Die Aufregung war in den letzten Tagen groß: Til Schweiger bietet in seinem Hamburger Restaurant "Barefood Deli" Leitungswasser an. Das ist nicht weiter tragisch, der Preis dafür aber wurde hitzig in der Presse diskutiert. Einen Liter seines aufbereiteten Wassers aus der Leitung verkauft Schweiger für 4,20 Euro. Ein Viertelliter kostet 1,80 Euro. Die einen titeln "Abzocke", Schweiger hingegen findet die Preise in seinem Restaurant "human und absolut im Rahmen".
In einem ausführlichen offenen Brief im stern widerspricht der Schauspieler dem Vorwurf, sein Wasser wäre teuer. Für ihn sind die Kosten sogar niedrig im Vergleich zum Standard der Hamburger Gastronomie.
Aber was halten eigentlich die Hamburger Gastronomen von dem Preis? Wir haben mit Fabio Haebel, Küchenchef und Besitzer der Tarterie St. Pauli gesprochen: Zockt Schweiger ab, oder ist alles im Rahmen?
4,20 Euro für einen Liter aufbereitetes Leitungswasser: Zockt Til Schweiger seine Gäste ab?
Nein. Ich bin eher überrascht, wie sach- und fachlich Til Schweiger reagiert hat.
Inwiefern?
Es gibt einfach Positionen in Restaurants, mit denen man Geld verdient. Das ist völlig klar, dafür muss man sich nicht rechtfertigen. Als Gast muss man sich aber auch darüber im Klaren sein, dass Gastronomie sehr hart verdientes Geld bedeutet. Wir zocken niemanden ab. Würde Til Schweiger nur den Hahn aufmachen, wäre das kein guter Zug. Aber so muss ich Til Schweiger in Schutz nehmen. 4,20 Euro sind kein Schnäppchen, aber bei weitem auch kein Wucher. Zumal es in Hamburg seit Jahren Restaurants gibt, die von morgens bis abends voll sind, und für den gleichen Preis aufgearbeitetes Wasser aus der Leitung verkaufen.
Aber nur für Leitungswasser?
Das ist es ja nicht nur. Es ist aufbereitet. Man kann auswählen zwischen stillem Wasser und Wasser mit Kohlensäure. Wenn es mit Limette und Minze aromatisiert ist, umso besser. Und es ist egal, ob Wasser oder Trüffel-Tagliatelle: Für jedes Gericht, für jedes Getränk ist auch Miete, Strom, Wasser, Heizung, Tischdecke, Reinigung und so weiter mit eingerechnet. Die Gewerbemieten in der Gastronomie sind im Übrigen auch fast doppelt so hoch wie beim Einzelhandel, Tante-Emma-Laden oder der Kunstgalerie um die Ecke.

Und wie viel bleibt da an Gewinn?
Pro Gericht? Nicht mehr als 10 Prozent. Mehr sind die meisten Gäste nicht bereit zu zahlen. Da müsste es ein Umdenken in Gänze geben, damit die Gastronomen mit dem Essen einen angemessenen Gewinn erzielen und gleichzeitig bei den Getränken die Preise senken könnten. Denn vom Gewinn werden auch alle Ausfälle bezahlt: No-Shows, also wenn Gäste reservieren und nicht auftauchen, defekte Spülmaschine etc.
Til Schweiger argumentiert den Preis für sein Wasser mit einer nachhaltigen Aufbereitung. Dies wird gefiltert und veredelt. Ist das alles Augenwischerei?
Nein, keineswegs. Unser Hamburger Leitungswasser ist qualitativ hochwertig und hat Trinkwasserqualität. Außerdem hat der Verkauf von aufbereitetem Leitungswasser – trotz hoher Kosten – ganz klar Vorteile.
Und die wären?
Logistische Einsparungen, man benötigt keine Lagerflächen für Kisten und ohne Frage ist auch der CO2-Fußabdruck geringer, wenn der Transport weg fällt.
Til Schweiger erwähnt auch, dass der Deckungsbeitrag – also der Verkaufspreis minus Wareneinsatz – am untersten Ende dessen liegt, was für die Hamburger Gastronomie Standard ist. Stimmt das?
Sein Wareneinsatz ist sehr viel geringer. Eine Flasche 0,7-Liter-Wasser kaufe ich für 1,20 Euro. Ein Kubikmeter – also 1000 Liter Leitungswasser in Hamburg kosten hingegen nur 1,85 Euro brutto. Der Wareneinsatz für Til Schweiger ist daher verschwindend gering. Trotzdem ist das der am wenigsten zu beachtende Posten.
Was meinen Sie damit?
Klar zahlt man bei Til Schweiger auch Promifaktor. Aber die Kosten, die hinter einer Karaffe Wasser oder einem Gericht stehen, machen den Preis.
Wie kalkuliert man denn Preise auf der Karte?
Das ist relativ einfach: der reine Wareneinsatz mal dreineinhalb bis vier. Das ist der Faktor, den man nimmt, um alle Kosten vom Tag inklusive der Mehrwertsteuer abzudecken. Und dann gibt es Faustregeln: Wie zum Beispiel das Glas (0,2) bezahlt die Flasche (Wein). Wichtig ist aber auch: Es ist eine Mischkalkulation. Währen die Marge bei Getränken wie Wein und Wasser deutlich höher ist, ist sie beim Essen sehr viel geringer.
Das heißt?
Wenn man zum Beispiel einen Wareneinsatz runtergebrochen auf die Grammzahl pro Person von zehn Euro hat. Dann muss ich fürs Gericht bzw. fürs Menü mindestens 35 bis 40 Euro dafür nehmen, um Strom, Wasser, Gas, Heizung, die Miete an sich, Personalkosten, Steuerberater, Werbungskosten – natürlich minimal prozentual –, Mehrwertsteuer und zehn bis fünfzehn Prozent Gewinn zu kalkulieren. Dieser errechnete Preis steht dann auf der Karte.
Daher sind 4,20 Euro für aufbereitetes Leitungswasser vollkommen in Ordnung. Was ich viel frecher finde, ist der Preis für Schweigers Bier "Tils". Auch das kostet 4,20 Euro.
Was ist daran verkehrt?
Die Brauerei, die das Bier herstellt, ist Maisel. Das ist eine Großbrauerei. Hätte Schweiger sein Bier mit einer kleinen Craft-Brauerei kreiert, wäre der Preis gerechtfertigt. So finde ich die Kosten für ein Pils aber zu hoch.
