Er ist obdachlos und soll in Hamburg leben. Sein körperlicher Zustand ist vermutlich äußerst schlecht. Das Foto ist circa ein Jahr alt.<br><br>Ein Retweet würde mir alles bedeuten.<br><br>Danke! <a href="https://t.co/zAKntDRAb1">pic.twitter.com/zAKntDRAb1</a></p>— Norman Wolf (@deinTherapeut) <a href="https://twitter.com/deinTherapeut/status/945317420591407104?ref_src=twsrc%5Etfw">December 25, 2017</a></blockquote>
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Die Reaktionen waren gewaltig, wenn auch sehr unterschiedlich: Während ihm viele Twitter-Nutzer direkt hefen wollten, mäkelten andere, er solle seinen Vater nicht so in die Öffentlichkeit ziehen. Andere glaubten Normans Geschichte schlicht nicht.
Doch der junge Mann, der – was die Suche extrem erschwerte – gerade für ein Jahr als Au Pair in den USA lebt, ließ sich nicht entmutigen. Er wusste, dass sein Vater nach ihm suchte.
"Ich wusste seit einem Jahr, dass er noch lebt", so Norman im Gespräch mit dem stern. Zuvor hatte er mehr als acht Jahre lang nichts mehr von seinem Vater gehört, seit zwölf Jahren lebte der nicht mehr zuhause. Schon damals war der ehemalige Dachdecker alkoholkrank gewesen. Norman hatte irgendwann geglaubt, dass er vermutlich nicht mehr am Leben sei. Bis er eine Nachricht bekam:
<blockquote class="twitter-tweet" data-width="540"><p lang="de" dir="ltr">Vor ungefähr einem Jahr meldete sich ein Mann namens Alex bei mir.<br><br>Mein Vater habe ihn auf der Straße angesprochen und gefragt, ob er ihm helfen könne, seine Söhne zu finden.<br><br>Alex suchte mich auf Facebook, schickte mir eine Nachricht und hängte das Foto an.</p>— Norman Wolf (@deinTherapeut) <a href="https://twitter.com/deinTherapeut/status/945351369552252929?ref_src=twsrc%5Etfw">December 25, 2017</a></blockquote>
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Über die kommenden Wochen verfolgten viele Twitter-Nutzer und auch viele Medien Normans Suche, seine Erfolge und seine Rückschläge. "Das war vor allem Überforderung", sagt er. Mit einigen Medien habe er "auch schlechte Erfahrungen gemacht". Er ärgert sich über reißerische Berichterstattung. Andere hätten ihn aber unterstützt.
Dann bekam er die entscheidende Nachricht
Und schließlich bekam er die Nachricht, dass jemand wisse, wo sein Vater sei. In Hamburg. Nach mehreren Versuchen konnte über Kontaktpersonen ein Telefonat arrangiert werden. Norman hatte sich im Vorfeld viele Gedanken gemacht:
<blockquote class="twitter-tweet" data-width="540"><p lang="de" dir="ltr">Vielleicht ruft er doch nicht an.<br><br>Vielleicht wird er betrunken sein.<br><br>Vielleicht will er keine Hilfe.<br><br>Vielleicht will er nur, dass ich aufhöre zu suchen.<br><br>Vielleicht ist nichts mehr von der Person übrig, die ich "Papa" nenne.</p>— Norman Wolf (@deinTherapeut) <a href="https://twitter.com/deinTherapeut/status/948867162894192640?ref_src=twsrc%5Etfw">January 4, 2018</a></blockquote>
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Doch das Gespräch verlief gut. Herzlich, emotional. "Du weißt doch, mich kriegt nichts klein", sagte sein Vater. Norman stieg in den nächsten Flieger und kam in die Hansestadt. Begleitet und unterstützt wurde er dabei von seiner besten Freundin Lisa.
Er fand seinen Vater. Schlafend in einer Bankfiliale. Ganz offensichtlich hatte er getrunken – und er erkannte Norman zuerst nicht. Ein schwieriger Moment. "Er war in einem ganz anderen Zustand, als ich erwartet hätte. Er wirkte viel älter, es ging ihm viel schlechter. Das war schon heftig." Doch die Distanz verflog schnell: "Trotzdem habe ich gemerkt, dass er immer noch mein Papa ist!"
Nachdem Norman ein Foto mit seinem Vater auf Twitter postete, stand sein Telefon vorerst nicht mehr still. "Ich kann verstehen, dass die Medien die Geschichte jetzt auch abschließen wollen", sagt er geduldig. Für ihn selbst geht das aber nicht so einfach: "Für mich fühlt sich das gar nicht abgeschlossen an!"
Vielmehr beginnen für Norman gerade erst viele Dinge. Viel Organisation, viel Arbeit. "Da wird noch viel zu tun sein!" Das wichtigste sei erst einmal, seinem Vater "warme Klamotten zu besorgen." Dann werde es daran gehen, "ihm finanzielle Hilfe zu organisieren". Bei all dem baut der 24-Jährige auf die Unterstützung von zwei Kontaktpersonen in Hamburg, und auf seine Freundin Lisa. Er selbst wird erst in einem Jahr wieder in Deutschland sein.
<blockquote class="twitter-tweet" data-width="540"><p lang="de" dir="ltr">Ausgeweint, ausgeschlafen, ausgepackt.<br><br>Jetzt geht es daran, die letzten Tage aufzuarbeiten. Hilfsangebote durchzusehen, nächste Schritte zu planen.<br><br>Ich will Euch nichts vormachen: Das wird ein langer Weg, Leute.</p>— Norman Wolf (@deinTherapeut) <a href="https://twitter.com/deinTherapeut/status/959092887454613511?ref_src=twsrc%5Etfw">February 1, 2018</a></blockquote>
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Norman erhielt viele Hilfsangebote
Aber eine Vertrauensperson wird versuchen, regelmäßige Telefonate zwischen Vater und Sohn zu ermöglichen: "Ich hoffe, wöchentlich", sagt Norman. "Das ist aber nicht ganz einfach mit meinem Papa, der Alkohol hat leider schon seine Spuren hinterlassen. Oft hat er Absprachen vom Vortag am nächsten Morgen wieder vergessen."
Wie er seinem Vater auf lange Sicht helfen kann, darüber grübelt er nun nach. "Ich habe über Twitter viele Hilfsangebote bekommen. Die schaue ich mir jetzt in Ruhe nach und nach an."