Exklusiver Schaumwein Sekt made in Großbritannien – warum die Champagner-Hersteller immer mehr Reben auf die Insel schaffen

Leere Champagnerflaschen und britische Flagge
Immer mehr Champagner-Produzenten bauen Wein in England an.
© Scott Barbour / Staff / Getty Images
Immer mehr namhafte Champagner-Hersteller bauen Wein im Ausland an – und das ausgerechnet auf der britischen Insel. Dort soll eine Art neue Champagne entstehen. Die Klimakrise macht es möglich. Kann die Zukunft des Schaumweins wirklich englisch sein?

Die Briten sind für vieles bekannt, ihren Humor, die Liebe zum Tee, zickige Royals. Aber für Weinbau nicht unbedingt. Und trotzdem wachsen dort seit einigen Jahren mehr und mehr Trauben an den Reben. Angetrieben wird der Boom ausgerechnet von einigen der exklusivsten Champagnerherstellern der Welt, die auf der Insel großes Potenzial entdeckt haben wollen. Welches das sein soll, ist Philippe Schaus jedoch unbegreiflich. Der Geschäftsführer von Moët Hennessy kann mit dem Drang der Konkurrenz, die Reben über den Ärmelkanal zu schaffen, nichts anfangen. Ein Fehler?

Das Champagner-Haus Taittinger kaufte vor sieben Jahren Boden in Südengland. So viele Hektar, dass man darauf fast 100 Fußballfelder bauen könnte. Konkurrent Pommery hatte sich einige Jahre zuvor sogar noch ein paar Hektar mehr geschnappt. Weitere Schaumweinhersteller wie Henkell-Freixenet versuchen es ebenso mit Weinbergen auf der Insel. Denn die Kanalküste könnte sich als Glücksgriff für die Hersteller erweisen. Der kalkhaltige Boden ähnelt dem in der Champagne, ist aber im Vergleich geradezu spottbillig zu haben. Das Klima ist dank des Golfstroms in der Region mild.

Im Zuge der Klimakrise und immer wärmer werdenden Sommern könnte das Gebiet daher, glauben Experten, irgendwann sogar der Champagne den Rang ablaufen. "Während der Weinsaison sind die Durchschnittstemperaturen in Südengland ungefähr so, wie sie vor Jahrzehnten in der Champagne", erklärte Weinexpertin Anne McHale "Euronews". Ein Potenzial, dass die Champagner-Hersteller erkennen würden.

Südengland als die Champagne von morgen?

Die Arme Richtung Norden auszustrecken und über die Grenzen der Champagne hinauszuschauen, ist daher auch als Ansatz der Produzenten zu verstehen, die eigene Zukunft im Schaumwein-Business zu sichern. Philippe Schaus will davon nichts wissen. Moët Hennessy habe keinerlei Ambitionen nachzuziehen. Pläne, ebenfalls in England nach Böden zu suchen, habe das Unternehmen nicht, sagte er kürzlich zu "The Telegraph". Stattdessen werde der Produzent "weiterhin in der Champagne investieren". Er spricht vom Schutz der Böden, der Abkehr von Monokulturen, Biodiversitätskorridoren und dem Ende des Einsatzes von Herbiziden.

"In der Geschichte all meiner Maisons ist der Gedanke, dass wir das Land an die nächste Generation weitergeben, fester Bestandteil des Modells. Und so ist es auch unserem heutigen Modell inhärent", so Schaus. 26 Maisons und Häuser meint er damit, die zusammen jährlich sechs Milliarden Euro Umsatz machen. Dass die in England produzierten Sekte einmal dem Champagner qualitativ Konkurrenz machen könnten, hält er für Humbug.

In der Champagne gehe es um viel mehr als Temperaturen. "Der Boden ist sehr speziell. Die Handwerkskunst ist sehr, sehr speziell. Es werden enorme Anstrengungen unternommen, um diese Handwerkskunst [in der Region] zu erhalten und weiterzuentwickeln. Zu einer Kategorie wie Champagner gehört viel mehr als nur der Breitengrad", so Schaus. 

Kein Abgesang auf Champagner

Tatsächlich kann von einer britischen Schaumwein-Tradition kaum die Rede sein. Es ist gerade einmal rund drei Jahrzehnte her, dass es dem Weingut Nyetimber auf britischem Boden erstmals gelang, die für Champagner gebräuchlichen Sorten Pinot Noir, Chardonnay und Meunier anzupflanzen. Nyetimber produziert nicht nur ausgezeichneten Sekt, das Gut ist auch das größte in England. Knapp 70 Prozent des in Großbritannien erzeugten Weins wird zu Sekt. Allein in den Jahren zwischen 2015 und 2020 stieg die Schaumwei-Produktion um zehn Prozent an. Global betrachtet ist der Output aber nach wie vor mickrig und liegt bei etwa 0,2 Prozent. 

Die ersten Flaschen von Taittingers britischem Schaumwein sollen 2024 auf den Markt kommen und den klanghaften Namen Domaine Evremond tragen. Champagner wird sich der Sekt dann nicht nennen dürfen, er wurde schließlich nicht in der Champagne produziert. Das will man aber, glaubt man Taittinger, ohnehin nicht. Auf einen Abgesang auf Schaumwein aus Frankreich lässt sich das Unternehmen nicht ein. Viel mehr wolle man mit dem Projekt, zitiert der österreichische "Kurier", "auf den Bedarf des englischen Publikums eingehen".

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