Herr Steuer, Sie haben eine Art Fetisch. Sie lieben Bärchenwurst. Wann haben Sie diese zum letzten Mal gegessen?
Tatsächlich ist das schon sechs, sieben Jahre her. Das muss so kurz bevor ich Vegetarier wurde gewesen sein. Übrigens: Gesichtswurst schmeckt genauso gut wie Bärchenwurst – beide habe ich sehr gern gegessen.
Tja, aber nun sind Sie Veganer. Dabei wollten Sie genau das nie werden. Was ist passiert?
Meine Frau und ich haben eine Doku gesehen. Nicht die erste zu dem Thema, nicht die schlimmste. Eigentlich war sie sogar komplett harmlos. Aber darin fiel der Satz, dass Schweine auf ihrem letzten Weg zum Schlachter Angst empfänden. Dass etwas Angst hat, weil ich es gern in Wurstform essen möchte, das hat sich mir so in den Kopf eingebrannt, dass ich mir dachte: Komm', lass' mal wirklich schauen, ob es nicht doch andere Möglichkeiten gibt.
Sie sprechen von fünf Phasen, die man auf dem Weg zum Veganismus durchläuft. Was hat es damit auf sich?
Im Abgleich meiner eigenen Erfahrungen und denen meiner Community konnte ich fünf Phasen der Veganisierung ausmachen. Die erste Phase ist die Ablehnung. In der habe ich mich auch sehr lange befunden. Die Phase, in der man überzeugt davon ist, dass man auf jeden Fall weiter sein Fleisch braucht und seine Kuhmilch und von Veganismus nichts hören will. Danach kommt das Interesse. Die Phase, in der einem schon vieles einleuchtet, aber man eben noch nicht so richtig weiß, wie man einen kompletten Wechsel angehen kann. In dieser Phase ist man bereits offen für Tipps und setzt diese auch um. Das führt zu Phase drei: Euphorie. Die kennt man auch von den Neujahrsvorsätzen. Am Anfang ist man topmotiviert – bis man ins Schleudern kommt. Zum Beispiel, weil man feststellt, dass in den Lieblingschips Milchzucker ist. Es folgt Phase vier: die Ernüchterung. Da werden einem die kleinen Hindernisse und Herausforderungen bewusst. Wenn man auch diese Phase überstanden hat, folgt Phase fünf: die Veränderung.
Bevor Ihr Buch so richtig startet, steht dort zu lesen, frei zusammengefasst: Familie, erst versucht sie dir ständig Obst und Gemüse anzudrehen, aber wenn man Veganer wird, findet das auch keiner gut. War Ihre Familie so anti-vegan?
Nein. Meine Familie ist sogar sehr offen. Meine zwei älteren Schwestern wurden früh von der Bravo inspiriert zu Vegetarierinnen. Ich konnte damals null nachvollziehen, warum sie auf einmal nicht mehr die leckeren Sachen essen wollten, die Mama kocht. Aber meine Eltern sagten immer: 'Probiert es aus'. Durch den Austausch mit anderen, habe ich allerdings festgestellt, dass bei vielen eben doch die Familie ein Problem ist, weil sie den Veganismus nicht duldet. Da wird dann nicht akzeptiert, dass auch mal vegane oder vegetarische Würstchen auf den Grill kommen – die Tradition ist eben eine andere. Und: Die Familie prägt uns in unserem Essverhalten stark.
Die einen sagen Veganismus ist gesund, die anderen verteufeln es als Mangelernährung. Was stimmt denn nun?
Eine ausgewogene vegane Ernährung ist definitiv gesund. Sicher, wenn ich mich vegan ernähre, muss ich schauen, dass ich Dinge wie Vitamin B12 supplementiert bekomme, da das in den Nahrungsquellen nicht vorkommt. Das nutzen viele als Argument gegen Veganismus, vergessen aber, dass B12 oftmals auch dem Tierfutter zugesetzt wird, sodass wir es dann wiederum über den Verzehr der Tiere aufnehmen. Dann kann ich es auch, das denke ich, gleich direkt nehmen. Und klar, natürlich kann man sich aber auch verdammt schlecht vegan ernähren. Nur weil irgendwo vegan draufsteht, ist das Essen nicht auch automatisch gesund. Das typische Beispiel: Pommes und Cola.
… auch für Sie war die Umstellung, wie Sie schreiben, nicht immer leicht. Ich sag nur: Blähungen. Was haben Sie dadurch gelernt?
(lacht) Viel über meinen Körper. Und dass es eine starke Partnerschaft braucht, wenn man große Veränderungen macht. Spaß beiseite. Wenn man sich mit veganer Ernährung auseinandersetzt, kommt man an Hülsenfrüchten nicht vorbei. Klar, die sind gesund. Aber in der normal deutschen Ernährung spielen Hülsenfrüchte keine große Rolle. Wenn dann von heute auf morgen nur noch Kichererbsen mit Sojabohnen und dazu Tofu gegessen wird, dann fragt sich der Darm im ersten Moment: Was soll ich damit jetzt anstellen? Ein Ergebnis können die bekannten Blähungen sein. Ich habe daraus gelernt, dass es wichtig ist, langsame, kleine Schritte zu machen, damit sich auch der Körper umgewöhnen kann.

Da ist Durchhaltevermögen vonnöten.
Meine Frau und ich waren auch zuvor schon lange Vegetarier. Wir haben also nicht von heute auf morgen komplett alles gegen Alternativen getauscht. Fleisch und Fisch spielten bei uns ohnehin schon gar keine Rolle mehr. Bei uns ging es daher mehr darum: Was ist mit Käse? Was ist mit Milch? Mein Vorteil war, dass ich ohnehin nicht der große Käse- und Joghurtfan bin. Das sind ja für viele die klassischen Fallen. Am meisten Disziplin musste ich bei Süßigkeiten aufbringen.
Haben Sie etwa Fleisch mit Süßigkeiten ersetzt? Ähnliches will man ja auch schon bei Menschen beobachtet haben, die dem Glimmstengel abschwören wollten.
Nein, aber ich esse einfach unglaublich gern Süßkram. Über Wasser gehalten habe ich mich am Anfang mit Oreo-Keksen und Manner-Waffeln. Inzwischen sind aber immer mehr Produkte auf den Markt gekommen, als Veganer habe ich da keinen Nachteil mehr.
Hand aufs Herz, Sie sind Veganismus-Profi, was machen Sie trotzdem immer noch falsch?
Geht es um die Ernährung, bin ich schon recht zufrieden. Auch wenn mein Anspruch an die Zukunft ist, mich noch regionaler und saisonaler zu ernähren. Und manchmal wäre es sicher ein bisschen besser, wenn ich noch mehr vorausplanen würde. Aber Veganismus ist natürlich viel mehr als die Ernährung: Klamotten, Kosmetikartikel und so weiter. Da gibt es definitiv noch Baustellen. Ich bin nicht perfekt. Aber ich schaue, was möglich ist und versuche kleine, aber ständige Änderungen anzubringen.
Von der Mittelmeersonne geküsst – so schmeckt deftige mediterrane Urlaubsküche

Zubereitungszeit 30 Minuten plus 17–20 Minuten Garzeit
Für 4 Personen
1 große Zwiebel
2–3 Knoblauchzehen
1 große rote oder gelbe Paprika
300 g Schneidebohnen (breite Bohnen)
2 große Karotten
1–2 Tütchen Safranfäden (à 0,1 g)
ca. 1 l Gemüsebrühe
3 EL Olivenöl
2 EL Tomatenmark
2 TL rosenscharfes Paprikapulver
ca. 1⁄2 TL geräuchertes Paprikapulver (Pimentón de la Vera)
300 g Risotto- oder Paella-Reis
400 g stückige Tomaten aus der Dose Salz
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
100 g TK-Erbsen
1 Biozitrone
1⁄2 Bund glatte Petersilie
1. Zwiebel und Knoblauchzehen schälen und fein würfeln. Paprika waschen, entkernen und in schmale Streifen schneiden. Bohnen putzen und in etwa 3 cm kurze Stücke schneiden. Karotten schälen und in dünne Scheiben schneiden. Safran mit 3 EL heißem Wasser verrühren. Gemüsebrühe erhitzen.
2. In einer großen Pfanne (wer hat, nimmt eine Paella-Pfanne) das Olivenöl erhitzen und die Zwiebeln darin gold- gelb andünsten. Knoblauch ganz kurz mit andünsten. Tomatenmark, beide Paprikapulver und Reis hinzufügen und etwa 1 Minute erhitzen, bis der Reis leicht geröstet ist. Die Tomaten unterrühren und kurz einkochen lassen.
3. Safran mitsamt Einweichwasser, 900 ml Gemüsebrühe, Paprika, Bohnen und Karotten hinzufügen. Mit Salz und Pfeffer großzügig würzen und aufkochen, dabei nicht umrühren. Bei niedriger Hitze etwa 12 Minuten leise köcheln lassen, bis die Flüssigkeit fast vollständig aufgesogen ist – auch zwischendurch nicht umrühren (!), sodass sich am Pfannenboden eine knusprige Kruste bilden kann.
4. Die Erbsen hinzufügen, ganz vorsichtig unter den Reis mischen und weitere 5–8 Minuten erhitzen, dabei nach Bedarf die restliche Gemüsebrühe darübergießen. Der Reis soll dann gar und das Gemüse knackig sein.
5. Zitrone abbrausen und in Scheiben schneiden. Petersilie waschen, trocken schütteln, Stängel und Blätter fein hacken und über die Paella streuen. Paella mit den Zitronenscheiben auf vier Tellern anrichten.
Sie zitieren im Buch den Satz: Der Veganer ist dem Veganer der größte Feind. Tatsächlich denken viele, wenn sie an Veganer denken, zuerst an Missionierungsversuche, Dogmatismus, schwingende Moralkeulen. Auch Sie sind auf Social Media sehr aktiv, teilen dort vegane Rezepte und Denkanstöße. Was sind Sie: Freund oder Feind?
Ich bin auf jeden Fall ein veganer Freund. Ich weiß aus Erfahrung, dass die Intention 'Lass uns das Tierleid reduzieren' bei vielen umschlägt in eine Art Missionierungsdruck, den Willen möglichst vielen Leuten die Augen zu öffnen. Als ich in der Euphorie-Phase war, habe ich auch gedacht: 'Das müssen doch alle anderen auch sehen! Wie kann man das denn nicht verstehen wollen?' Aber mittlerweile weiß ich, dass man Menschen zu nichts zwingen kann. Und wenn man es versucht, kommt meist das Gegenteil dabei raus. Mein Weg ist es, den Einstieg in den Veganismus zu erleichtern, indem ich einfache vegane Rezepte vorstelle. Auf der anderen Seite versuche ich, Veränderung durch Information zu schaffen. Aber alles auf eine Weise, die nicht zu druckvoll ist, zu übergriffig.
Am Ende des Buches gibt es sie aber dann doch, die semi-subtile Aufforderung, es doch einmal mal zu probieren: Vegan für eine Woche, auf Probe sozusagen, warum?
Wenn jemand mein Buch bis dahin gelesen hat, dann habe ich es im Idealfall geschafft, ihn von der Ablehnungsphase in die Interessensphase zu ziehen. In der möchte ich gern ansetzen und motivieren. Angelehnt an den Veganuar, wo man sich der Herausforderung stellt, 30 Tage lang vegan zu essen, möchte ich dazu einladen, dass mal eine Woche lang zu probieren. Da geht es dann allein schon darum, sich überhaupt Gedanken darüber zu machen, was eigentlich die sieben bis zehn Gerichte sind, die man regelmäßig kocht. Viel mehr sind es bei den meisten nämlich gar nicht. Und sich dann zu fragen, ob man an diesen etwas ändern kann. Am Ende kommen vielleicht sieben statt nur drei Gerichte ohne tierische Inhaltsstoffe aus. Ich erhoffe mir davon, dass die Menschen einen ähnlichen Aha-Moment erleben, wie ich ihn hatte und sie merken: So schwer ist es gar nicht, sich vegan beziehungsweise veganer zu ernähren.
Ihre Oma war der Meinung, erzählen Sie, dass drei Gesprächsthemen jede Party ruinieren: Politik, Religion und Ernährung. Wie würde sie es wohl finden, dass sie nun so viel übers Essen reden?
Meine Oma war ein unfassbar dickköpfiger Mensch. Sie ist auch sehr alt geworden, weil sie so dickköpfig war. Und sie war sehr meinungsstark. Sie hat immer gesagt: 'Steh' zu deiner Meinung und zieh' sie durch.' Ich glaube, nein, ich bin mir sicher, sie wäre stolz auf das, was ich tue.
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