"Traurig und wütend" Kritik an möglicher Seligsprechung von Pius XII

Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Seligsprechung des umstrittenen Papstes Pius XII. hat in jüdischen Gemeinden für Empörung gesorgt. "Ich bin traurig und wütend", sagte der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, am Samstag der Nachrichtenagentur AFP in Berlin.

Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Seligsprechung des umstrittenen Papstes Pius XII. hat in jüdischen Gemeinden für Empörung gesorgt. "Ich bin traurig und wütend", sagte der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, am Samstag der Nachrichtenagentur AFP in Berlin. Die israelische Regierung forderte die Öffnung der Archive des Vatikans.

Wie der Vatikan mitteilte, wurde Papst Pius XII. am Samstag der "heroische Tugendgrad" zuerkannt. Für eine Seligsprechung muss nun noch geprüft werden, ob auf Fürsprache des Papstes eine Wunderheilung erfolgte. Pius XII. war von 1939 bis zu seinem Tod 1958 Oberhaupt der katholischen Kirche. Kritiker werfen ihm bis heute vor, nicht energisch genug gegen den von Hitler-Deutschland organisierten Völkermord an den Juden protestiert zu haben. Der Vatikan erklärt hingegen, Pius XII. habe mit stiller Diplomatie versucht, Juden zu helfen.

"Es ist absolut verfrüht, diesen Schritt zu machen", sagte Kramer. Er sprach von einer "deutlichen Umkehrung der historischen Fakten der NS-Zeit". Die katholische Kirche versuche, "eine andere Geschichte zu schreiben". Wütend mache ihn, dass Papst Benedikt XVI. keine ernsthafte wissenschaftliche Diskussion zulasse.

Auch die Jüdische Gemeinde Italiens bewertete die Entscheidung des Papstes "kritisch". In einer in Rom veröffentlichten Erklärung hieß es, es werde noch immer auf Zugang zu den Archiven des Vatikans gewartet, um eine genaue historische Bewertung vornehmen zu können. "Wir vergessen die Deportationen von Juden aus Italien nicht, insbesondere den Zug, der am 16. Oktober 1943 von Rom mit 1021 Menschen nach Auschwitz fuhr." Zu dem Transport in das NS-Konzentrations- und Vernichtungslager in Polen habe Pius XII. geschwiegen.

Es sei die Aufgabe von Historikern, die Geschehnisse zur Nazi-Zeit genauer zu analysieren, sagte der Sprecher des israelischen Außenamtes Jigal Palmor AFP. Deshalb fordere Israel die Öffnung der Archive des Vatikans. Zum Prozess der Seligsprechung sagte Palmor: "Das ist eine Frage, die nur die katholische Kirche betrifft." Nach Einschätzung des Beauftragten für den interreligiösen Dialog im israelischen Oberrabbinat, David Rosen, könnten die Vatikan-Archive frühestens 2013 zugänglich sein.

Im Prozedere zur Seligsprechung wurde auch der 2005 verstorbene Papst Johannes Paul II. von Benedikt XVI. per Dekret der sogenannte heroische Tugendgrad zuerkannt. Das heutige Oberhaupt der katholischen Kirche hatte das Verfahren 2005 nur zwei Monate nach dem Tod seines Vorgängers eingeleitet. Wie es aus dem Vatikan weiter hieß, könnte Johannes Paul II. im nächsten Jahr dann selig gesprochen werden, entweder an seinem Todestag am 2. April oder im Oktober. Im Oktober 1978 hatte Johannes Paul II. sein Amt angetreten.

Auch für den polnischen Priester Jerzy Popieluszko wurde die Seligsprechung vorbereitet, indem ihm der heroische Tugendgrad zuerkannt wurde. Popieluszko gilt in Polen als Symbol des gemeinsamen Kampfes der demokratischen Opposition und der katholischen Kirche gegen die Unterdrückung unter der kommunistischen Herrschaft. Er hatte in Gottesdiensten die damalige Führung scharf kritisiert und die Freiheitsbewegung der Gewerkschaft Solidarnosc verteidigt. 1984 war der Geistliche im Alter von 37 Jahren von drei Beamten der Geheimpolizei verschleppt und zu Tode gefoltert worden.

AFP
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