Die großen Kaffeekonzerne haben Spezialitätenkaffees entdeckt. Auf sogenannten Online-Marktplätzen verkaufen sie Kaffees von kleinen, unabhängigen Röstereien, denen Transparenz, Nachhaltigkeit und gute Beziehungen zu den Produzentinnen und Produzenten im Kaffeeanbauland wichtig sind. "Local Heros" nennt Tchibo sie. Der Kaffeekonzern hat erst kürzlich seine Plattform "roasted" gelauncht, hinter "60beans" steht die Familie Jacobs, hinter "Roastmarket" Melitta.
Tchibo sagt, sie wollen kleinen Röstereien eine Plattform bieten, für mehr Sichtbarkeit, für eine bessere Logistik. Der Kaffee wird zum gleichen Preis angeboten wie bei den kleinen Röstereien. Andere sagen, dass die Kleinen auf diesen Marktplätzen untergehen und ihre Unabhängigkeit verlieren könnten. Wir haben mit Andreas Felsen von der Rösterei Quijote und Gina Staschke von Tchibo über Chancen und Gefahren gesprochen, die solch eine Plattform birgt.
Struktureller Angriff
Man muss sich das Konzept der Kaffeemarktplätze in etwa so vorstellen: Der Kaffeekonzern tritt an die Röstereien heran und bietet ihnen an, ihren Kaffee auf den Marktplatz zu stellen. Der Vorteil für die Röstereien: Logistik und Marketing wird ihnen aus der Hand genommen. Das genaue Geschäftsmodell gibt Tchibo nicht Preis. Fakt ist, Tchibo verdient mit dem Abverkauf Geld. Felsen vermutet etwa 25 bis 40 Prozent der Margen. Aber wer profitiert am Ende wirklich davon: die kleinen Röstereien oder am Ende doch der Großkonzern?
Felsen sieht die Marktplätze sehr kritisch, er bezeichnet sie als das "Amazon" der Kaffeebranche und möchte Röstereien dafür sensibilisieren, nicht blindlings mitzumachen: "Es ist ein struktureller Angriff auf die kleinen Röstereien. Man gibt zu viel aus den eigenen Händen."
Das sieht Gina Staschke von Tchibo ganz anders, für sie ist der Marktplatz eine zusätzliche Oberfläche für die kleinen Kaffeeröstereien. "Wir möchten, dass die kleinen Röster, die oft nur lokal agieren, von der Reichweite unserer Plattform profitieren können und wollen so dem Thema Speciality Coffee mehr Sichtbarkeit geben", sagt Staschke. "Wir wollen den Verbrauchern eine Anlaufstelle geben, bei der sie sich über jeden Kaffee informieren können."
Felsen ist sich sicher: "Es ist nur sinnvoll, auf einem Marktplatz zu verkaufen, wenn man keine eigenen Ambitionen hat, seinen Kaffee online zu verkaufen oder im Internet gefunden zu werden." Denn, wer einen Spezialitätenkaffee wie Five Elephant oder Black Delight heute googelt, landet nicht auf der Homepage der Rösterei, sondern auf dem Marktplatz von Tchibo.
Marktplätze als Amazon der Kaffeebranche
Der Kaffeekonzern argumentiert, dass Kundinnen und Kunden vielleicht erst auf ihrem Marktplatz auf einen Spezialitätenkaffee aufmerksam werden, und dann später auf der Homepage der Rösterei bestellen. Dass das höchst unwahrscheinlich ist, weiß jeder, der schon einmal seine Daten bei einem der Marktplätze wie Zalando oder Amazon hinterlegt hat. Man bestellt dort, wo es am bequemsten ist.
Fakt ist, Google bevorzugt die Seiten, die eine hohe Autorität haben. Das heißt, wer nicht explizit eine Kaffeemarke sucht, landet mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Seiten der Großkonzerne. Die Seiten der lokalen Röstereien rutschen immer weiter runter. Muss man sich also als Rösterei auf einem Marktplatz einfinden, um die Sichtbarkeit nicht zu verlieren? "Wir sind ja mit den Röstereien im ständigen Austausch", sagt Staschke. "Bislang hat uns noch niemand gesagt, dass sie einen Schaden davon getragen haben, ganz im Gegenteil."
Tchibo versichert, dass sie nicht das "Business der Röstereien ersetzen wollen". "Es soll additiv sein", sagt Staschke. "Wir geben den Röstereien eine Sicherheit und geben ihnen eine Abnahmezusage von Mengen. Tchibo ist ein langfristiger Partner."
Röstereien verlieren Kontakt zu Kunden
Felsen sieht das anders. Indem Röstereien ihre Kaffees auf den Plattformen anbieten, verlieren diese den Kontakt zu ihrer Kundschaft: "Alle großen Plattformen sprechen von Partnerschaft mit den kleinen Röstereien. Im Internet ist es absoluter Standard, dass die Partner mit Backlinks verknüpfen. Das tut aber keine einzige der Plattformen, sie möchten sämtlichen Traffic bei sich behalten und das Geschäft komplett kontrollieren."
Am Ende ist das Ziel der Marktplätze, wirtschaftlich zu sein und die eigenen Kaffees zu verkaufen oder die, die am gefragtesten sind. Andere werden dann unsichtbar, befürchtet der Kaffeeröster Felsen: "Roastmarket hat eigene Marken etabliert, die in der Suche nach Kaffees bevorzugt angezeigt werden. Melitta imitiert damit den Charakter von verschiedenen kleinen Röstereien."
Gibt es einen besseren Weg? "Wenn eine Plattform wie diese demokratisch und gemeinschaftlich aufgezogen würde, dann ja", sagt Felsen. "Wenn jeder transparent Einblicke in interne Kaffeesuchen und Algorithmen erhalten würde. Aber das wäre eine ideale Kaffeewelt und die gibt es nicht, außer wir erschaffen sie selber."