Fleisch ist ein Ramschartikel – immer noch. Und das, obwohl seit Jahren bekannt ist, dass Billigfleisch mit einem großen Haken kommt. Eine ethisch fragwürdige Tierhaltung ist dabei nur ein Aspekt. Immer wieder gibt es Vorstöße, das Fleisch zu verteuern und damit auch das Konsumverhalten der Verbraucher:innen in eine nachhaltigere Richtung zu steuern. Eine Idee: eine Fleischsteuer. Der Finanzminister sträubt sich bisher dagegen und steht damit so ziemlich allein. Denn die Deutschen, das zumindest ist das Ergebnis einer Umfrage, unterstützen eine solche Steuer – allerdings unter einer Bedingung.
Forscher:innen der Universität Hamburg haben ein Referendum simuliert, bei dem 2800 Erwachsene für sechs Steuerbeträge angeben sollten, ob sie für eine Fleischsteuer stimmen würden. Die Studie gilt als repräsentativ für Deutschland. 62 Prozent der Teilnehmer:innen gaben an, mit einer Steuer von 19 Prozent pro Kilogramm Fleisch einverstanden zu sein. Je höher die Steuer ausfiel, desto geringer allerdings die Zustimmung. Eine Steuer von 1,56 Euro pro Kilogramm wären demnach nur noch 23 Prozent der Befragten bereit zu zahlen. Und: Die Akzeptanz ist gekoppelt an den Grund für den Mehrpreis.
Deutsche wollen eine Fleischsteuer zum Wohle der Tiere
So zeigte sich, dass die Akzeptanz der Steuer deutlich höher ausfiel, wenn sie als "Tierwohlabgabe" bezeichnet wurde, als wenn sie "Klimaabgabe" genannt wurde. Die Einnahmen würden entsprechend in die Verbesserung von Haltungsbedingungen beziehungsweise in Klimaschutz investiert, hieß es in der Studie. Eine knappe Mehrheit unterstützte dies und zeigte sich bereit, sogar 39 Cent pro Kilogramm mehr zu bezahlen, wenn es sich dabei um eine "Tierwohlabgabe" handelt.
Aber wie sinnvoll ist eine solche fixe Abgabe wirklich? Und würde diese hinsichtlich Fleischkonsum, Tierwohl oder Umweltschutz überhaupt etwas ändern? Tobias Gaugler ist Professor für Management in der Ökobranche. Er weist darauf hin, dass Sagen und Machen, fiktives Szenario und Realität, nicht immer übereinstimmen und bezieht sich auf einen eventuellen "attitude-bevaior-gap". Das ist die Kluft zwischen der Einstellung und des tatsächlichen Verhaltens der Teilnehmenden. Kurz: Würden auch noch so viele einer Steuer zustimmen, wenn sie diese tatsächlich bezahlen müssten?
Professor Achim Spiller ist Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft für "Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz" (WBAE). Für ihn liefert die Studie eine weitere Bestätigung dafür, "dass Tierwohl ein besonders wichtiges Kaufmotiv ist und als Rechtfertigung für eine Steuer besonders geeignet ist – besser als der Klimaschutz." Er gehört zu den Befürwortern einer umfassenden Nachhaltigkeitsbesteuerung von Lebensmitteln.
Lebensmittelsteuer für mehr Nachhaltigkeit
Ein je Kilogramm berechneter Steueraufschlag in Form einer Tierwohlabgabe, wie in der Studie vorgeschlagen, habe seiner Meinung nach den Vorteil, dass tierfreundlichere Erzeugnisse wie zum Beispiel Biofleisch gegenüber den preiswerten Produkten nicht benachteiligt werden; im Gegensatz zu einer Mehrwertsteuererhöhung, die den Preisabstand bei den hochwertigen Produkten noch weiter erhöhen würde. "Schon jetzt ist der hohe Preisaufschlag für Bio- und Tierwohlfleisch eine zentrale Kaufbarriere, die dazu beiträgt, dass der Marktanteil bisher in Deutschland sehr gering ist", sagt er.
Dass eine Bepreisung von Fleisch den Fleischkonsum wirklich verringern würde, sei wissenschaftlich sehr robust nachgewiesen und vielfach belegt, meint Linus Mattauch, Juniorprofessor für die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, Fakultät Wirtschaft und Management, Technische Universität Berlin. Er sagt: "Damit würden auch die negativen Umweltfolgen der Massentierhaltung eingedämmt – von Treibhausgasen über Nitrat im Grundwasser und Luftverschmutzung bis hin zur Entwaldung durch den Anbau von Futtermitteln."
Weniger klar sei allerdings, dass eine Fleischbepreisung für sich genommen das Tierwohl erhöhe. "Die Einnahmen aus einer Fleischbepreisung könnten aber dazu genutzt werden, Verbesserungen für das Tierwohl zu finanzieren. Verbesserungen in den Haltungsbedingungen sind teuer und von den Zuchtbetrieben nicht ohne spezifische Regulierung zu realisieren" führt er aus. Auch Spiller spricht sich dafür aus, dass die Einnahmen einer Fleischsteuer gezielt in die Unterstützung des Umbaus der Tierhaltung fließen sollten.
Sorgt die Fleischsteuer für Ungerechtigkeit?
Eine pauschale Preiserhöhung wie in der Studie vorgeschlagen, würde vor allem günstiges Fleisch verteuern. Das Science Media Center rechnet vor: "Aktuell kostet bei Rewe ein Kilogramm gemischtes Hackfleisch etwa 8 Euro und in der Bio-Variante 19 Euro. Eine pauschale Preiserhöhung von 40 Cent würde also beim Hackfleisch zu Discounterpreisen etwa fünf Prozent Preissteigerung bedeuten, beim Bio-Hackfleisch dagegen nur etwas mehr als zwei Prozent."
Würde der erhöhte Preis tatsächlich zu einem sinkenden Fleischkonsum beitragen? Spiller ist davon überzeugt. "Die vorliegenden Studien – die allerdings vor der aktuellen Inflationspreiskrise durchgeführt wurden – deuten auf einen Rückgang hin, der bei einer Preiserhöhung von beispielsweise zehn Prozent zu einer Nachfragereduktion von circa vier bis fünf Prozent führt", rechnet er vor. Angesichts der aktuell gesteigerten Preissensibilität der Verbraucher:innen könne die Reaktion auch etwas stärker ausfallen, meint er.
Nicht zu vergessen, dass Mehrkosten vor allem die besonders trifft, die finanziell schwach aufgestellt sind. Das bemängelt auch Gaugler. Bei einer steuerlichen Erhebung des Fleischpreises werde kein sozialer Ausgleich mitgedacht. "Fleisch könnte so zum Luxusgut werden und BürgerInnen, die sozialökonomisch unterprivilegiert sind, unzugänglich sein", bemängelt Gaugler.
Quelle: Nature, Food, Science Media Center, Umweltbundesamt